Fingierte Atteste haben keine Chance

Die Schulen setzen konsequent auf die Maskenpflicht und kontrollieren, ob Befreiungen begründet sind. Die Freie Waldorfschule Backnang räumt Eltern und Schülern eine Übergangsfrist bis zu den Weihnachtsferien ein, um neue Atteste vorzulegen.

Fingierte Atteste haben keine Chance

Wohl kein Schüler trägt gerne Maske im Unterricht, aber sie sorgt neben einer Impfung für den besten Schutz. Foto: Adobe Stock/Syda Productions

Von Matthias Nothstein

Backnang. An den Schulen gilt wieder Maskenpflicht, sie ist ein anerkannter Schutz vor der Ansteckung mit Corona. Umso schwerer wiegt der Vorwurf eines Vaters, der behauptet, dass von 439 Schülern der Freien Waldorfschule Backnang 68 Schüler ein Attest vorgelegt hätten, das sie von der Maskenpflicht befreit. Die Geschäftsführerin der Waldorfschule, Katrin Walker, weist das entschieden zurück, lässt sich aber gleichzeitig nicht entlocken, wie viele Atteste es genau sind. Nur so viel: „Es waren weniger.“

Gleichzeitig macht Walker unmissverständlich deutlich, dass die Waldorfschule den Kampf gegen die Pandemie sehr ernst nimmt, und verweist darauf, dass etwa die Impfquote ihres Kollegiums über dem bundesdeutschen Durchschnitt liegt. Walker: „Wir setzen die Coronaverordnung, die für staatliche und private Schulen gleichermaßen gilt, eins zu eins um und informieren unsere Elternschaft schriftlich über die konkreten Maßnahmen an unserer Schule.“

Die genaue Zahl an eingereichten Attesten wollte Walker dennoch nicht nennen, weil zum einen einige zeitlich begrenzt waren, etwa wegen kurzfristiger Probleme wie einer Erkältung oder Heuschnupfen, zum anderen, weil es derzeit eine Übergangsfrist gibt, in der sämtliche Atteste neu eingefordert und geprüft werden. Darüber wurden die Eltern bereits in den Herbstferien informiert. Die Übergangsfrist gilt bis zu den Weihnachtsferien. So lange können aktuelle ärztliche Atteste im Schulbüro eingereicht werden. Das heißt aber auch, dass die bisherigen Atteste weiter gelten. Die betroffenen Kinder können sich also ohne Maske in der Klasse aufhalten. Walker: „Die Atteste haben bedingte Gültigkeit.“

Lediglich eine geringe Anzahl

an Schülern trägt keine Maske

Dennoch sitzt laut Walker nur eine relativ geringe Anzahl an Schülern ohne Maske am Platz. Das hängt auch damit zusammen, dass die Geschäftsführung in jüngster Zeit sehr an die Schulgemeinschaft appelliert und auf die veränderten Voraussetzungen hingewiesen habe, Stichwort vierte Welle. In der Waldorfschule prüft eine von Vorstand und Schulführungskonferenz beauftragte Coronadelegation die Atteste, ob diese den Kriterien entsprechen und glaubhaft sind. Fällt ein Attest durch, so gilt die Maskenpflicht für diesen Schüler weiter. Wird das Attest anerkannt, so wird in der Folge über die Art der Maskenbefreiung entschieden. Denkbar ist etwa eine Maskenbefreiung nur im Unterricht am Platz.

Walker räumt ein, dass ein Lehrer vor über einem Jahr für einen Arzt geworben habe, bei dem es „unproblematisch“ fingierte Atteste geben würde. „Dieser Mitarbeiter zeigte sich damals einsichtig und hat sich für sein Fehlverhalten entschuldigt.“

Der Umgang mit maskenbefreiten Schülern ist laut Walker abhängig vom Alter und der Klassenstufe. Grundsätzlich gelte die Devise „Maske oder Abstand“, das heißt, der Klassenlehrer oder Tutor sorgt durch die Sitzordnung gemäß den lokalen Möglichkeiten für Abstand.

Die Leiterin des Staatlichen Schulamts Backnang, Sabine Hagenmüller-Gehring, äußert sich nicht zur örtlichen Waldorfschule, da es sich dabei um eine private Schule handelt. Sie verweist jedoch darauf, dass die Schulleiter der staatlichen Schulen im Backnanger Stadtgebiet eine ganz klare Handlungsanweisung erhalten haben, wie Atteste aussehen sollen. Der ausstellende Arzt müsse den Fall so schildern, dass der zuständige Schulleiter einschätzen kann, dass die Befreiung im jeweiligen Fall notwendig ist. Die Schulleiter wurden angewiesen, die Anforderungen gewissenhaft zu prüfen. Dank der strikten Überprüfung gebe es im gesamten Stadtgebiet nur wenige Befreiungen, bestätigt Hagenmüller-Gehring, Zahlen kann sie jedoch keine nennen.

Die Schulamtsleiterin appelliert an alle, mit dem Thema verantwortungsvoll umzugehen. „Diejenigen Kinder und Eltern, die sich an die Regeln halten, sehen sich gefährdet. Das sollten auch all jene bedenken, die ungerechtfertigte Atteste beantragen. Es entstehen dadurch viele Konflikte mit weitreichenden sozialen Konsequenzen.“ Auch würden in der Schulleitung durch missbräuchlich eingeforderte Atteste viele Kräfte gebunden, die eigentlich gerade in der Pandemie andere Arbeiten zu erledigen hätten. Dabei geht es nicht nur um den Schriftverkehr mit Anwälten und querdenkenden Eltern, die ihre Kinder am Ende gar nicht mehr zur Schule schicken, sondern auch um ganz banale Fragen wie: „Wo setze ich das Kind in der Klasse hin? Wie gehe ich mit dem Kind um, ohne es bloßzustellen?“

Auch Karin Moll, die geschäftsführende Schulleiterin der Backnanger Schulen, betont, dass trotz der ärztlichen Schweigepflicht in einem qualifizierten Attest Aussagen enthalten sein müssen, die die Schulleitung in die Lage versetzen, eine Entscheidung treffen zu können. Sie bestätigt, dass von den 504 Schülern ihrer Mörikeschule derzeit drei Kinder ein solches Attest besitzen. In all den Fällen, in denen sie den Eindruck hat, der Grund für eine Befreiung ließe sich mit „ich will halt nicht“ zusammenfassen, lehnt sie nach Rücksprache mit dem Schulamt eine Befreiung ab. Karin Moll weiß von etlichen Eltern, die verärgert sind, weil sie ihrem eigenen Kind eine Maske zumuten und es so schützen und andere Eltern dies nicht tun und damit die Gemeinschaft gefährden. „Das empfinden viele als einen Schlag ins Gesicht.“

Doch die Schulleiterin ist sehr froh, dass die allermeisten Eltern den geforderten Weg mitgehen. Ohnehin hält sie nichts vom Konfrontationskurs, „damit erreichen wir nichts, ich verstehe mich vielmehr als Brückenbauerin“. Trotzdem ist der tagtägliche Spagat zwischen den Extremen eine große Belastung für die Schule, „die Nerven liegen bei vielen blank“. Besonders belastet die Schulleiterin, dass es auch viele Krankheitsfälle an der Schule gibt. So sind zwei Lehrkräfte derzeit heftig an Corona erkrankt.

Nur die Schulleitung kann von der Maskenpflicht befreien

Atteste Das staatliche Schulamt berät die Schulleitungen immer wie folgt, wenn es um eine Maskenbefreiung geht:

Grundsätzlich gilt, dass es sich um ein gültiges Attest eines zugelassenen Arztes handeln muss, wenn eine Maskenbefreiung beantragt wird. Ob ein Arzt zugelassen ist oder nicht, muss recherchiert werden, wenn man daran aufgrund des Attests Zweifel hat.

Soll ein Schüler von der Maskenpflicht befreit werden, dann müssen Eltern der Schulleitung ein ärztliches Attest mit einer ausreichend langen Vorlaufzeit vorlegen, damit dessen Inhalt überprüft werden kann.

Nicht der Arzt befreit von der Maskenpflicht, sondern die Schulleitung. Das ärztliche Attest dient der Glaubhaftmachung von gesundheitlichen Risiken. Nur wer der Schulleitung glaubhaft machen kann, dass gesundheitliche Risiken durch das Tragen einer Maske zu befürchten sind, kann von der Maskenpflicht entbunden werden.

Aus dem ärztlichen Attest muss erkennbar werden, dass der Arzt den Schüler tatsächlich persönlich untersucht hat. Außerdem müssen konkrete Risiken (Befundtatsachen und individuelle Folgen – keine Diagnose) aufgrund des Maskentragens beschrieben werden.

Ärztliche Atteste, die „formularhaft“ sind und aus denen sich keine individuellen Beschwerden erkennen lassen, können dagegen angezweifelt werden. Wird also aus der Formulierung deutlich, dass nicht beim konkreten Schüler die beschriebenen Risiken aufgrund des konkreten gesundheitlichen Zustands zu befürchten sind, sondern dies eine generelle Aussage ist, ist das Attest ungenügend. Ein qualifiziertes Attest kann dann nachgefordert werden.

Ungültige Atteste An der Freien Waldorfschule Freiburg St. Georgen war es unlängst zu einem Coronaausbruch mit 117 Infizierten gekommen. Daraufhin hatte die Schulaufsicht des Regierungspräsidiums Freiburg die Maskenatteste der Schulgemeinschaft mit etwa 600 Schülern geprüft. Das Ergebnis: Keines der 55 eingereichten Atteste hielt der Prüfung stand.