Michael Balzer vom Seniorenbüro hilft Marianne Karp nach ihrem Impftermin im Robert-Bosch-Krankenhaus in Stuttgart beim Aussteigen aus dem Seniorenmobil. Foto: A. Becher
Von Melanie Maier
BACKNANG. „Liebe Hilfswillige, Sie sind meine letzte Rettung!“ Mit diesen Worten richtet sich eine Seniorin an die SPD-Parteijugend im Rems-Murr-Kreis. Schon seit dem 3. Januar versucht sie, über die Telefonhotline 116117 einen Termin für eine Coronaschutzimpfung für sich und ihren Mann auszumachen – bisher vergeblich.
Seitdem die Jusos ihr Hilfsangebot an Senioren im Landkreis gerichtet haben, habe er viele solcher E-Mails erhalten, berichtet Juso-Sprecher Luca Schneider. „Für viele ältere Menschen stellt es aktuell eine viel zu große Hürde dar, an einen Termin zu kommen“, sagt er. Die Vereinbarung der Termine erfolgt entweder per Internet – dazu braucht man ein Handy, mit dem man einen SMS-Code empfangen kann, und eine E-Mail-Adresse – oder per Telefon. Doch bei der Hotline kommt es nicht selten zu langen Wartezeiten – wenn man überhaupt durchkommt. Häufig werden die Anrufer nach einer kurzen Ansage aus der Leitung geworfen. Für viele Über-80-Jährige ist die Prozedur eine Herausforderung.
Das haben nicht nur die Jusos erkannt, sondern auch andere Anlaufstellen, die ihre Unterstützung bei der Vereinbarung von Impfterminen und zum Teil auch bei Fahrten zu den Impfzentren anbieten. In Backnang zum Beispiel macht das die Bürgerstiftung in Kooperation mit dem Seniorenbüro und dem DRK-Ortsverein.
Am Morgen, an dem Michael Balzer vom Seniorenbüro Marianne Karp zum Stuttgarter Robert-Bosch-Krankenhaus begleitet, herrscht Schneechaos auf den Straßen. Um 9.55 Uhr hat die 85-jährige Seniorin aus Backnang den Termin. Die Fahrt dauert: Stop-and-go auf der B14. „Gott sei Dank sehen die Ärzte es nicht so eng mit den Terminen“, sagt Balzer. „Wir waren vier Minuten zu spät da.“
Mit Bus und Bahn wäre die Anfahrt beschwerlich gewesen.
Trotz der minimalen Verspätung habe alles gut funktioniert, berichtet er: „Die Abwicklung vor Ort ist unglaublich gut. Es lohnt sich, für die Impfung Werbung zu machen.“ „Einwandfrei“ fand auch Marianne Karp die Fahrt nach Stuttgart und zurück und den Ablauf vor und nach dem Impfen: „Das ging alles tadellos“, sagt sie. Die Seniorin war sehr erleichtert über das Angebot, Unterstützung bei der Fahrt zum Impfzentrum zu bekommen. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln wäre die Anfahrt beschwerlich gewesen: Vom Bahnhof hätte sie mit der Bahn nach Stuttgart fahren müssen, von dort aus weiter mit der Stadtbahn, „und dann noch ein Stückle mit dem Bus“, so Karp.
Den Impftermin habe der Sohn eines Bekannten online für sie vereinbart, sagt die Seniorin. Sie selbst hat kein Internet. Über die Telefonhotline kam sie, wie die meisten, nicht durch.
Das Problem kennt Beate Zieker aus Weissach im Tal gut. Sie arbeitet für die Gemeindeverwaltung und kümmert sich um die Buchung von Impfterminen für diejenigen, die es nicht alleine schaffen, einen zu vereinbaren. Rund 600 Bürger der höchsten Prioritätsstufe haben im Vorfeld der Aktion einen Brief von der Gemeinde erhalten, in dem sie über das Angebot informiert wurden. Etwa 130 Personen haben sich daraufhin gemeldet, berichtet Zieker. Diese habe sie alle bei der Hotline vormerken lassen, aber bisher sei noch nichts weiter passiert.
Seit vergangenem Montag können sich Impfwillige auf eine Warteliste setzen lassen. Sobald Termine frei sind, werden sie von den Hotline-Mitarbeitern zurückgerufen. Das geht allerdings nur über das Telefon, im Internet ist eine Vormerkung nicht möglich. „Wer also keinen Telefonanschluss zu Hause und auch kein Handy hat, kann also selbst gar keinen Termin vereinbaren“, erklärt Zieker.
Eine Verbesserung konnte sie durch das Rückrufsystem nicht feststellen. Im Kreisimpfzentrum (KIZ) in Waiblingen konnte sie bislang noch keinen Termin vereinbaren. „Ich weiß nicht, woran das liegt – am fehlenden Impfstoff oder am System“, sagt sie. Viele der Senioren, mit denen sie zu tun hat, seien mittlerweile extrem frustriert, sagt sie. „Den Leuten ist es nicht wichtig, ob ihr Termin erst im April oder im Mai ist – sie möchten nur wissen, dass sie einen Termin haben.“
Einige, sagt Zieker, hätten die falsche Vorstellung, dass die Gemeinde andere Möglichkeiten habe als die Bürger, einen Termin zu bekommen. Dem sei nicht so, betont sie. „Wir müssen es wie alle anderen im Internet versuchen oder uns in die telefonische Warteschlange einreihen.“ Das hat Zieker auch schon am Wochenende versucht, mitten in der Nacht, weil sie gehört hatte, dass es dann einfacher wäre, Termine zu erhalten. „Das kann ich nicht bestätigen“, sagt sie, verspricht aber, sich weiterhin um Termine zu bemühen, sowohl telefonisch als auch online.
In Backnang haben immerhin schon etwa zehn der 40 bis 50 Personen, die sich beim Seniorenbüro oder bei der Bürgerstiftung registriert haben, einen Impftermin bekommen – die meisten allerdings in den Impfzentren in Stuttgart, nicht im näheren KIZ in Waiblingen. Nur etwa die Hälfte von ihnen nimmt auch die Möglichkeit des Transports durch das DRK oder das Seniorenbüro wahr. Zirka fünf Leute, darunter Marianne Karp, brauchen nur Unterstützung bei der Fahrt zum Impfzentrum. „Weil niemand in der Familie oder im Bekanntenkreis sie fahren kann oder weil sie einen Rollator haben, der nicht in den Pkw passt“, sagt Ulrich Schielke, Vorsitzender der Bürgerstiftung Backnang.
Anfangs hatten sich noch viel mehr Senioren bei ihm gemeldet. Vor allem aus dem Backnanger Umland war die Nachfrage sehr hoch. Ihnen konnte Schielke nicht weiterhelfen, da sich das Angebot nur an Bürger aus Backnang und den Ortsteilen richtet. „Es hat uns leidgetan“, sagt er, „aber wir mussten die Personen an die Ortsvereine verweisen.“
„Das Grundproblem ist, dass zu wenig Impfstoff da ist.“
Wie Beate Zieker aus Weissach im Tal und Juso-Sprecher Luca Schneider berichtet auch Harald Hildenbrandt vom Seniorenbüro, der sich in Backnang um die Terminbuchung bemüht, von zahlreichen Problemen. „Ich probiere es täglich zirka 100-mal“, sagt er. „Aber das Grundproblem ist, dass zu wenig Impfstoff da ist. Es stehen einfach nicht mehr Termine zur Verfügung.“ Die neue Rückrufregelung sieht er daher nicht als Anlass zur Hoffnung auf baldige Verbesserung.
Auf die setzen dagegen die jungen Sozialdemokraten im Rems-Murr-Kreis. Sie nehmen aktuell keine weiteren Anfragen mehr an. „Weil wir nicht garantieren können, dass wir für alle Termine vereinbaren können“, erklärt Luca Schneider. Für die rund 35 Personen, die noch auf ihrer Liste stehen, werden die Jusos sich selbstverständlich weiterhin um Termine bemühen. Bei etwa genauso vielen waren sie bereits erfolgreich. „Wir sind froh, dass wir zumindest einigen helfen konnten“, sagt Schneider.
In Backnang hilft bis zum 22. Februar die Bürgerstiftung in Kooperation mit dem Seniorenbüro und dem DRK-Ortsverein Bürgern dabei, einen Impftermin zu vereinbaren. Bei Bedarf werden zudem Fahrten zu den Impfzentren organisiert (Unkostenbeitrag: zehn Euro). Anmeldung beim Seniorenbüro unter Telefon 07191/894318.
Die Gemeinde Weissach im Tal bietet ihren Bürgern Hilfe bei der Terminvereinbarung an. Anmeldungen nimmt Beate Zieker entgegen per Telefon 07191/353128 (Montag und Donnerstag von 8.30 bis 12 Uhr sowie von 14 bis 16 Uhr, Dienstag von 8.30 bis 12 Uhr und von 14 bis 18.30 Uhr sowie Freitag von 8 bis 13 Uhr) oder per E-Mail an beate.zieker@weissach-im-tal.de .
In Aspach unterstützt Karl-Heinz Bartelt bei der Terminbuchung und Fahrten zu den Impfzentren. Er ist erreichbar unter der Nummer 07191/20165 oder per E-Mail an Karl-Heinz.Bartelt@pb38.de.