„Ein paar Tropfen auf den heißen Stein“

Seit gestern dürfen die Einzelhändler im Land wieder Waren zur Abholung anbieten. Zwar empfinden die Händler in der Region dies als Verbesserung, von großen Umsatzsteigerungen gehen sie allerdings nicht aus.

„Ein paar Tropfen auf den heißen Stein“

Beim Intersport Hettich in Backnang sind Sahar Safdar (links) und Vanessa Schoch damit beschäftigt, Pakete zusammenzustellen – für die Lieferung und seit gestern auch zur Abholung. Besonders Wintersportartikel sind gefragt. Foto: A. Becher

Von Lorena Greppo

BACKNANG/MURRHARDT. Draußen schneit es, die Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung sind begrenzt – viele Menschen haben die vergangenen Tage und Wochen für ein wenig Wintersport genutzt. Das merkt man auch in den entsprechenden Geschäften – obwohl die Läden selbst geschlossen sind. Das Team des Intersport Hettich in Backnang hatte gleich zu Beginn des zweiten Lockdowns eine Telefonbestellung mit Lieferservice eingerichtet. „Es kamen viele Anfragen, ob man Langlaufski leihen kann“, sagt Geschäftsführer Janos Kerekes. Das sei zwar nicht möglich gewesen, manche Kunden hätten dann aber die Gelegenheit genutzt und die Skier zum Kauf bestellt. Inzwischen ist zum Lieferdienst noch die Möglichkeit des „click&collect“ – also das Abholen bestellter Ware vor Ort – hinzugekommen. Ob das für die Händler den Umsatz erheblich steigert, ist fraglich. Aber man ist sich einig: Es ist eine Verbesserung. „Es wird vermutlich noch ein paar Tage brauchen, bis das so richtig anläuft“, erklärt Kerekes. Aber immerhin könne er jetzt schon sagen: Das Geschäft läuft besser als noch beim ersten Lockdown. Besonders Wintersportzubehör und Schlitten sind gefragt. Glücklich könne man mit der Situation momentan jedoch nicht sein, schränkt er ein. „Der Umsatz ist nicht so hoch, dass man sagen könnte, es reicht aus, um alle Kosten zu decken.“

Die Rettung werde es nicht, aber „ein paar Tropfen auf den heißen Stein“, sagt auch Lars Decker, Marktleiter der BayWa in Backnang. „Ich bin froh darum, auch wenn sich die Auftragsfülle noch in Grenzen hält“, fügt Decker an. Etwa 70 Bestellungen zur Abholung seien über das Wochenende eingegangen. „Es sind überwiegend Kleinigkeiten“, führt Decker aus. Armaturen im Badezimmer beispielsweise, die ausgetauscht werden sollen. Seltener sind es größere Aufträge wie etwa Bodenbeläge. Auch vorher schon hatte die Backnanger BayWa Lieferdienste angeboten, das hätten aber viele nicht mitbekommen, weiß der Marktleiter.

„Man kann uns nicht im Regen stehen lassen.“

Geöffnet waren nur die Lebensmittel- und Tierbedarfsabteilungen, später durften auch Brennstoffe vor Ort verkauft werden. Das hätten manche Kunden nicht verstanden und seien dennoch vorbeigekommen, um beispielsweise einen WC-Sitz zu kaufen. Die Möglichkeit des Abholservice „bringt uns schon was“, sagt Decker. Er macht aber auch klar: „Wenn wir auch über den 31. Januar hinaus geschlossen haben müssen, wird es kritisch.“ Dann nämlich wäre das sonst starke Frühjahrsgeschäft betroffen. „Dann geht es ans Eingemachte.“

Buchhändler Christian Lätzig vom BücherABC in Murrhardt weiß: „Es geht nichts über einen offenen Laden.“ In der Vorweihnachtszeit seien trotz des Lockdowns noch einige Bestellungen eingegangen, der Lieferservice war viel unterwegs. „Danach war es aber sehr verhalten.“ Dabei ist Lätzig online sehr gut aufgestellt. Zum einen hat er sein Sortiment auf dem Murrhardter Online-Marktplatz angeboten, zum anderen nutzt er die „Genialokal“-Plattform der Buchhandelsgenossenschaft. Insofern kann das Geschäft am Laufen gehalten werden – der Umsatz jedoch reicht nicht an normale Zeiten hin. Viele Kunden halten ihre Bestellungen zurück, da sie dem Buchhändler keine Umstände mit der Lieferung machen wollen. „Aber keine Umstände bedeutet für mich in diesem Fall auch kein Umsatz“, erklärt Lätzig. Dass nun das Vorbestellen und Abholen vor Ort wieder erlaubt ist, bedeute für ihn daher eine gewisse Entspannung. Als die Entscheidung bekannt wurde, sei die Nachfrage gestiegen. Und: „Das Ausfahren der Waren ist mit Aufwand verbunden, der fällt weg.“ Die Terminvergabe für die Abholung funktioniere auch erstaunlich gut, freut er sich.

Mit der Handhabung von politischer Seite ist der Murrhardter Buchhändler aber nicht sehr zufrieden. In vielen anderen Bundesländern war „click&collect“ nämlich während des gesamten Lockdowns möglich. „Auch hierzulande hätte sich die Politik schon etwas eher dazu durchringen können.“ Dass er seinen Laden schließen musste, sieht Lätzig ein. „Wir tragen diese Entscheidung mit, aus Verantwortungsbewusstsein der Bevölkerung gegenüber.“ Allerdings sollte es seiner Meinung nach auch eine entsprechende Kompensation für den Handel geben. „Man kann uns nicht einfach ein Geschäftsverbot erteilen und uns dann im Regen stehen lassen.“ Es reiche auch nicht, die Fixkosten zu kompensieren. Denn auch der Unternehmer selbst habe einen Lohnausfall. Noch gebe es dazu keine Mittel von Bund und Ländern, allerdings wird darüber diskutiert.

Dass die örtlichen Händler vom Lockdown stark betroffen sind, merkt auch Murrhardts Bürgermeister Armin Mößner, der gleichzeitig Stadtmarketing-Vorsitzender ist. „Gerade in der Bekleidungsbranche haben manche Kunden ihre geplanten Einkäufe an wärmerer Kleidung verschoben oder ganz gelassen“, so die Rückmeldung der Händler ihm gegenüber. Man habe gehofft, das der Abholservice wieder möglich sei, und sei mit den Hygienekonzepten gut aufgestellt gewesen. Es kam aber anders. Eine positive Auswirkung hat die Schließung der Läden hingegen auf den Online-Marktplatz der Stadt gehabt. Seit über einem Jahr steht die Plattform Murrhardter Händlern zur Verfügung, um sich und ihre Waren zu präsentieren. „Sie bringt nicht die Spitzenumsätze“, räumt Mößner ein. Doch die Zugriffe sind nun deutlich gestiegen, das zeigen die Zahlen zu Beginn des zweiten Lockdowns: Waren es am 6. Dezember noch 502 Seitenaufrufe, 231 Sitzungen und sechs Bestellungen, so stiegen diese Werte nur zehn Tage später deutlich an. Am 16. und 17. Dezember – also zu Beginn des Lockdowns – waren es 1762 und 1132 Seitenaufrufe, 443 und 330 Sitzungen und 29 beziehungsweise 14 Bestellungen. Dass nun die Abholungen auch wieder möglich sind, „ist eine große Hilfe für die Händler“, sagt der Bürgermeister. Bezüglich der Situation für die Geschäfte im Ort seien die Geschäftsführer in einem Zwiespalt. „Man sieht die Infektionszahlen, aber man sieht auch das eigene Geschäft und den eigenen Kontostand.“

Dem Einzelhandel werden Bundesmittel in Aussicht gestellt

Der Einzelhandel in Baden-Württemberg musste ab dem 16. Dezember weitgehend schließen. Ausgenommen waren der Einzelhandel für Lebensmittel, Wochenmärkte für Lebensmittel und Direktvermarkter von Lebensmitteln, Apotheken, Reformhäuser, Sanitätshäuser, Drogerien, Optiker und Hörgeräteakustiker, Tankstellen, Kfz- und Fahrradwerkstätten, Banken und Poststellen, Reinigungen und Waschsalons, Tierbedarfsmärkte und Futtermittelmärkte, der Großhandel sowie der Weihnachtsbaumverkauf.

Während Lieferdienste weiterhin möglich waren, war das Abholen von Waren ausdrücklich untersagt. Dieses Verbot galt jedoch lediglich in Bayern, Baden-Württemberg und Sachsen, in Thüringen waren allein Buchhandlungen von dem Verbot ausgenommen. Der Abholservice, auch „click& collect“ genannt, ist erst seit dem gestrigen Montag, 11. Januar, in Baden-Württemberg wieder erlaubt.

Gemäß einer Ankündigung der Landesregierung vom 13. Dezember wird der Bund die betroffenen Unternehmen mit unterschiedlichen Maßnahmen unterstützen. Dafür stocke der Bund die Überbrückungshilfe auf und schaffe Regeln für Teilabschreibungen, um den mit der Schließung verbundenen Wertverlust von Waren und anderen Wirtschaftsgütern unbürokratisch und schnell aufzufangen. „Damit kann der Handel entstehende Wertverluste unmittelbar verrechnen und steuermindernd absetzen“, heißt es auf der Website des Landes. Details sollen noch bekannt gegeben werden. Bundesfinanzminister Olaf Scholz sagte so viel: „Es wird bis 500000 Euro Unterstützung pro Monat geben für direkt oder indirekt geschlossene Betriebe und wir geben dann jeweils entsprechend der Größe des Umsatzausfalls Unterstützung von bis zu 90 Prozent der Fixkosten, die anfallen können.“ Fixkosten sind insbesondere Mieten und Pachten, Kredite und fortlaufende betriebliche Ausgaben – also Kosten, die auch anfallen, wenn der Laden nicht geöffnet ist. Darüber hinaus sieht der Bund-Länder-Beschluss steuerliche Erleichterungen vor. Waren für das Weihnachtsgeschäft, die jetzt wegen der Schließung nicht verkauft werden, sollen unbürokratisch abgeschrieben werden können.

Die Coronahilfen für Unternehmen müssen mit mehr Tempo und weniger Bürokratie ausbezahlt werden, fordert die IHK. „Die Liquiditätshilfen müssen auch ankommen und nicht nur angekündigt werden“, betont die Präsidentin der IHK-Region Stuttgart Marjoke Breuning.