Lockeres Leben mit ein paar Fragezeichen

Die neue Coronaverordnung, die seit Montag gilt, bringt Lockerungen in vielen Bereichen. So entfällt zum Beispiel die Testpflicht in der Gastronomie. Bei privaten Treffen und Festen sind mehr Teilnehmer erlaubt. Doch nicht alle Regeln sind leicht zu verstehen.

Lockeres Leben mit ein paar Fragezeichen

Das Backnanger Mineralfreibad darf nun wieder mehr Badegäste reinlassen, in den Becken ist die Personenzahl allerdings weiterhin limitiert. An heißen Tagen kann es deshalb auch künftig einen Einlassstopp geben. Foto: T. Sellmaier

Von unserer Redaktion

Private Treffen: Bisher durften sich höchstens zehn Personen aus drei Haushalten treffen, nach der neuen Verordnung sind im Rems-Murr-Kreis nun 15 Personen aus höchstens vier Haushalten zugelassen. Vollständig Geimpfte und Genesene werden dabei aber ebenso wenig mitgezählt wie Kinder bis 13 Jahre aus den jeweiligen Haushalten und bis zu fünf weitere Kinder. Ist das Ganze als „private Veranstaltung“ deklariert, sind sogar bis zu 200 Personen erlaubt. Findet die Feier in geschlossenen Räumen statt, ist allerdings der 3-G-Nachweis (geimpft, getestet, genesen) erforderlich.

Ist das alles überhaupt noch zu kontrollieren? „Bei Treffen im privaten Bereich ist es für uns als Behörde nicht mehr überschaubar“, gibt Gisela Blumer, Leiterin des Backnanger Ordnungsamts, zu. Ihre Mitarbeiter konzentrieren sich deshalb bei Kontrollen auf Ansammlungen im öffentlichen Bereich, etwa im Plattenwald oder am Schüttberg bei Waldrems. Dort sei es am Wochenende zum Teil zu „Trinkgelagen“ gekommen, berichtet Blumer. Bußgelder verhänge man aber nur in extremen Fällen. „Wir versuchen zu informieren und die meisten sind dafür auch zugänglich“, sagt die Amtsleiterin. Wie so oft wurde auch diese Coronaverordnung sehr kurzfristig vom Land vorgelegt. „Bei einigen Regelungen wissen wir deshalb auch noch nicht genau, wie sie zu interpretieren sind“, sagt Gisela Blumer und hofft nun auf genauere Anweisungen aus Stuttgart.

Gastronomie: Zufrieden angesichts der deutlichen Erleichterungen zeigt sich Michael Matzke, Dehoga-Vorsitzender im Rems-Murr-Kreis. Die Kontrolle der 3-G-Regel sei für die Gastronomie und Hotellerie aufwendig gewesen: „Man will es ja auch richtig machen.“ Und dann gebe es schließlich immer wieder Gäste, bei denen die Technik im falschen Moment streikt oder deren Testergebnis nur noch eine halbe Stunde gültig ist. „Diejenigen mit Außenbewirtschaftung hatten da einen kleinen Vorteil“, weiß Matzke. Die 3-G-Regel fällt nun auch für den Innenbereich weg. Gerade in Biergärten sei der Ansturm groß gewesen. Aber auch da gestalte sich die Kontaktverfolgung – die weiterhin notwendig ist – aufwendig. Nicht jeder nutze die Luca-App.

Anrufe hat Matzke am Montag vor allem angesichts undurchsichtiger Formulierungen bekommen. Wann etwa ist eine Veranstaltung öffentlich, wann privat? Gerade für Hotels mit Tagungsräumen galt es, das zu klären. Ebenso gab es Unsicherheiten bezüglich Trauerfeiern. Grundsätzlich aber sei er positiv gestimmt, sagt der Dehoga-Vorsitzende. „Wir arbeiten mit und sind dabei.“ Und schließlich könne man ja fast schon wieder von Normalbetrieb sprechen. „Wir hoffen, dass die Inzidenz bald unter zehn ist, dann wird es noch besser.“ Mitleid hat er mit den vielen Mitarbeitern, die trotz sommerlicher Hitze weiterhin den ganzen Tag eine Maske tragen müssen. Er sehe aber auch ein, dass sie den wohl intensivsten Kontakt haben. Im Auge hat Matzke auch, wie sich die Situation rund um die Delta-Variante entwickelt. „Da schwebt der nächste Hammer über uns.“

Schwimmbäder: Die Testpflicht für Freibadbesucher wurde bereits vor drei Wochen abgeschafft, nun entfällt auch die Begrenzung der Personenzahl. Oder doch nicht? „Laut Bäderverordnung gilt weiterhin eine Beschränkung im Wasser“, klärt Wonnemar-Betriebsleiter Markus Dechand auf. So darf sich im Schwimmerbecken jetzt maximal eine Person pro fünf Quadratmeter Wasserfläche aufhalten, im Nichtschwimmerbereich muss jeder Badegast mindestens drei Quadratmeter Platz haben. Auch der Mindestabstand von 1,50 Metern in Toiletten, Duschen und Umkleiden gilt weiterhin. Deswegen sei es nach wie vor nicht möglich, beliebig viele Besucher ins Bad zu lassen, erklärt Dechand. Allerdings hat das Backnanger Mineralfreibad seine Kapazitäten erhöht. Statt 1800 dürfen nun bis zu 2500 Menschen gleichzeitig ins Bad – vor Corona waren es an heißen Tagen allerdings bis zu 4000. Gestrichen wurde in der neuen Coronaverordnung auch die Testpflicht für den Saunabereich, was dem Wonnemar-Betreiber allerdings gar nicht so recht ist. „Mir geht das ein bisschen schnell“, sagt Markus Dechand. Das Wonnemar bittet deshalb alle Saunagäste, sich weiterhin vorher testen zu lassen, „zur Sicherheit der Besucher und unserer Mitarbeiter“. Zwischen 12 und 18 Uhr bietet das Bad kostenlose Tests vor Ort an.

Kultur: In Jubelstürme bricht Juliane Putzmann aus der Geschäftsführung des Bandhaus-Theaters angesichts der neuen Coronaverordnung nicht aus. So viel ändert sich für sie gar nicht. „Wir kommen bei unseren Veranstaltungen gar nicht über die Grenze von 200 Besuchern“, erklärt sie. Im Freien wären nun sogar Events mit 750 Gästen möglich, bei weniger als 200 Gästen entfällt neuerdings die Maskenpflicht. „Das ist für uns neu, bedeutet gleichzeitig aber auch mehr Kontrolle von unserer Seite“, führt Putzmann aus. Die Veranstalter seien nun gefragt, um zu überprüfen, dass die Menschen in Grüppchen nicht zu eng zusammenstehen. Erleichterung habe vielmehr gebracht, dass die 3-G-Regel hinfällig geworden ist. „Das war ein Wahnsinnsaufwand.“ Weiterhin müssen die Kontaktdaten der Gäste erfasst werden, das gehe aber gerade mit der Luca-App gut. Hadert die Bandhaus-Geschäftsführerin damit, dass die Erleichterungen jetzt kommen, wo der Kultursommer bereits fertig geplant und beworben ist? Plant sie vielleicht sogar, noch mal Änderungen vorzunehmen? Weder noch, erklärt Putzmann. „Wir haben für den Kultursommer genau das richtige Zeitfenster erwischt“, findet sie. Es sei schon sehr gut angelaufen, dadurch, dass die Inzidenz niedrig bleibt, habe man auch ein gutes Gefühl dabei. Das Programm für die kommenden Wochen noch einmal zu modifizieren, sei nicht nötig. „Die Idee dahinter war ja, den Spielplan des Bandhauses von drinnen nach draußen zu verlagern. Wir haben im Theater sonst auch zwischen 100 und 200 Plätze. Aufführungen und Konzerte mit mehr als 500 Personen sind für uns eine Ausnahme.“

Sport: Aufatmen bei den Sportlern der Region. Bei den Inzidenzstufen 1 und 2, also bei einer 7-Tage-Inzidenz bis maximal 35, ist das Ausüben jeder Sportart auch in geschlossenen Räumen bis maximal 200 Personen ohne größere Probleme sowie ohne Testpflicht, Impfung oder Genesung möglich. Wettkämpfe können somit ab sofort wieder stattfinden. Sollte in geschlossenen Räumen wie Sporthallen allerdings die Kapazität von 20 Prozent überschritten werden, dann gilt wieder: genesen, geimpft oder getestet. Dass dies aber nun bei den momentan niedrigen Inzidenzzahlen wegfällt, freut besonders die Hallensportler wie die Handballer. „Wir können nun endlich wieder richtig loslegen“, sagt Martina Fricker von der HSG Sulzbach-Murrhardt, bei der insgesamt 17 Handballmannschaften von der Ü 32 bis zu den Minis aktiv sind. Nun steigen alle Teams wieder in den Trainingsbetrieb ein.

„Nur einige Mannschaften hatten bislang draußen trainiert, weil die Vorgaben mit den drei Gs zu hoch waren“, so Fricker. Sie und die HSG haben bereits von der Stadt Murrhardt das Okay, dass die neue Coronaverordnung des Landes seit Montag auch für die Handballer gilt. „Unter Berücksichtigung der Abstandsregeln und unter Vorlage eines Konzepts dürfen auch die Duschen und Umkleidekabinen genutzt werden“, berichtet Martina Fricker. Ähnlich geht es den Sportlern in Backnang und in den umliegenden Gemeinden. Sportarten im Freien wie Fußball dürfen derzeit sogar mit bis zu 750 Zuschauern stattfinden. Allerdings gilt für Events mit mehr als 200 Personen eine Maskenpflicht.

Stufe 1 kann frühestens am kommenden Montag erreicht werden

Der Rems-Murr-Kreis befindet sich aktuell in der Inzidenzstufe 2, das bedeutet: Der Wert liegt konstant zwischen 10 und 35. Überschreitet ein Landkreis an fünf aufeinanderfolgenden Tagen die Schwelle, die er bisher unterboten hat, rutscht er in die schlechtere Inzidenzstufe ab. Das droht dem Rems-Murr-Kreis derzeit aber nicht – denn der Abstand zur 35er-Marke und somit zur Stufe 3 ist komfortabel.

Wahrscheinlicher ist es hingegen, dass der Rems-Murr-Kreis den Sprung in die Stufe 1 schafft. Dazu müsste die 7-Tage-Inzidenz fünf Tage am Stück unter 10 liegen. Wann kann das frühestens so weit sein? Gestern betrug die Inzidenz im Rems-Murr-Kreis 12. Sollte der Kreis am heutigen Dienstag auf eine Inzidenz von 10,0 oder niedriger kommen, würde das Robert-Koch-Institut das am Mittwoch, 30. Juni, offiziell verbuchen – das wäre dann Tag eins. Falls das Landratsamt auch am Mittwoch, Donnerstag, Freitag und Samstag eine Inzidenz unter 10 verkünden könnte, wäre die Maßgabe „an fünf aufeinanderfolgenden Tagen“ erfüllt und würde vom RKI am Sonntag, 4. Juli, bestätigt. Das Landratsamt würde das unverzüglich bekannt geben – worauf am Tag danach die neuen Regeln gelten würden. Sprich: frühestens am Montag, 5. Juli.

Damit ist aber nicht unbedingt zu rechnen. Denn bei der Inzidenz ist im Rems-Murr-Kreis momentan keine klare Abwärtsbewegung auszumachen. Es ist durchaus möglich, dass der Wert in den nächsten Tagen mal unter 10, dann aber wieder darüber liegt. Stabil unter 10 kommt der Rems-Murr-Kreis vermutlich eher Mitte als Anfang Juli.

Dass wir noch in Stufe 2 festhängen, ist aber kein Riesenproblem. Denn auch für sie gelten Regeln, die deutlich lockerer sind als die zuvor geltenden Bestimmungen. Und schließlich ist der Unterschied von Stufe 2 zu Stufe 1 nicht mehr ganz so groß. Für die meisten Lebensbereiche würde sich gar nicht so entscheidend viel ändern. Ein paar Erleichterungen kämen bei einer Inzidenz unter 10 aber doch hinzu – vor allem diese: Diskotheken dürften für Getestete, Genesene und Geimpfte wieder öffnen. Noch weiter gelockerte Kontaktbeschränkungen gelten dann im Privatbereich: 25 Personen aus beliebig vielen Haushalten dürfen sich treffen – plus Kinder unter 14 plus Geimpfte plus Genesene. Bei privaten Veranstaltungen würde die Personenobergrenze von 200 auf 300, bei Konzerten und Co. sowie bei Sportwettkämpfen auf bis zu 1500 hochgesetzt.