Gesellige Stunden müssen noch eine Weile warten

In der Kleingartenanlage im Backnanger Plattenwald herrscht am Wochenende Hochbetrieb – Hobbygärtner wahren über Zäune und Hecken hinweg Sicherheitsabstand

Der Frühling gab am Wochenende Vollgas. In der Kleingartenanlage im Plattenwald wird gemäht und umgegraben. Gärtnern ist ja erlaubt und die Hobbygärtner wahren über Gartenzäune und Hecken hinweg ausreichend Sicherheitsabstand. Gesellige Stunden müssen eben noch eine Weile warten. Jetzt, nach der Kälte, fällt vor dem Gartengenießen ohnehin erst einmal jede Menge Arbeit an.

Gesellige Stunden müssen noch eine Weile warten

Mathias Haas hat das Stückle von seinem Vater übernommen. Inzwischen werkelt mit Enkelin Lisa Biederer die vierte Generation mit. Foto: T. Sellmaier

Von Heidrun Gehrke

BACKNANG. Der warme sonnige Frühlingsschub drückt frisches Grün aus allen Zweigen. In der Kleingartenanlage im Plattenwald herrscht Hochbetrieb. Und das trotz Corona. „Es ist höchste Zeit“, sagt Mathias Haas selbstkritisch. Die Gartenschere in Händen, kraxelt der fidele Rentner die Leiter hoch und stutzt die Krone seines Apfelbaums, damit seine geliebten Boskop-Äpfel Platz zum Wachsen haben. „Die Wassertriebe müssen raus, nach dem Frost kommt jetzt alles auf einmal“, meint der erfahrene Gärtner, der das Stückle von seinem Vater übernommen hat. Inzwischen werkelt die vierte Generation mit: Seine Enkelin Lisa Biederer macht aus den Ästen Kleinholz. „Zum Heizen und für den Kompost“, erzählt sie.

Bei der Arbeit im Garten ist das Virus für ein paar Stunden ganz weit weg

Die ganze Familie habe das Garten-Gen. „Meine Mutter Floristin, die Oma Gärtnerin, der Apfel fällt nicht weit vom Stamm“, sagt sie lachend. Die Beschäftigung mit der Natur sei der perfekte Ausgleich zum Homeoffice. „Ich sehe, dass die Arbeit Früchte trägt und wie alles wächst.“ Unter Obstbäumen mit ihrer Gartenschere in der Hand sei auch Corona für ein paar Stunden „schön weit weg“.

Zwischen den Bäumen hüpfen Meisen und Buchfinken. Gartenscheren zwacken. Ein Rasenmäher rumort. Kombis parken vor den Zäunen mit geöffneten Heckklappen, Material zum Schaffen wird ausgeladen. Alles wie immer, trotz Corona. Beinahe wie immer: Irina und Gerald aus Backnang laden normalerweise am 1. Mai ihre Freunde ein, feiern unter blühenden Obstbäumen ein kleines Festle. „Das fällt dieses Jahr aus, wir überlegen uns aber schon ein Ersatzprogramm“, erzählen sie. „Eventuell eine Rote-Wurst-to-go, die wir ihnen übern Gartenzaun rüberreichen“, witzeln sie. Solange sie dürfen, seien sie im Garten. „Wäre schön, wenn es so bleibt, Gartenarbeit tut der Seele gut“, meint Irina. „Wir hoffen, dass sich alle an die Kontaktsperre halten“, sagt Gerald. Er kniet seitlich der drei Hochbeete am Boden und ebnet die Stufen zum Gartenhäuschen ein. Neben ihm ein XXL-Bergsteiger-Gartenzwerg. „Der gehört meinem Vater, er liebt die Berge“, meint Ehefrau Irina. Der über 80-jährige Senior nutze seinen Garten seit über 40 Jahren ganzjährig. Normalerweise wäre er auch bei dem schönen Frühlingswetter dabei, würde sich irgendwo nützlich machen. „Heute musste er natürlich daheim bleiben, der Schutz der Gesundheit geht vor“, sagt sie. Die Gartenarbeit gehe trotzdem immer mehr auf sie über, erzählt Irina. Der Generationswechsel vollziehe sich aber in der ganzen Kleingartenanlage, die Anfang der 1950er-Jahre entstanden ist. „Wir haben viele neue Nachbarn, man beschnuppert sich, einige kennen wir schon“, berichten sie. Die Geselligkeit bleibe trotz Corona nicht auf der Strecke: „Man sagt sich aus der Ferne Hallo und tauscht einen Tipp aus, aber eben auf Distanz.“ Den Großteil des Gartens beackern sie. Schnittlauch lugt schon jetzt saftig grün aus einer alten, zum Pflanzkasten umgemodelten Weinkiste und neben Wagenrädern wächst Thymian. „Zwei Drittel der Parzelle müssen Nutzgarten sein“, berichten sie von den Statuten des Bundeskleingartengesetzes, das für den Backnanger Verein der Gartenfreunde auch gilt. Er konnte vergangenes Jahr auf sein 75-jähriges Bestehen zurückblicken. Das Gelände ist städtisch, der Verein hat es von der Stadt gepachtet und die 69 Parzellen an seine Mitglieder weiterverpachtet. Das eigene Gemüse ernten zu können, sei nicht erst seit Corona und der damit einhergehenden Sorge vieler vor Lebensmittelverknappung eine tolle Sache. „Es schmeckt einfach besser, man weiß genau, was drin ist“, sagt Irina.

„Ich kann mich sinnvoll beschäftigen“

Heidi und Steffen aus Backnang haben im Folienhäuschen bereits die Erde umgegraben für Tomaten und Gurken, die Beete sind vorbereitet, der Kompost ist umgeschaufelt und auf den Beeten verteilt. „Die Natur macht ja trotz Virus weiter“, sagt Heidi. Sie bedauert die coronabedingte Trennung von ihrem vierjährigen Enkel. „Der wäre voll dabei, ihm gefällt es, mit der Kindergießkanne zu gießen“, sagt sie.

Seit elf Jahren haben sie ihre „grüne Oase“ gepachtet. Hier könne sie Corona für ein paar Stunden den im frühlingshaft kurzärmeligen T-Shirt steckenden Rücken zukehren: „Ich kann mich sinnvoll beschäftigen und kriege Abstand zu den Nachrichten.“

Beim Heimkommen stellt sich Zufriedenheit ein. „Man hat was getan, steigert sich nicht in alles so rein“, meint sie. Sorgen habe sie keine. „Ganz so schwarz sehe ich es nicht. Ich höre die Vögel zwitschern und habe meine Ruhe, so kann ich abschalten von der Infoflut.“

Info

Klaus Otto, Ehrenvorsitzender der Gartenfreunde Backnang und Präsident des Landesverbands der Gartenfreunde, erläutert die Regeln für den öffentlichen Raum, die für alle Kleingärtner und Hausgartenbesitzer gelten. „Die Gärten werden für die kleingärtnerische Nutzung und kurze Erholung im Grünen offen gehalten – nicht für Partys. Ziel ist es, das Selbstversorgungspotenzial zu erhalten und auszubauen.“

Alle Pächter der Kleingartenanlage Backnang-Plattenwald seien über die Coronaregeln informiert worden. In der Anlage weist ein Aushang darauf hin. Laut Landesregierung ist „der Weg in den Garten, der Aufenthalt in der Kleingartenanlage und auf den Parzellen alleine, mit den Familienmitgliedern, die im selben Haushalt leben, oder mit höchstens einer weiteren Person“ gestattet. Demnach dürfen sich nicht mehr als zwei Personen, die nicht „unter einem Dach leben“, gemeinsam dort aufhalten.

Gemeinschaftsarbeit in Gruppen und Partys sind untersagt. Gegenüber weiteren Personen muss ein Sicherheitsabstand von mindestens eineinhalb Metern eingehalten werden, das gilt auch beim Schwätzchen mit dem Nachbarpächter. „Wir nutzen das Sonderprivileg nicht, um private Grillpartys zu feiern. Ziel ist es, in den Gärten weiterarbeiten und den Anbau von Obst und Gemüse sichern zu können“, so Klaus Otto.