Erinnerungen an eine merkwürdige Zeit

Der Backnanger Architekt Ralf Blum hat die Coronapandemie und ihre Folgen mit seiner Kamera dokumentiert. Daraus soll nun ein Buch entstehen, zu dem bekannte Persönlichkeiten aus der Stadt Texte beisteuern.

Erinnerungen an eine merkwürdige Zeit

Abstandhalten ist hier kein Problem: Die Backnanger Innenstadt wirkte während der Hochphase der Pandemie oftmals wie ausgestorben.Fotos: R. Blum

Von Kornelius Fritz

BACKNANG. Seit einigen Wochen gehen die Infektionszahlen auch in Backnang spürbar zurück und die Stadt erwacht langsam wieder zum Leben. Geschäfte öffnen, Restaurants heißen Gäste willkommen und die ersten Kulturveranstaltungen stehen bevor. Alle hoffen, dass die Zeiten von Lockdown und Ausgangssperren nun endgültig vorbei sind.

Ralf Blum geht es nicht anders, allerdings hat der zeitweise vollständige Stillstand des öffentlichen Lebens den 53-Jährigen auch in gewisser Weise fasziniert. Denn Ralf Blum ist seit Jahrzehnten ambitionierter Hobbyfotograf, beim Fotowettbewerb „Blende“ unserer Zeitung gehörte er mehrfach zu den Preisträgern. Seine Heimatstadt Backnang bietet ihm seit jeher viele Motive, doch nun präsentierte sie sich plötzlich in einer Art und Weise, die er noch nie gesehen hatte. Einkaufsstraßen waren mitten am Tag wie leer gefegt, Spielplätze mit Flatterband abgesperrt, als seien sie Tatort eines Verbrechens, und überall hingen Schilder, die an Abstandsgebot und Maskenpflicht erinnerten.

Auch AltbundespräsidentHorst Köhler liefert einen Text.

Für Ralf Blum war klar: „Das ist ein einmaliger Zeitabschnitt, den es so noch nie gab.“ Deshalb hat er sich im vergangenen Jahr immer wieder seine Kamera geschnappt und die Eindrücke festgehalten. Mehrere Hundert Fotos sind dabei entstanden: Sie zeigen verwaiste Sportplätze und leere Kirchen, geschlossene Läden und geöffnete Coronatestzentren, bekannte Plätze und schmuddelige Ecken. „Diese Zeit war schon etwas Besonderes. Vielleicht werden wir uns in einigen Jahren gar nicht mehr so genau daran erinnern“, vermutet Ralf Blum, der als Architekt in einem Büro in Kernen im Remstal arbeitet. Deshalb hatte er die Idee, diese außergewöhnliche Phase in einem Buch zu dokumentieren.

Unterstützung fand er bei Jörg Esefeld, den er von einem gemeinsamen beruflichen Projekt kannte. Dessen Verlag Edition Esefeld&Traub hat schon mehrere sogenannte Stadttagebücher mit Fotos und Texten veröffentlicht, bislang allerdings nur über Weltstädte wie New York, Tokio oder Istanbul. Der Verleger zeigte sich allerdings offen, auch Backnang in diese Reihe aufzunehmen. Zum Konzept der Stadttagebücher gehört, dass passend zu den Fotos verschiedene Autoren aus ihrer Perspektive über die jeweilige Stadt schreiben.

Und so machte sich Ralf Blum daran, bekannte Persönlichkeiten aus Backnang anzusprechen und sie um einen kurzen Textbeitrag für das Buch zu bitten. Neben Autoren und Künstlern kontaktierte der Fotograf auch Politiker, Geistliche und Vereinsvertreter. Von der Resonanz war Blum selbst überrascht: Rund 40 bekannte Backnangerinnen und Backnanger haben bereits zugesagt, darunter der Schriftsteller Kai Wieland, der frühere SPD-Bundestagsabgeordnete und Bundesvorsitzende der Lebenshilfe Robert Antretter und der neue Oberbürgermeister Maximilian Friedrich. Besonders stolz ist Ralf Blum auf die Zusage von Altbundespräsident Horst Köhler. Auch er hat einen persönlichen Bezug zur Stadt, denn in den 1950er-Jahren hat er für einige Monate in Backnang gelebt.

Persönliche Gedanken,Anekdoten und Gedichte.

Am Ende hofft Blum, dass sich etwa 50 bis 60 Autorinnen und Autoren in dem Buch verewigen werden. „Ein paar Wunschkandidaten habe ich noch“, verrät der Initiator, will aber noch keine Namen nennen. Bis auf eine Längenbegrenzung auf 2000 Zeichen bekommen die Schreiber übrigens keine Vorgaben. „Die Texte können ganz unterschiedlich sein“, sagt Ralf Blum. Persönliche Gedanken zur Coronazeit sind ihm ebenso willkommen wie amüsante Anekdoten oder auch Gedichte. Einzige Bedingung: „Es sollte einen Bezug zur Stadt haben.“

Bis Ende Juli sollen alle Texte vorliegen. Als Lektor konnte der Verlag den Lyriker José F. A. Oliver gewinnen, der kürzlich mit dem Heinrich-Böll-Preis der Stadt Köln ausgezeichnet wurde. Dieser wird die Texte überarbeiten und auch selbst einen Beitrag beisteuern.

Wann das Buch mit dem Titel „Mein Backnang“ erscheinen wird, ist noch unklar. „Wenn es noch vor Weihnachten klappen würde, wäre es toll“, sagt Ralf Blum, will aber nichts versprechen. Schließlich ist das Buchprojekt sowohl für ihn als auch für Verleger Jörg Esefeld nur ein Hobby neben dem Hauptberuf. Und es gehe ihnen dabei auch nicht ums Geldverdienen, erklärt Ralf Blum. Wenn der Erlös am Ende die Produktionskosten decke, sei er schon zufrieden.

Erinnerungen an eine merkwürdige Zeit

Ralf Blum war im vergangenen Jahr immer wieder mit seiner Kamera in Backnang unterwegs.