Notbetreuung in Kitas stark nachgefragt

Die Nachfrage nach Notbetreuung in Kindertagesstätten und bei Tageseltern ist stark gestiegen, in Backnangs Kitas nutzen 24 Prozent das Angebot. Wie es allerdings in den kommenden Wochen in den Kitas weitergehen soll, ist noch unklar.

Notbetreuung in Kitas stark nachgefragt

Am Dienstag waren sieben Kinder zur Notbetreuung im Backnanger Markuskindergarten. Die Zahlen variieren von Tag zu Tag etwas, es sind aber deutlich mehr als vor Weihnachten. Foto: A. Becher

Von Kristin Doberer

BACKNANG/WEISSACH IM TAL. Die Ferien sind seit Montag vorbei, trotzdem bleiben Schulen und Kindertagesstätten bis auf wenige Ausnahmen geschlossen. Ein Problem für berufstätige Eltern, die auf die Betreuung angewiesen sind. In Backnang nehmen derzeit 413 Kinder die Notbetreuung im Kita-Bereich in Anspruch, also 24 Prozent der Kinder. Nächste Woche rechnen die Leiter der Kindertagesstätten mit einer noch weiter steigenden Tendenz. Dabei sind die Zahlen im Vergleich zum Dezember schon deutlich angestiegen. So wurden zum 17. Dezember etwa 11 Prozent der Plätze (192 Kinder) betreut. Wie lange die Kindergärten nun geschlossen bleiben, ist noch nicht abzusehen. Deshalb ist die Zahl der Eltern, die aktuell die Notbetreuung in Anspruch nehmen, stark gestiegen. Das zeigen auch die Zahlen aus Weissach im Tal. Hier sind momentan 60 von 208 Kindern in den Notbetreuungen der fünf Kindergärten und der Krippe. „Wenn der Lockdown weiter bleibt, gehen wir davon aus, dass noch mehr Kinder in die Notbetreuung kommen werden“, sagt Silvia Kirchner von der Servicestelle Kinderbetreuung in Weissach im Tal.

Warum nehmen viel mehr die Notbetreuung in Anspruch?

Und nicht nur die Kitas sind betroffen. Auch in der Tagespflege läuft aktuell nur die Notbetreuung. Tagespflegepersonen betreuen Kinder zwischen einem und drei Jahren. Höchstens fünf Kinder sind unter normalen Bedingungen bei einer Tagespflegeperson. In Bezug auf die Coronaregeln sind sie den Krippen und Kindertagesstätten gleichgestellt. Müssen diese schließen, gilt das ebenso für die Betreuer in der Tagespflege. Auch hier ist die Nachfrage für die Notbetreuung stark angestiegen. Im Altkreis Backnang sind eigentlich etwa 270 Kinder in der Tagespflege. Über 80 von ihnen, also ein Drittel, sind aktuell in Notbetreuung. „Minütlich kommen neue Anträge rein, eigentlich kann man da gar nicht mehr von Notbetreuung sprechen“, sagt Gabi Dürrwächter vom Verein Kinder- und Jugendhilfe, die sich um die Vermittlung an Tagespflegepersonen kümmert. Im Vergleich zur Zeit vor Weihnachten seien das über 50 Prozent mehr, die die Notbetreuung beantragen. „Viele Eltern haben die Betreuung vor Weihnachten noch irgendwie regeln können, da ging es ja nur um ein paar Tage. Jetzt weiß eigentlich keiner, wie es ab nächster Woche weitergeht“, sagt sie.

Auch seien die Anforderungen, die für die Notbetreuung erfüllt sein müssen, nun viel geringer. Es haben weit mehr Eltern einen Anspruch auf die Betreuung als noch im Lockdown im Frühjahr. Damals konnten nur Eltern in systemrelevanten Berufen die Betreuung beanspruchen, mittlerweile haben alle Kinder Anspruch auf Notbetreuung, bei denen beide Erziehungsberechtigte beziehungsweise die oder der Alleinerziehende von ihrem Arbeitgeber als unabkömmlich gelten. Dies gilt für Präsenzarbeitsplätze sowie für Homeoffice-Arbeitsplätze gleichermaßen. Auch Kinder, für deren Kindeswohl eine Betreuung notwendig ist, haben einen Anspruch auf Notbetreuung. „Der Personenkreis wurde ausgeweitet, die Beantragung ist einfacher und formloser geworden“, sagt Dürrwächter.

Um das Verfahren zu beschleunigen, gehen Anträge nun direkt an die jeweiligen Tageselternvereine, der Verein Kinder- und Jugendhilfe Backnang ist dazu angehalten, die Anträge gründlich zu prüfen und das Gespräch mit den Eltern zu suchen. „Es kommt immer mal wieder zu Diskussionen. Die Eltern wollen das schließlich unbedingt. Wir richten einen sehr ernsten Appell an die Eltern, dass die Notbetreuung nur dann in Anspruch genommen werden sollte, wenn es wirklich keine andere Betreuungsmöglichkeit gibt“, sagt Dürrwächter. Schließlich sei der Sinn der ganzen Maßnahmen gefährdet, wenn die Kinder wie immer Kontakt zu vielen weiteren Kindern haben. „Meistens finden sich dann auch Kompromisse.“

Auch seien die Alternativen zur Notbetreuung für viele Eltern noch etwas undurchschaubar. „Die Verlängerung der Kinderkrankentage ist noch nicht in trockenen Tüchern, das verunsichert Eltern.“ Auch wolle man diese Tage nicht schon im Januar verbrauchen, um auf ein eigentlich gesundes Kind aufzupassen. Bei vielen sei auch das Pflichtgefühl gegenüber dem Arbeitgeber ein Thema: „Die Arbeit bleibt ja irgendwo liegen. Die Eltern können kaum allem gerecht werden.“

Wie geht es in den Kitas ab nächster Woche weiter?

In den evangelischen Kindergärten in Backnang nutzen gerade 60 von etwa 260 Kindern die Notbetreuungen, die Gruppengrößen sind unterschiedlich und rangieren zwischen fünf und 15 Kindern. Wie lange es diese Art der Betreuung geben wird, ist unklar. Das Land Baden-Württemberg überlegt, die Einrichtungen für Kindertagesstätten und Grundschulen bereits ab dem 18. Januar wieder im Regelbetrieb zu öffnen. Vorausgesetzt, die Infektionszahlen lassen das zu. Ob das ab kommenden Montag nun der Fall sein wird, entscheidet das Kultusministerium wohl gegen Ende der Woche.

Das sorgt für Unmut bei den Leitern und Trägern der Einrichtungen. „Wir wissen mal wieder gar nichts“, sagt Christhild Schenk, die Kindergartenbeauftragte der evangelischen Gesamtgemeinde Backnang. „Es fällt sehr schwer, auf diese Kurzfristigkeit zu reagieren. Wir haben keine Planungssicherheit.“ Dienstpläne können nicht erstellt, Fachkräfte können nicht eingeteilt werden und die Eltern haben kaum Möglichkeiten, zu planen. Zwar seien die Eltern sehr verständnisvoll und immer mit den Kindergartenleitungen auf der Suche nach Lösungen, aber die Kurzfristigkeit belaste alle sehr, so Schenk. Nach fast einem Jahr Pandemie seien alle Beteiligten zwar sehr flexibel, „aber dass wir noch nicht wissen, ob wir ab nächster Woche Regel-, Teil- oder Notbetrieb haben werden, ist belastend“.

Schenk selbst ist zwiegespalten, was der beste Weg in den kommenden Wochen wäre. „Einerseits mache ich mir Sorgen um die sozialen Folgen“, so Schenk. Nicht nur müssen die Eltern gerade mit einer Doppelbelastung umgehen, auch den Kindern werde viel genommen: Förderung, Tagesrhythmus, soziale Kontakte. Auch mussten die Kinder selbst im Regelbetrieb unter Pandemiebedingungen auf viel verzichten. Keine Veranstaltungen mit Eltern, kaum gruppenübergreifende Aktionen und auch im Alltag müssen Kleinigkeiten abgewogen werden. Ist gemeinsames Singen vertretbar, kann gemeinsames Backen stattfinden? Auf der anderen Seite steht der Schutz der Mitarbeiter. „Wir haben kaum Möglichkeiten, die Fachkräfte zu schützen“, sagt Schenk. Die Rückkehr zum Regelbetrieb würde bedeuten, dass wieder etwa 20 bis 25 Kinder in den Gruppen aufeinandertreffen, die Fachkräfte mittendrin. Eine weitere Möglichkeit wäre der Teilbetrieb, bei dem Gruppen verkleinert werden und Kinder abwechselnd in die Kita kommen. Doch dieser Weg sei mit unglaublich viel Aufwand und Organisation verbunden, da bei allen Eltern abgefragt werden müsste, welche Eltern wann einen Bedarf an gewissen Betreuungszeiten haben. „Im Moment sehe ich die Notbetreuung als richtigen Weg“, sagt Schenk.

Auch bei den Tageseltern wäre ein Teilbetrieb schwer umzusetzen. „Das hatten wir im Sommer ja bereits, aber es ist sehr schwer, das zu organisieren“; sagt Dürrwächter. „Man muss entscheiden, wer mehr Anspruch hat, wer kommen darf.“ Auch fallen für die Tagespfleger deutlich mehr Stunden an. Denn Kinder, die morgens eigentlich einen Kindergarten besuchen und nur am Nachmittag in der Tagespflege sind, sollen stattdessen den ganzen Tag in der Tagespflege bleiben, um Kontakte der Kinder weiter einzuschränken.