Coronaregeln fallen: Zwischen Freude und Sorge

Ab Sonntag gelten viele Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung nicht mehr: Sowohl die Maskenpflicht als auch Zugangsbeschränkungen aufgrund des Impfstatus werden hinfällig. Händler, Gastronomen und Schulen schwanken zwischen Erleichterung und Sorge.

Coronaregeln fallen: Zwischen Freude und Sorge

Diese Schilder verlieren bald an Bedeutung, auch in Schulen gilt bald keine Maskenpflicht mehr. Archivfoto: T. Sellmaier

Von Kristin Doberer

Rems-Murr. Heute laufen nach dem aktuellen Infektionsschutzgesetz fast alle Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus aus. Eine Rückkehr zu schärferen Maßnahmen kann es nur geben, wenn eine Region als Hotspot definiert wird. Die Landesregierung hat das für Baden-Württemberg derzeit ausgeschlossen. Das bedeutet, dass Zugangsbeschränkungen, Maskenpflicht und Kontaktbeschränkungen wegfallen (siehe Infokasten). In der Region schwankt man zwischen Erleichterung und Sorge.

In den Schulen blickt man vor allem mit Sorge auf den Wegfall der Maskenpflicht. Immer wieder fallen Lehrkräfte mit Coronainfektion aus. „Wir haben Angst, dass dadurch die Unterrichtsversorgung schlechter wird und wir wieder ganze Klassen heimschicken müssen, weil kein Lehrer da ist“, erzählt Karin Moll, Schulleiterin der Mörikeschule und geschäftsführende Schulleiterin der Backnanger Schulen. Gerade auch Aushilfslehrkräfte, die zum Beispiel bereits in Rente sind, seien bisher immer wieder kurzfristig eingesprungen. Einige, so erzählt Moll, machen sich ohne Maskenpflicht aber Sorgen um die eigene Gesundheit. „Viele Lehrer wollen die Maske auch weiterhin tragen“, sagt Moll. Warum das Ministerium die Maskenpflicht in Schulen nicht zumindest bis Ostern aufrechterhalten hat, kann sie nicht nachvollziehen. Besonders mit Blick auf die anstehenden Abschlussprüfungen hofft die Schulleiterin, dass die Schüler freiwillig eine Maske aufsetzen. Zwar sei man zum Beispiel im Grundschulbereich auch froh, wenn bei Sprachübungen die Maske abgesetzt werden kann, aber die Sorge um noch mehr Infektionen überwiege. „Wir wollen die Schülerinnen und Schüler dazu animieren, die Maske zumindest bis Ostern noch freiwillig aufzulassen“, sagt Moll. Sie schätzt, dass auch eine Mehrheit der Schüler da mitziehen werde. Per Hausrecht anordnen kann eine Schulleitung die Maskenpflicht im Gegensatz zu Supermärkten nicht.

Eher wenig Einfluss hat die Änderung der Regeln am Wochenende auf die Einzelhändler. Hier fällt lediglich die Maskenpflicht in Innenräumen weg. „Aber ich werde meine Maske weiter tragen“, sagt Christian Lätzig, stellvertretender Vorsitzender des Vereins Stadtmarketing in Murrhardt und Inhaber der Buchhandlung BücherABC. Den Kunden werde er die Entscheidung selbst überlassen, er will sie darauf mit einem Plakat aufmerksam machen. „Ich appelliere da lieber an den gesunden Menschenverstand. Und von vielen Kunden habe ich gehört, dass sie zum Einkaufen weiter Maske tragen werden“, erzählt der Buchhändler. Die Maske sei ohnehin kein großes Thema mehr gewesen, aufwendig war eher die 3-G-Kontrolle, die aber schon seit Februar nicht mehr gilt. Er erwartet aufgrund der Regeländerung deshalb kein verändertes Kaufverhalten. „Wer mit dem Tragen einer Maske bisher nicht einverstanden war, kommt nach zwei Jahren jetzt vermutlich auch nicht wieder“, sagt er. Vielmehr spüre er seit Beginn des Kriegs in der Ukraine große Zurückhaltung.

Auch Supermärkte und große Ketten werden wohl nicht von ihrem Hausrecht Gebrauch machen. So haben bisher zumindest Edeka, Lidl, Aldi, Kaufland und weitere große Lebensmittelhändler bekannt gegeben, dass die Maskenpflicht beim Einkaufen in deren Filialen wegfällt, sie empfehlen Kunden und Mitarbeitern jedoch, beim Einkauf weiterhin Maske zu tragen. Per Hausrecht könne man die Maskenpflicht nicht umsetzten, dafür fehle es an Personal, teilte Edeka als Begründung mit.

Für die Gastronomen bedeutet der Wegfall der Coronaregeln im Alltag vor allem weniger Aufwand. Denn die Zugangsbeschränkungen mit 2- oder 3-G-Nachweis gibt es nicht mehr. „Im Alltag ist das für uns eine große Erleichterung“, sagt Cindy Schubert, die mit ihrem Mann Christoph Schubert das Explorer Coffee in Backnang betreibt. Gerade am Wochenende, wenn besonders viel los war, habe man eine Person extra zum Kontrollieren abstellen müssen. Weil es im Explorer Coffee sowohl gastronomisches Angebot als auch Waren zum Kaufen gibt, sei die Kontrolle immer sehr kompliziert gewesen. „Wir sind froh, wenn wir das nicht mehr machen müssen. Nicht nur der Aufwand fällt dadurch weg, sondern auch die Diskussionen“, sagt Schubert. Trotzdem steht für die Inhaberin fest: Ein Hygienekonzept wird beibehalten. Dazu gehöre unter anderem das regelmäßige Desinfizieren und auch, dass die Mitarbeiter weiterhin Maske tragen. Den Kunden überlasse man die Entscheidung, ob mit oder ohne Maske, aber selbst. Ob sich durch den Wegfall der Regelungen nun viel an der Zahl der Gäste ändern wird, kann Schubert nur schwer einschätzen. „Da sind die Leute sehr gespalten“, erzählt sie. Auf der einen Seite gebe es Kunden, die die Maßnahmen gerne beibehalten würden und nicht mehr kommen wollen, wenn sie wegfallen. Auf der anderen Seite gebe es auch Gäste, die kein Verständnis mehr haben und nicht kommen wollen, wenn weiter kontrolliert wird. „Wir hoffen jetzt vor allem auf schönes Wetter, damit die Außengastronomie wieder genutzt werden kann“, sagt Schubert.

In der Discothek Belinda in Sulzbach an der Murr schwankt Willi Beck noch zwischen Freude und Skepsis. In Discos galten bisher die strengsten Zugangsbeschränkungen, 2Gplus. Öffnen werde man samstags auf jeden Fall, wie es aber mit Konzerten und Veranstaltungen weitergeht, sei noch nicht ganz klar. Man wolle zunächst abwarten, wie sich die Dinge entwickeln. „In den vergangenen zwei Jahren haben wir uns oft auf Regeln eingestellt und mussten dann wieder und wieder nachjustieren – das ist anstrengend“, sagt Beck. Fraglich sei ja auch, ob sich alle Leute so ganz ohne Kontrolle überhaupt sicher fühlen, meint er.

Besonders durch den Wegfall der 3-G-Regel am Arbeitsplatz könnte es in den Testzentren weniger Nachfrage nach Schnelltests geben. Stephan Haerer betreibt zusammen mit Arijan Karacic das Testzentrum bei Café Tante Emma sowie zwei weitere in Backnang. Die meisten Schnelltests seien auf jeden Fall für die Arbeit gemacht worden, erzählt er. „Am Wochenende war am wenigsten los.“ In der vergangenen Woche habe er bei der Nachfrage nach Schnelltests bereits einen Rückgang bemerkt. Trotzdem will Haerer im April an den bisherigen Öffnungszeiten festhalten, da bisher täglich auch zwischen 50 und 100 PCR-Tests nachgefragt werden. „Danach müssen wir schauen, wie das Angebot noch angenommen wird“, sagt Haerer. Zwar vermutet er, dass die Nachfrage nach Schnelltests noch weiter zurückgeht; wenn das der Fall ist, könne er sich auch ein mobiles Testangebot vorstellen, zum Beispiel für Schulen oder Unternehmen. „Viele Firmen wollen das auch weiterhin anbieten, auch wenn es nicht mehr gefordert wird“, sagt er.

Diese Coronaregeln gelten ab 3. April

Maskenpflicht In den meisten Innenräumen fällt die Maskenpflicht. Das bedeutet aber nicht, dass keine Masken mehr getragen werden dürfen. Supermärkte beispielsweise könnten per Hausrecht durchsetzen, dass beim Einkauf Masken getragen werden müssen. In folgenden Einrichtungen bleibt die Maskenpflicht aber per Gesetz bestehen: Gemeinschaftsunterkünfte für Geflüchtete, im ÖPNV sowie im Flugzeug, in Arztpraxen, in Krankenhäusern, in Tages- und Rehakliniken, bei ambulanten Pflegediensten und in Einrichtungen zur Betreuung von Senioren, Menschen mit Behinderung oder pflegebedürftiger Menschen.

Kontaktbeschränkungen Im neuen Infektionsschutzgesetz sind keine Kontaktbeschränkungen vorgesehen. Das heißt, es gibt für Veranstaltungen keine Personenobergrenze mehr.

Impfstatus 2-G- und 3-G-Regeln entfallen, zumindest im Alltag. Lediglich in der Pflege besteht die Impfpflicht.

Testpflicht Die Testpflicht am Arbeitsplatz entfällt, lediglich in bestimmten Bereichen muss noch getestet werden. Dazu gehören: Kindergärten, Schulen, Krankenhäuser, Pflegedienste und Pflegeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünfte für Geflüchtete sowie Justizvollzugsanstalten. Diese Testpflicht ist unabhängig vom Impf- oder Genesenenstatus.

Arbeitsplatz Die 3-G-Regel in Unternehmen sowie die Homeofficepflicht gelten bereits seit dem 20. März nicht mehr. Allerdings müssen Arbeitgeber laut des neuen Infektionsschutzgesetzes bis zum 25. Mai weiterhin ein Hygienekonzept zum Schutz der Arbeitnehmer haben.