Stillstand erhöht die Legionellengefahr

Rudersberger Fachmann in Zeiten des Corona-Shutdowns: In leer stehenden Gebäuden regelmäßig Frischwasser austauschen

Öffentliche Gebäude geschlossen, Hallenbäder dicht, Hotels und Restaurants stillgelegt. Damit stehen auch sämtliche Wasserleitungen still. Frank Luft, Betriebsleiter der Otto Kamp GmbH in Rudersberg, macht deshalb auf eine erhöhte Legionellengefahr aufmerksam.

Stillstand erhöht die Legionellengefahr

Regelmäßige Frischwasserentnahme ist wichtig, um zu verhindern, dass Keime einen Nährboden finden. Archivfoto: E. Layher

Von Heidrun Gehrke

RUDERSBERG. Sobald die stillgelegten Betriebe und öffentlichen Gebäude nach der Coronakrise wieder eröffnet werden, könnte die nächste Herausforderung ins wiedereröffnete Haus stehen: „Wenn über mehrere Tage oder Wochen hinweg kein Wasser aus den Leitungen entnommen wird, können Legionellen zu einer ernsten Gesundheitsgefahr werden.“

„Bei einer Nicht-Nutzung von Trinkwasser in diesen Gebäuden wird es zu einer Vermehrung von Legionellen kommen“, sagt der Experte für Trinkwasserhygiene. Betroffen seien Hotels, Bars, Hallenbäder, Fitnessstudios, der Einzelhandel sowie Dienstleister. Welche Keime können gefährlich werden? Legionellen sind Bakterien, die als Ursache verschiedener Krankheitsbilder gelten. Dazu zählen grippeartige Beschwerden bis hin zur Lungenentzündung. Der Begriff der Legionärskrankheit – eine Art der Lungenentzündung – geht auf diese Bakterien zurück.

Außer Legionellen können noch weitere gefährliche Keime auftreten

Neben Legionellen bestehe das Risiko weiterer pathogener Keime im Trinkwasser, etwa die coliformen Keime „Escherichia coli“ und „Pseudomonas aeruginosa“. Frank Luft: „Die Rede ist vom berüchtigten Krankenhauskeim. Er ist sehr schwer zu bekämpfen und oft resistent gegen Antibiotika.“ Wie schlimm ist die Lage nach den ersten Wochen der Schließungen? „Legionellen verdoppeln sich bereits nach drei bis vier Stunden bei einem guten Nährstoffangebot. Da eine sehr geringe Anzahl von Legionellen immer vorhanden ist, kann man sich ausrechnen, wie lange es dauern wird, bis der Grenzwert erreicht wird“, so Luft.

Durch Homeoffice und Kurzarbeit sind zwar viele Wassernutzer zu Hause, was die Problematik in den bewohnten Objekten vermindern könnte. „Allerdings führen die Leerstände dazu, dass die Trinkwasserinstallationen einer sehr hohen Verkeimungsgefahr ausgesetzt sind“, erklärt Frank Luft. Das Wasser stehe grundsätzlich unter einem zu hohen Versorgungsdruck in den Leitungen. „Durch die Stagnation bilden sich eh schon Biofilme, die mit Korrosion den Nährstoff, das Wachstumspotenzial der Keime und Bakterien erhöhen.“ Warum ist der Frischwasseraustausch so wichtig? Trinkwasser ist unser wichtigstes Lebensmittel und bringe bei Überschreitung des Haltbarkeitsdatums eine indirekte Gefährdung der Wasserqualität und der Gesundheit aller mit sich.

Zur möglichen Verkeimung durch stehendes Wasser komme bei vielen Trinkwassersystemen eine Schwermetallbelastung durch verbaute verzinkte Stahlleitungen oder Kupferleitungen hinzu. Grenzwerte für Eisen, Mangan, Kupfer und Blei seien bei einem nicht bestimmungsgemäßen Betrieb nicht einzuhalten und sind damit gesundheitsschädlich. Welche Maßnahmen können die Vermehrung von Legionellen aufhalten? „Die Coronakrise trifft uns alle hart. Um die Schäden nicht noch zu vergrößern, gesundheitlich wie wirtschaftlich, sollte in den über Wochen oder Monate leer stehenden Gebäuden ein regelmäßiger Frischwasseraustausch sichergestellt werden“, sagt Luft. Eine Option wäre es, täglich jemanden zum fachgerechten Durchspülen ins Gebäude zu schicken – oder auch mehrere mit dem vorgeschriebenen Sicherheitsabstand.

Aus der Praxis weiß Frank Luft, dass sich dies kaum flächendeckend realisieren lässt. „Spülen Sie mal ein Hotel mit 50 Zimmern, ein Hallenbad oder eine Schule gleichzeitig“, gibt er zu bedenken. „Müssen die Gebäude länger als vier Wochen geschlossen bleiben, ohne die erforderlichen Spülungen, müssen Trinkwassersysteme gesperrt, vor dem Betrieb entleert, gereinigt, desinfiziert und neu befüllt werden.“

Wie sieht es vor Ort aus? „Den kompletten Stillstand gibt es aktuell nicht“, sagt der Rudersberger Bürgermeister Raimon Ahrens. Die Freibadanlage laufe ohnehin, weil, wie in Jahren ohne Corona, derzeit die Instandhaltungsarbeiten vor Saisonöffnung laufen. Im Schulzentrum sei ein Großputz im Gange. Malerarbeiten seien vorgezogen worden, die für die Sommerferien geplant waren. Ebenso in den Hallen – da wird die Pause für einige Renovierungen genutzt. Sollten die Schließungen länger andauern, werde ein weiterer Fahrplan erarbeitet: „Mit unseren Hausmeistern würden wir einen Rhythmus vereinbaren, dass sie im Rahmen der regulären Gebäudeinstandhaltungen auch diese Arbeiten und Reinigungsabläufe sicherstellen.“

Auch in Winnenden ist während der Stillstandszeit für Wasseraustausch in städtischen Schulen, Kindergärten und Sporthallen gesorgt. „Wir verfahren genauso wie während der Ferien“, sagt Carsten Schmidt vom Stadtbauamt. Teilweise lasse der Hausmeister das Wasser laufen, teilweise seien automatische Spüleinrichtungen eingebaut, damit Trinkwasser und Warmwasser fließen können.