„Kleiner Schritt zurück zur Normalität“

Vertreter verschiedener Branchen und Institutionen begrüßen die geplanten Lockerungen der Corona-Verordnung

Geschäfte bis 800 Quadratmeter dürfen ab Montag wieder öffnen, die Schulen nehmen ab Mai schrittweise den Betrieb auf. Kindertagesstätten bleiben hingegen vorerst geschlossen, Restaurants und Fitnessstudios ebenfalls. Was bedeuten die Lockerungen der Corona-Schutzmaßnahmen, auf die sich Bund und Länder geeinigt haben, für die Region? Wir haben Stimmen gesammelt.

„Kleiner Schritt zurück zur Normalität“

Martin Windmüller vom Betten und Wäschehaus in Backnang misst die Raummaße seines Geschäfts. Foto: A. Becher

Von unserer Redaktion

Heinz Harter, geschäftsführender Schulleiter der Backnanger Schulen: An der Idee, das ab dem 4. Mai der Unterricht schrittweise wieder starten soll, lese ich ab, dass der Gesundheitsschutz der Schüler und Lehrer ganz hochgehalten wird. Sie überrascht mich insofern nicht, auch wenn sich natürlich bis dahin durch die Kultusministerkonferenz noch einiges ändern kann. Wenn die Abschlussklassen wieder in die Schule gehen, haben sie noch zweieinhalb Schulwochen Präsenzunterricht, um sich auf die Prüfungen vorzubereiten. Das scheint mir machbar. Für die Schüler der Abschlussklassen ist es sehr wichtig, dass sie ihre Lehrkräfte vorher antreffen können. Abgesehen davon werden wir nun erst einmal unser Homeschooling fortsetzen. Wir wollen alle das Schuljahr gesund beenden und wir wollen nicht riskieren, dass etwas schiefläuft.

Siegfried Janocha, Erster Bürgermeister der Stadt Backnang: Die jetzt beschlossenen Maßnahmen zur Lockerung der Kontaktsperren sind insbesondere für unsere Einzelhändler sehr wichtig und zu begrüßen. Es ist wichtig, dass wir schrittweise zur Normalität zurückkehren, ansonsten wäre der wirtschaftliche Schaden für unsere heimische Wirtschaft unübersehbar hoch. Wir sollten bei alledem jedoch die Hygienemaßnahmen und die Kontakteinschränkungen beibehalten und nicht vorschnell einstellen, um die Krise endgültig zu bewältigen. Das Ergebnis der Konferenz zwischen der Bundeskanzlerin und den Ministerpräsidenten ist ein vorsichtiger Schritt in die richtige Richtung. Dabei hat die Gesundheit unserer Bürgerinnen und Bürger oberste Priorität.

Richard Sigel, Landrat des Rems-Murr-Kreises: Die Ankündigungen aus Berlin sind ein erster Lichtblick, ein kleiner Schritt zurück zur Normalität. Es zahlt sich aus, dass viele Menschen in den letzten Wochen sehr solidarisch sind und wir zusammenhalten, indem wir uns voneinander fernhalten. Das Paket, auf das sich die Bundeskanzlerin und die Ministerpräsidenten verständigt haben, bedeutet aber auch, dass uns das Coronavirus noch auf Wochen und Monate weiter einschränken wird – jede und jeden Einzelnen von uns. Für die Kliniken heißt es weiterhin, in Habtachtstellung zu sein. Wir wollen alle Patienten gut versorgen, mit und ohne Corona. Und wir machen uns auch sehr konkret Gedanken, wie wir das Landratsamt wieder öffnen können. Wir haben 10000 Schutzmasken bei einer Firma in Backnang bestellt, damit wir handlungsfähig bleiben. Ich halte es angesichts der Risiken aber für richtig, dass wir schrittweise zur Normalität zurückkehren, und bin überzeugt: Zusammen halten wir das weiterhin durch.

Michael Matzke, Vorsitzender der Dehoga-Kreisstelle Rems-Murr: Es war absehbar, dass es für Hotels und Gaststätten keine sofortige Lockerung gibt. So kam es nun auch und daraus ergibt sich die Frage, wie die Betriebe weiter überleben können. Erste – teils erfolgreiche, teils weniger erfolgreiche – Schritte gab es bereits, aber weitere staatliche Unterstützung ist dringend nötig. Etwa mittels Steuerstundungen, Steuerentlastungen, direkten Finanzhilfen und der Anpassung des Mehrwertsteuersatzes für alle Speisen im Gastgewerbe auf sieben Prozent. Ungeachtet dessen hoffen wir, dass Hotels und Gaststätten so rasch wie möglich wieder öffnen können. Wenn es so weit ist, stehen die Gesundheit der Gäste und Gastgeber im Vordergrund und wir plädieren daher für klare, einfache Regelungen, die medizinisch begründet und überprüfbar sind. Also Abstandsregelungen, Personenhöchstzahlen und Hygienestandards.

Markus Beier, leitender Geschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Waiblingen: Ich halte es für eine gute und ausgewogene Entscheidung der politisch Verantwortlichen. So wird versucht, die Balance zu halten zwischen dem Aspekt des Gesundheitsschutzes und den Belangen insbesondere der Einzelhändler. Die Beibehaltung des strengen Hygienekonzepts ist ein wichtiger Schritt, den auch die lokalen Akteure der Wirtschaft nachvollziehen können und sicher beherzigen werden, wenn sie am Montag wieder öffnen, weil der Eigenschutz und der Schutz ihrer Mitarbeiter ihnen am Herzen liegt. An das Tragen der Atemschutzmasken, wie es dringend angeraten wird, werden wir uns gewöhnen. Auch wenn es dem einen oder anderen, so auch mir selber, eher schwerfällt.

Martin Windmüller, Betreiber des Betten- und Wäschehauses und Vorstandsmitglied des Stadtmarketingvereins in Backnang: Ich habe nachgemessen: Mein Geschäft hat eine Fläche von 761 Quadratmetern, also können wir am Montag öffnen. Ich bin aber noch nicht ganz schlau geworden aus der Pressekonferenz im Fernsehen. Mir fehlen noch genauere Aussagen zu den Rahmenbedingungen, die bei einer Öffnung zu beachten sind. Also: Wie viele Leute darf ich reinlassen? Danach bemisst sich für mich ja auch der notwendige Personaleinsatz, da wir Kurzarbeit angemeldet haben. Solche Fragen werden hoffentlich in Kürze geklärt. Grundsätzlich aber bin ich positiv gestimmt, und wir freuen uns natürlich, dass wir am Montag wieder unsere Kunden bei uns empfangen dürfen.

Wilfried Braun, Dekan für den evangelischen Kirchenbezirk Backnang: Ich halte es für richtig, vorerst weiter auf Gottesdienste zu verzichten. Als Kirchen haben wir den Shutdown in großer Solidarität mitgetragen, weil wir von Jesus her der Überzeugung sind: Der Mensch ist nicht um des Sabbats willen geschaffen, sondern der Sabbat um des Menschen willen. Ich kann mir aber vorstellen, dass bei dem Gesprächen zwischen Religionsvertretern und Bundesregierung am Freitag auch über eine schrittweise Öffnung im kirchlichen Bereich gesprochen wird. So könnten auch Gottesdienste auf eine bestimmte Personenzahl beschränkt werden und unter Hygienevorschriften sowie mit Schutzmasken stattfinden. Ich hoffe, dass bei dem Gespräch im Bewusstsein ist, dass Mensschen nicht nur materielle, sondern auch seelische Bedürfnisse haben. Zwar gab es viel Nähe und großartiges Engagement über Online-Aktionen, aber die können die persönliche Begegnung nicht ersetzen.

Martin Schick, Kulturamtsleiter der Stadt Backnang: Großveranstaltungen werden bis Ende August nicht zugelassen, wir müssen eine Aussage haben, wie mit Museen und Galerien umgegangen werden soll. Die Vorgaben werden sicher noch präzisiert. Ich hoffe jedenfalls, dass wir in kleineren Häusern anders vorgehen können als die ganz großen Museen. Schlangen vor dem Museum wie am Wochenende vor den Baumärkten wären aber doch ganz nett. Sicher erreicht uns noch ein schriftlicher Text, den schauen wir uns genau an. Ich hoffe, dass wir - wenn auch mit Beschränkungen - trotzdem eine Form des Zugangs zu den Ausstellungen ermöglichen können. In kleineren Häusern wie den unseren halten sich meist vergleichsweise wenige Leute gleichzeitig auf. Ich meine damit die Galerie der Stadt Backnang, das Graphik-Kabinett und die Ausstellungen des Heimat- und Kunstvereins im Helferhaus. Beim Bürgerhaus-Programm haben wir schon damit gerechnet, dass wir die jetzige Spielzeit nicht wieder aufnehmen können. Wir hätten noch ein Konzert mit den Stuttgarter Philharmonikern und der Geigerin Carolin Widmann gehabt. Die Philharmoniker haben aber selbst nicht mehr damit gerechnet, dass es stattfinden kann. Es würde mich freuen, wenn es möglich wäre, Ende September die nächste Spielzeit wieder zu eröffnen.