Impfaktionen wieder mit Terminvergabe

Der Landkreis reagiert auf die chaotischen Zustände bei verschiedenen Impfaktionen und will sein Onlineportal wieder aktivieren. Außerdem werden neue Impfstützpunkte im Backnanger Technikforum und in der Murrhardter Festhalle eröffnet.

Impfaktionen wieder mit Terminvergabe

Bereits im Sommer gab es Impfaktionen im Backnanger Technikforum, ab 1. Dezember kann man sich hier täglich spritzen lassen. Dann öffnet in dem Museum einer von fünf regionalen Impfstützpunkten. Ein weiterer ist in der Murrhardter Festhalle geplant.Foto: A. Becher

Von Kornelius Fritz

Backnang/Murrhardt. Einfach vorbeikommen und sich impfen lassen – mit diesem Angebot wollten Landkreis und Kommunen im Sommer diejenigen locken, denen es zu mühsam war, im Internet einen Termin für ihre Coronaimpfung zu buchen. Damals war das auch kein Problem: Weil es reichlich Impfstoff, aber kaum Impfwillige gab, musste niemand lange warten. Doch das hat sich inzwischen geändert: Seit die Ständige Impfkommission empfiehlt, sich ein halbes Jahr nach der zweiten Spritze eine Boosterimpfung zu holen, werden die Impfaktionen in der Region förmlich überrannt. So wie am Samstag in Backnang, als sich eine Schlange durch die gesamte Grabenstraße zog und viele Wartende unverrichteter Dinge wieder nach Hause geschickt wurden (wir berichteten).

Nicht viel besser war es am Sonntag in Großerlach-Grab, wo die Gemeinde kurzfristig eine Impfaktion in der Schwalbenflughalle auf die Beine gestellt hatte. Bereits eine Stunde vor Beginn der Aktion habe sich eine mehrere Hundert Meter lange Warteschlange gebildet, berichtet Bürgermeister Christoph Jäger. Die Leute seien zum Teil mit dem Auto aus Plüderhausen und Heilbronn gekommen. Obwohl der Impfarzt und sein Helferteam laut Jäger „richtig Gas gegeben haben“, konnten sie während der vierstündigen Aktion aber nur rund 150 Impfungen schaffen. Mehrere Hundert Menschen mussten ungeimpft wieder heimfahren, was für böses Blut gesorgt hat. Einige hätten sogar seine Mitarbeiter und die ehrenamtlichen Helfer von DRK und Feuerwehr beschimpft, berichtet Jäger, der selbst die ganze Zeit vor Ort war: „Die Anspannung war schon heftig“.

Leutenbacher Bürgermeister verteilt Nummern an die Wartenden

Ähnliche Erfahrungen hat vor einer Woche der Leutenbacher Bürgermeister Jürgen Kiesl gemacht. Auch dort versammelten sich wesentlich mehr Menschen vor dem Rathaus als geimpft werden konnten. Weil nur 220 Impfdosen zur Verfügung standen, verteilte der Bürgermeister daraufhin kurzerhand Zettel mit Nummern, auf denen er auch die voraussichtliche Uhrzeit der Impfung notierte. So konnten die Wartenden noch einmal nach Hause gehen oder einen Kaffee trinken. „Trotzdem gab es großen Frust“, erzählt Kiesl und kritisiert, dass das Landratsamt die Aktion im gesamten Landkreis beworben habe. So habe man Leutenbacher Bürger wegschicken müssen, während Auswärtige geimpft wurden.

Auch im Waiblinger Landratsamt ist man inzwischen zur Einsicht gekommen, dass Impfaktionen ohne Termin kaum noch zumutbar sind, zumal es draußen immer kälter wird und unter den Kandidaten für die Boosterimpfung viele ältere Menschen sind. Das Onlineportal, mit dem man bereits im Frühsommer Termine im Impftruck buchen konnte, solle deshalb so schnell wie möglich wieder aktiviert werden, erklärt Pressesprecherin Martina Keck: „Die Terminvergabe-Software soll bis Ende der Woche programmiert und einsatzfähig sein“. Ob diese dann künftig bei allen Impfaktionen im Landkreis zum Einsatz kommt oder ob es auch weiterhin Aktionen ohne Termin geben wird, könne sie im Moment allerdings noch nicht sagen.

Für die heutige Aktion in der Murrhardter Festhalle (16 bis 19 Uhr) gibt es jedenfalls noch keine Termine, weshalb sich Bürgermeister Armin Mößner auf einen großen Ansturm einstellt. Er will dabei dem Beispiel seines Leutenbacher Kollegen Kiesl folgen und Nummern an die Wartenden verteilen. Mößner geht davon aus, dass während der dreistündigen Aktion etwa 100 Personen geimpft werden können.

Mindestens 500 Impfungen pro Woche in fünf regionalen Stützpunkten

Damit künftig wieder deutlich mehr Menschen die begehrte Spritze bekommen, setzt der Landkreis neben Vor-Ort-Aktionen künftig auch auf fünf regionale Impfstützpunkte. Der erste ist bereits gestern im Gesundheitszentrum beim Schorndorfer Krankenhaus in Betrieb gegangen, vier weitere sollen in Backnang, Murrhardt, Fellbach und Welzheim folgen. Der Backnanger Stützpunkt wird laut Erstem Bürgermeister Siegfried Janocha am 1. Dezember im Technikforum eröffnet. Geimpft wird dort von mobilen Teams des Landes. Mindestens bis Weihnachten soll man sich dort dann täglich spritzen lassen können. Pro Woche sind mindestens 500 Impfungen möglich. Die Termine werden in der Regel vorab vergeben, denkbar sind laut Janocha aber auch einzelne Aktionstage ohne Anmeldung.

Nachdem der Raum Backnang bei der Verteilung der Kreisimpfzentren leer ausgegangen war, ist Janocha froh, dass es nun doch noch eine feste Anlaufstelle für Impfwillige in der Stadt geben wird. Im Technikforum hatten bereits im Sommer Impfaktionen stattgefunden. In Murrhardt ist die Festhalle als Standort für den Impfstützpunkt vorgesehen. Der soll laut Armin Mößner so schnell wie möglich eröffnet werden, der genaue Termin stehe aber noch nicht fest. Der Bürgermeister hofft, dass sich mit dem erweiterten Angebot dann auch die Wartezeiten wieder reduzieren.

Kommentar
Das war Antiwerbung fürs Impfen

Von Kornelius Fritz

Wenn wir in dieser Pandemie eines gelernt haben, dann, dass sich die Lage ständig ändert. Im Frühjahr war ein Impftermin fast wie ein Lottogewinn. Wer das Glück hatte, einen zu ergattern, nahm dafür teilweise Fahrten durchs ganze Land in Kauf. Im Sommer dann das genaue Gegenteil: Der Impfstoff wurde angeboten wie Sauerbier und in den Impfzentren drehten Ärzte und Helfer Däumchen. Jetzt die erneute Kehrtwende: Im Kampf gegen die vierte Welle müssten wir impfen, was das Zeug hält, und viele sind auch dazu bereit. Doch die Impfzentren sind geschlossen, die Hausärzte überlastet und die Impfaktionen schlecht organisiert. Wenn es dann so läuft wie am Samstag in Backnang oder am Sonntag in Großerlach, dann ist das Antiwerbung fürs Impfen. Wie wollen wir Zweifler und Zögerliche davon überzeugen, sich doch noch ihre Spritze zu holen, wenn sie sich dafür bei eisigen Temperaturen stundenlang in eine Schlange stellen müssen und am Ende womöglich gar nicht zum Zug kommen?

Die Verantwortlichen in Bund und Land, aber auch hier im Rems-Murr-Kreis müssen jetzt alle Hebel in Bewegung setzen, damit der Weg zur Impfung so bequem wie möglich wird. Sonst werden wir die angestrebte Impfquote niemals erreichen.

k.fritz@bkz.de