Erinnern an die Ärmsten in der Gesellschaft

Bündnis macht bei Demo auf dem Backnanger Marktplatz aufmerksam auf die Auswirkungen, die die Pandemie auf Flüchtlinge hat.

Erinnern an die Ärmsten in der Gesellschaft

Überwiegend junge Menschen fanden sich am Marktplatz gegenüber dem Rathaus zur friedlichen Kundgebung mit Abstand ein. Foto: A. Becher

Von Renate Schweizer

BACKNANG. Egal, worum es inhaltlich geht: Es gehört schon ein bisschen Mut dazu, sich derzeit auf einer Demonstration blicken zu lassen – Toleranz im Meinungsstreit und Einanderzuhören hat nicht gerade Hochkonjunktur in Zeiten der Pandemie, erst recht nicht im zweiten Lockdown. Knapp 50 Personen folgten dennoch dem Aufruf eines Bündnisses aus Fridays for Future Backnang, Initiative Backnang für alle, Die Partei, Backnanger Demokraten, Refugees 4 Refugees, Backnanger Initiative für Frieden und Abrüstung, Arbeitskreis Menschlichkeit und dem Libertären Treffen Rems-Murr unter dem Motto „Leave No One Behind – Lasst niemanden zurück“.

Überwiegend junge Menschen fanden sich am Marktplatz gegenüber dem Rathaus zur Kundgebung ein. Es ging den Veranstaltern nicht um Protest gegen die Coronaverordnungen – ganz im Gegenteil: Sie wollen aufmerksam machen auf die Auswirkungen, die Pandemie und Lockdown auf die Ärmsten in der Gesellschaft haben und fordern bestmöglichen Schutz vor Ansteckung, Krankheit und Kälte auch und gerade jetzt für Obdachlose, Arme, Bewohner von Sammelunterkünften und geflüchtete Menschen in Backnang, Deutschland und Europa.

„Sein Zuhause längere Zeit nicht zu verlassen, hört sich einfach an (...) Zuhause ist nicht gleich Zuhause. Es macht einen Unterschied, ob man diese Zeit in einer Einzimmerwohnung, einem Haus am Stadtrand oder in einer Geflüchtetenunterkunft verbringen muss“, erklärte Mats Schlühmann im Namen der Initiative „Backnang für alle“. In den Redebeiträgen ging es vom Kleinen und Lokalen – also den Lebensbedingungen in der Sammelunterkunft Hohenheimer Straße in Backnang mit Fotos und sehr konkreten Forderungen an die Stadt – zum großen Elend in den griechischen Flüchtlingslagern, bedrückend eindrucksvoll geschildert von Ute Wolfangel aus Weil der Stadt, die mehrfach dort gewesen ist. Vor Corona war das und vor dem Brand in Moria – seitdem ist nichts, aber auch gar nichts besser geworden, sagte sie.

„Die AHA-Regeln sind sinnvoll. Alle Menschen müssen diese auch einhalten können“, so der Sprecher des libertären Treffens. Und weiter: „Hier um die Ecke steht das Containerlager in Aspach unter Quarantäne. Die Lager in Deutschland sind im Vergleich zu denen auf den griechischen Inseln gut ausgestattet.“ Allen Lagern sei aber gemeinsam, dass sie die Verbreitung von Corona innerhalb des Lagers förderten und Leben und Gesundheit der Menschen dort gefährdeten. Klar war unter diesen Umständen, dass alle Teilnehmenden an der Demo sich penibel an die Regeln hielten: „Wer meint, keinen Abstand halten oder keine Maske tragen zu müssen, darf gerne zu Hause bleiben“, so stand es schon in der Einladung – oh ja, man passt jetzt ganz genau auf, mit wem man auf die Straße geht und von wem man sich abgrenzt, da ist kein Platz mehr für Ironie, Mehrdeutigkeiten und überraschende Koalitionen. Auch das ist eine Nebenwirkung der Pandemie. „Keine besonderen Vorkommnisse“, bestätigte der Einsatzleiter der begleitenden Polizei. „Wenn’s immer so läuft, sind wir zufrieden.“ Im Anschluss an die Kundgebung auf dem Marktplatz ging der Demonstrationszug einmal rund um die Innenstadt. Zurück am Marktbrunnen bekam mit Rex Osa vom Netzwerk „Refugees 4 Refugees“ ein 2005 aus Nigeria geflüchteter Menschenrechtsaktivist und Träger des Stuttgarter Friedenspreises noch das letzte Wort.