„Krise wird Bremsspuren hinterlassen“

Das Interview: Volksbank-Chef Jürgen Beerkircher befürchtet, dass nicht alle Unternehmen die Coronazeit überstehen werden

Die Auswirkungen der Coronakrise treffen fast jeden: Unternehmen brechen die Umsätze weg, Arbeitnehmer müssen in Kurzarbeit. Im Interview erklärt Jürgen Beerkircher, Vorstandsvorsitzender der Volksbank Backnang, welche Unterstützung Firmen- und Privatkunden jetzt von ihrer Hausbank erwarten können und was die Krise für Immobilienbesitzer und Kleinanleger bedeutet.

„Krise wird Bremsspuren hinterlassen“

„Unsere Berater sind angewiesen, unbürokratisch zu helfen“, sagt Jürgen Beerkircher. Mit kurzfristigen Krediten und angepassten Konditionen will die Volksbank Backnang Kunden unterstützen, die wegen Corona in Zahlungsschwierigkeiten geraten. Foto: J. Fiedler

Von Kornelius Fritz

Banken dürfen trotz der Einschränkungen wegen der Coronapandemie weiterhin geöffnet bleiben. Trotzdem hat die Volksbank Backnang 11 ihrer 17 Geschäftsstellen vorübergehend geschlossen. Warum?

Weil wir mit den gleichen Herausforderungen zu kämpfen haben wie die gesamte Wirtschaft. Von unseren über 300 Mitarbeitern sind zurzeit rund 70 gar nicht im Betrieb, weil sie entweder krank oder in Quarantäne sind. Da kann man den normalen Betrieb natürlich nicht aufrechterhalten. Hinzu kommt, dass wir die geforderte Distanz in unseren kleinen Geschäftsstellen gar nicht einhalten können. Außerdem kommen gerade sowieso viel weniger Kunden in die Geschäftsstellen. Dafür stellen wir einen starken Anstieg bei den Anfragen über Telefon und Internet fest. Viele Selbstständige haben wegen Corona keine Einnahmen mehr, früher oder später drohen Liquiditätsprobleme. Wie können Sie als Bank diese Kunden unterstützen?

Die Herausforderungen ähneln denen in der Finanzkrise von 2008. Die Ursachen sind zwar andere, aber die Wirkung ist ähnlich. Wie damals wollen wir unsere Firmenkunden in dieser Phase aktiv begleiten. Wir haben gleich zu Beginn der Krise sehr stark informiert. Wir haben eine Internetseite aufgebaut mit allen relevanten Informationen zu Fördermitteln und Maßnahmen, die man als Betrieb jetzt ergreifen kann. Wir haben auch einen Newsletter eingerichtet, über den wir unsere Firmenkunden regelmäßig informieren.

Information allein wird nicht genügen, wenn einem Unternehmer das Geld ausgeht. Wie können Sie dann konkret helfen?

Am Anfang gab es eine Flut an Informationsanfragen. Mittlerweile bekommen wir auch Anfragen zu Tilgungsaussetzungen bei laufenden Krediten. Das ist aber noch nicht besorgniserregend. In solchen Fällen setzen wir die Tilgung in der Regel bis zu einem halben Jahr aus und machen mit den Kunden eine Liquiditätsplanung, damit öffentliche Hilfen rechtzeitig beantragt werden. Darüber hinaus beraten wir Firmen gerne auch zu den Liquiditätshilfen des Landes und des Bundes.

Wenn Sie Kredite an Unternehmen vergeben, übernimmt die bundeseigene KfW-Bank bis zu 90 Prozent des Risikos. Heißt das, dass Sie Kredite jetzt quasi ohne Bonitätsprüfung und Sicherheiten vergeben?

Nein, das sollten wir auch im Kundeninteresse nicht tun. Ein Kredit muss ja irgendwann auch mal zurückgezahlt werden. Als Genossenschaftsbank kennen wir unsere Kunden in der Regel und müssen darauf achten, dass ein Betrieb nicht überfordert wird. Die Tilgung muss beherrschbar sein, auch die Laufzeiten müssen richtig gewählt sein. Es macht keinen Sinn, einen Kredit über zwei Jahre zurückzuzahlen, wenn der Cashflow das nicht hergibt. Die Haftungsfreistellung durch die KfW-Bank macht es aber möglich, dass auch Firmen, die nicht so stark kapitalisiert sind und bei denen der Unternehmer auch kein großes privates Vermögen hat, Kredite bekommen. Als Bank fragt man ja normalerweise: Wie willst du das Geld zurückzahlen? Und wenn ein Kunde gerade 25, 50 oder in der Gastronomie sogar 100 Prozent Umsatzrückgang hat, würde man sich als Bank mit einem Kredit eigentlich schwertun.

Glauben Sie, dass alle Unternehmen die Krise überstehen werden? Einige Branchen hatten ja schon vor Corona Probleme.

Die Krise wird sicherlich „Bremsspuren“ hinterlassen. Sorgen mache ich mir vor allem um die Gastronomie, aber auch um Künstler und Freiberufler im kreativen Bereich. Da fallen kurzfristig große Umsätze weg, und ich bin mir nicht sicher, ob das alle überstehen werden. Der Maschinenbau hat hingegen zum Teil relativ langfristige Auftragsbestände, mit denen man vielleicht noch für eine gewisse Zeit über die Bühne kommt. Der Handel wird das vielleicht sechs, acht Wochen durchstehen, aber dann wird es auch da schwierig.

Auch viele Privatleute haben durch Kurzarbeit oder Jobverlust finanzielle Einbußen. Was passiert mit Kunden, die dadurch Probleme bekommen, ihren Kredit oder ihre Immobilienfinanzierung weiter zu bedienen?

Im Gegensatz zum gewerblichen Bereich ist es bei den Privatkunden noch sehr ruhig, aber auch da sind unsere Berater angewiesen, unbürokratisch zu helfen, etwa mit Tilgungsaussetzungen oder Laufzeitverlängerungen.

Am Immobilienmarkt sind die Preise in den vergangenen Jahren explodiert. Rechnen Sie nun mit einer Gegenbewegung? Werden die Immobilienpreise in nächster Zeit sinken?

Im Augenblick zeichnet sich das noch nicht ab. Im Moment finden zwar kaum noch Immobilienbesichtigungen und Notartermine statt, und auch bei den Baufinanzierungen wird es bei uns ruhiger. Aber ich denke, nach der ersten Coronawelle wird es eine Wiederbelebung geben. Durch die Geldschwemme und die Nullzinspolitik, die sicher noch Jahre so weitergeht, wird der Boom nicht abbrechen. Vorausgesetzt, wir bekommen keine lange Rezession mit vielen Arbeitslosen. Wie sollen die Leute ihr Geld sonst anlegen?

Weil es für Sparbücher und Tagesgeldkonten keine Zinsen mehr gibt, haben Sie in den vergangenen Jahren auch Kleinanlegern geraten, ihr Geld in Aktien und Fonds zu investieren. Nun hat der Dax innerhalb eines Monats mehr als 20 Prozent verloren. War eine Aktienanlage doch ein Fehler?

Nein, das war kein Fehler. Inzwischen ist der Dax auch schon wieder gestiegen. Ich erwarte in den nächsten Monaten nach wie vor eine hohe Volatilität. Die Kurse können auch noch mal runtergehen, aber irgendwann werden sie wieder steigen. Keiner glaubt ja, dass die Coronakrise über Jahre geht. Und wenn irgendwann eine gewisse Normalisierung eintritt, dann werden auch die Kurse wieder deutlich steigen. Das Wichtigste ist jetzt, nicht panisch zu werden und auf Teufel komm raus zu verkaufen. Am Aktienmarkt muss man einen langen Atem haben, dann ist das – egal bei welcher Krise – über Jahrzehnte immer die beste Anlage gewesen.

Würden Sie Kleinanlegern empfehlen, jetzt am Aktienmarkt einzusteigen? Immerhin sind die Kurse so günstig wie schon lange nicht mehr.

Die Kurse werden volatil bleiben. Das heißt, es wird sicherlich Ausschläge geben, nach unten genauso wie nach oben. Aber auf lange Sicht macht man nichts falsch, wenn man jetzt Aktien kauft. Ich empfehle regelmäßige Sparpläne, insbesondere in diesen volatilen Zeiten. Durch die monatlichen Ansparungen eröffnen sich für langfristige Anleger gute Renditechancen.

Wie wird sich die Krise auf das Ergebnis der Volksbank auswirken? Befürchten Sie einen Gewinneinbruch?

Wir sind sehr gut in das Jahr 2020 gestartet. Ein besseres Ergebnis als im vergangenen Jahr wäre realistisch gewesen. Corona hat uns jetzt einen Strich durch die Rechnung gemacht. Wir haben unsere Erwartungen deshalb revidiert, aber wir haben keine Angst. Wir waren in den vergangenen Jahren sicher auch ein wenig verwöhnt, denn durch die lange Wachstumsphase hatten wir beim Kreditgeschäft praktisch kein Risiko mehr. In diesem Jahr rechne ich wieder mit einem höheren Risikoergebnis, und auch unsere eigenen Wertanlagen leiden in dieser Phase. Aber das ist alles im beherrschbaren Bereich. Ich rechne immer noch mit einem Betriebsergebnis auf einem befriedigenden Niveau.