„Es ist schon eine bedrohliche Situation“

Von den Einschränkungen im Zeichen der Coronapandemie sind auch die Fahrschulen betroffen – Hoffnung auf Möglichkeit zur Öffnung im Mai

Das erhebende Gefühl, die theoretische und die praktische Prüfung hinter sich zu haben und den „Lappen“ in Händen zu halten, bleibt den Fahranfängern derzeit verwehrt. Die Fahrschulen sind bedingt durch die Coronakrise noch geschlossen. Das lässt auch bei Fahrlehrern im Backnanger Raum mitunter Existenzängste aufkommen.

„Es ist schon eine bedrohliche Situation“

Auch Jens Ginter muss seine Fahrschule in Backnang derzeit geschlossen halten. Foto: A. Becher

Von Bernhard Romanowski

BACKNANG. Dass der notwendige Abstand zwischen den Fahrlehrern und ihren Eleven nicht einzuhalten ist, leuchtet gleich ein. Aber auch der vorbereitende Unterricht für die Theorieprüfung darf derzeit nicht abgehalten werden, wie Jens Ginter es schildert, der die 1978 von Walter Ginter in Backnang gegründete Fahrschule seit 1998 betreibt. Es sei zurzeit coronabedingt kein Präsenzunterricht durchführbar. Dieser sei aber die Grundvoraussetzung für den theoretischen Teil des Erwerbs der Fahrerlaubnis, so wurde laut Ginter einigen großen Fahrschulen von offizieller Seite mitgeteilt, nachdem sie eine gemeinsame Anfrage gestellt hätten, ob der Theorieunterricht nicht etwa mit größeren Abständen zwischen den Fahrschülern doch durchgeführt werden könnte. Zwar hätten die meisten seiner Kunden ihre Ausstände bereits bezahlt. Auch habe er als Soloselbstständiger die Soforthilfe der Bundesregierung erhalten. „Doch das ist im Grunde nur ein Tropfen auf den heißen Stein“, so Ginter weiter. Denn selbst wenn die Fahrschulen Anfang Mai wieder ihren Betrieb aufnehmen können sollten, werde es schwer für ihn, das Minus wieder auszugleichen. Derzeit geht er stundenweise Getränke einräumen in einem Supermarkt, wie er im Gespräch mit unserer Zeitung berichtet.

Von den zuständigen Stellen wurde keine Genehmigung für den Online-Theorieunterricht erteilt

Handschuhe und Mundschutz zu tragen, sei im Fahrschulauto kein Problem. Aber den Abstand von 1,50 Meter einzuhalten oder gar eine Trennwand zwischen Lehrer und Schüler einzuziehen, sei nicht praktikabel. Dennoch nimmt er es mit einer gewissen Gelassenheit: „Den einen trifft es mehr, den anderen etwas weniger. Wenn das drei Monate anhält, geht das noch. Wenn es fünf Monate gehen sollte, wird’s komisch“, so Ginter mit Blick auf die weitere Entwicklung.

„Irgendwann geht es um Existenzen“, gibt auch Andreas Rupp zu bedenken, der ebenfalls in Backnang mit seiner Fahrschule ansässig ist und zudem eine Filiale in Aspach betreibt. Es gebe durchaus Möglichkeiten, zumindest den theoretischen Unterricht hygienisch den Vorgaben entsprechend und kontaktarm durchzuführen. Auch Unterricht via Internet, etwa im Stil von Telefon- oder Videokonferenzen, wäre möglich. „Die Verlage waren schnell. Es gibt bereits erste vernünftige Programme dafür. Es ist aber keine Genehmigung für diese Form des Unterrichts erfolgt.“

Auch die Beratung von Leuten, die einen Führerschein machen wollen, dürfe derzeit nicht vis-à-vis, sondern nur telefonisch erfolgen, so Rupp. Für seine sechs Mitarbeiter hat er Kurzarbeit angemeldet. Die Fixkosten laufen derweil weiter. Auch er hat die Soforthilfe beantragt und erhalten. Es sei grundsätzlich gut, dass es diese Form der Unterstützung gebe, meint er. Doch die Soforthilfe sei unglücklich gestaffelt, so seine Einschätzung.

„Für Einzelkämpfer geht das, sich mit 9000 Euro drei Monate lang über Wasser zu halten. Aber ein Betrieb mit mehreren Mitarbeitern komme auch mit den etwas höher veranschlagten Beträgen nicht weit.“ Rupp: „Es ist schon eine bedrohliche Situation.“

Für den praktischen Fahrunterricht sieht Rupp durchaus Möglichkeiten, den hygienischen Vorgaben zu entsprechen. Das Desinfizieren des Fahrzeuginneren nach jedem Fahrschüler wäre beispielsweise eine Möglichkeit, wie sie zum Teil auch im Taxibereich praktiziert wird. Auch hat er Einweghüllen für das Lenkrad seiner Autos beschafft. Rupp: „Das stapelt sich jetzt alles im Büro.“

Telefonisch ist er aber noch für seine Kunden da. Unter anderem rufen besorgte Eltern an. „Rund 400 Fahrschüler sind momentan in der Warteschleife“, verrät er. Ansonsten kümmert er sich um die Hausaufgaben der Kinder, radelt oder fährt mit dem Motorrad. „Die Schulungsräume sind jetzt renoviert, der Papierkram auf aktuellem Stand und der Garten ist picobello. Wir sind startklar für den Exit“, so Rupp mit Blick auf die Lockerung der aktuellen Beschränkungen durch die Coronapandemie.

Info

Wäre es nicht sinnvoll, dass Fahrschüler in Zeiten von Corona ihren Theorieunterricht online vor dem Computer absolvieren? „Nein, das ergibt keinen Sinn“, sagt Dieter Quentin, Vorsitzender der Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände (BVF) ganz klar. Natürlich könnten Fahrschüler problemlos online Regelwissen pauken. „Dagegen spricht überhaupt nichts“, so Quentin. Aber theoretischer Fahrschulunterricht sei sehr viel mehr.

Die Teilnahme am Straßenverkehr bestehe eben nicht nur aus dem Beherrschen von Regeln, sondern vor allem auch aus der Einsicht in die Einhaltung dieser Regeln. Sie bestehe zu einem großen Teil aus sozialer Interaktion sowie der Fähigkeit und auch Bereitschaft, sich im Straßenverkehr so zu verhalten, dass weder man selbst noch andere gefährdet werden, meint Quentin.

Der Präsenzunterricht sei ein enorm wichtiger Baustein der Sozialisierung junger Fahrer im Straßenverkehr. „Dort erhalten Fahranfänger einen Einblick in die Vielfältigkeit der am Verkehrsgeschehen beteiligten Personengruppen, einen Einblick in die Schutzbedürftigkeit, die Ansprüche und die Wünsche anderer Verkehrsteilnehmer.“ Das seien Unterrichtsanforderungen, die der beste OnlineUnterricht niemals erfüllen könne.

„Auch wenn jetzt viele Fahrlehrer zu Hause sitzen, denen es verständlicherweise in den Fingern kribbelt, zu arbeiten – wir halten überhaupt nichts davon, jetzt ohne Not einen Schmalspur-Online-Unterricht zu fahren“, so Quentin. Das sei nicht im Sinne der Sicherheit von jungen Fahranfängern und allen, die im Straßenverkehr mit ihnen zusammentreffen.“ Ohnehin würde der Online-Unterricht niemandem einen Vorteil bringen. Es würde auch niemand hierdurch schneller seinen Führerschein in der Hand halten. „Die Schüler können ja sowieso ihre Fahrstunden erst nach Ende der coronabedingten Schließungen absolvieren.“ Auch könne die Zahl der Prüfplätze für die praktischen Prüfungen dann nicht kurzfristig erhöht werden, so der BVF-Vorsitzende.