Schulstart mit vielen neuen Regeln

Am Montag beginnt für einen Teil der Schüler wieder der Unterricht – Die bisherigen Stundenpläne gelten aber nicht mehr

Sieben Wochen lang waren alle Schulen in Baden-Württemberg geschlossen, am Montag läuft der Unterricht an den weiterführenden Schulen nun langsam wieder an. Von einem normalen Betrieb ist man allerdings noch weit entfernt. Nur eine Minderheit der Kinder wird überhaupt in der Schule unterrichtet, und auch für diejenigen, die kommen dürfen, wird sich einiges ändern.

Schulstart mit vielen neuen Regeln

Abstand zwischen den Tischen und Schilder mit Verhaltensregeln: Schulleiter Jochen Nossek von der Gemeinschaftsschule in der Taus ist bereit für den Neustart am Montag. Foto: A. Becher

Von Kornelius Fritz

BACKNANG. Schule, das bedeutete bisher Getümmel auf dem Pausenhof, Gedränge in den Fluren und häufig randvolle Klassenzimmer. Ab Montag wird alles anders: 1,50 Meter Mindestabstand zum Schutz vor dem Coronavirus sind dann auch an den Schulen das Maß aller Dinge. Jochen Nossek hat an der Gemeinschaftsschule in der Taus bereits Schilder mit den neuen Klassenregeln aufgehängt: „Kinder wollen keine 30 Seiten Text lesen“, weiß der Schulleiter, deshalb werden die Verhaltensregeln mit lustigen Zeichnungen veranschaulicht. Die 1,50 Meter Abstand werden dabei zum Beispiel in „fünf Pizzen“ umgerechnet. So sollen die Kinder verstehen, worauf es ankommt.

Damit die Abstände überhaupt eingehalten werden können, muss der Schulbetrieb allerdings völlig anders organisiert werden als bisher. „Wenn man die Tische so stellt, dass dazwischen 1,50 Meter Platz ist, werden die Gruppen wirklich klein“, weiß Sabine Hagenmüller-Gehring, Leiterin des Staatlichen Schulamts in Backnang. Je nach Größe des Klassenzimmers können nur noch 10 bis 15 Schüler in einem Raum unterrichtet werden. Bisher waren es oft um die 30. An den meisten Schulen werden die Klassen deshalb aufgeteilt. An der Tausschule werden etwa aus drei Klassen acht Gruppen, die jeweils in einem eigenen Raum unterrichtet werden.

Das geht allerdings nur, weil ab Montag nur die Klassenstufen in die Schule kommen, die dieses oder nächstes Jahr ihre Abschlussprüfungen schreiben. So werden etwa an der Backnanger Max-Eyth-Realschule lediglich 280 von insgesamt 760 Schülern zurückerwartet. „Und die werden auch nicht alle gleichzeitig im Haus sein“, sagt Schulleiter Heinz Harter. Denn für die Rückkehrer gilt ein neuer Stundenplan. „Dabei stehen die Hauptfächer im Fokus“, erklärt Harter. Deutsch, Mathematik und Englisch werden jeweils vier Stunden an der Schule unterrichtet, alle anderen Fächer werden weiter im sogenannten „Homeschooling“ vermittelt. Statt mehr als 30 Stunden haben die Schüler jetzt nur noch zwölf Stunden Präsenzunterricht pro Woche, die auf jeweils drei Tage verteilt werden.

Versetzte Pausenzeiten und Kontrollen auf dem Schulhof

An der Gemeinschaftsschule in der Taus kommen die Kinder zwar wieder täglich, allerdings nur vormittags und nicht wie sonst üblich im Ganztagsbetrieb bis 16.30 Uhr. Außerdem müssten die Schüler damit rechnen, dass sie in manchen Fächern andere Lehrer haben als bisher, erklärt Jochen Nossek.

An den Gymnasien stellt sich das Problem, dass die Schüler in der Kursstufe normalerweise in wechselnden Gruppen unterrichtet werden. Doch genau das sollte mit Blick auf den Infektionsschutz verhindert werden. „Wir haben den Unterricht deshalb so organisiert, dass jeder Lehrer und jeder Schüler pro Tag nur mit einer Gruppe Kontakt hat“, berichtet Simone Klitzing, die das Gymnasium am Bildungszentrum Weissacher Tal leitet. Am Bize stellt sich zudem das Problem, dass sich drei Schulen ein Gebäude teilen. Ab Montag werden diese jeweils in einem eigenen Trakt unterrichtet: „Für jede Schule gibt es getrennte Ein- und Ausgänge“, erklärt Klitzing.

Auch vor dem Unterricht und in den Pausen sollen möglichst wenige Schüler miteinander in Kontakt kommen. Deshalb beginnt der Unterricht an vielen Schulen versetzt. An der Max-Eyth-Realschule kommt die Hälfte der Schüler zur ersten Stunde und die andere Hälfte zur zweiten. Nach jeweils zwei Stunden Unterricht ist dann Pause: „So können wir gewährleisten, dass maximal 90 Schüler gleichzeitig Pause haben“, erklärt Heinz Harter. Die Pausenaufsicht werde auch darauf achten, dass die Schüler auf dem Schulhof nicht in größeren Gruppen beieinanderstehen.

Außerdem gelten an den Schulen strenge Hygienevorschriften. So hat jetzt jeder Schüler seinen festen Platz, der nicht getauscht werden darf, es wurden Spender mit Desinfektionsmittel aufgestellt, und die Einweg-Papierhandtücher, die an den Backnanger Schulen aus Umweltschutzgründen vor Jahren durch Stoffhandtuchspender ersetzt worden waren, feiern ein Comeback. Im Übrigen gebe es an allen Backnanger Schulen genügend Waschbecken und auch Seife, betont der geschäftsführende Schulleiter Heinz Harter. Eine Maskenpflicht gilt an den Schulen hingegen nicht: „Wir appellieren jedoch an die Schüler, auch im Unterricht welche zu tragen“, so Harter.

Ziel der Schulleiter ist es nun zunächst einmal, die Abschlussjahrgänge so gut wie möglich auf die Mitte Mai beginnenden Prüfungen vorzubereiten. Jochen Nossek denkt aber auch an die Schüler, die von ihrem Elternhaus nur wenig Unterstützung erhalten. Die Tausschule will deshalb auch den Unterricht in der Vorbereitungsklasse für Migrantenkinder nächste Woche starten. „Diese Schüler haben vermutlich seit acht Wochen kein Deutsch mehr gesprochen“, befürchtet der Schulleiter. Aber auch in anderen Klassen gebe es Kinder, die man mit digitalen Angeboten kaum erreicht habe. Auch sie sollen möglichst bald wieder an der Schule unterrichtet werden.

Viele Lehrer sind vom Präsenzunterricht befreit

Wann wieder Unterricht für alle Schüler stattfinden kann, steht noch in den Sternen. Klar ist, dass ein normaler Schulbetrieb unter Einhaltung der strengen Hygienevorschriften nicht möglich ist. Dafür fehlt den Schulen sowohl der Platz als auch das Personal. Für Kleingruppenunterricht bräuchte man mehr Lehrer als bisher, tatsächlich stehen jedoch deutlich weniger zur Verfügung. Lehrer, die älter als 60 Jahre, schwanger oder aufgrund einer Vorerkrankung besonders gefährdet sind, können sich nämlich vom Präsenzunterricht befreien lassen, sie benötigen dafür nicht einmal ein ärztliches Attest. Im Rems-Murr-Kreis haben nach Angaben des Staatlichen Schulamts je nach Schulart zwischen 20 und 30 Prozent der Lehrer davon Gebrauch gemacht. An einen normalen Unterrichtsbetrieb sei deshalb bis auf Weiteres nicht zu denken, sagt Schulamtsleiterin Hagenmüller-Gehring und räumt ein, „dass es dafür im Moment auch keine wirkliche Perspektive gibt“.