„Test auf Wunsch ist nicht vorgesehen“

Das Interview: Chefarzt Torsten Ade und Oberarzt Matthias Wilke über das neue Corona-Testzentrum in Schorndorf

Vor einer Woche hat der Landkreis am Klinikum in Schorndorf ein CoronaTestzentrum eingerichtet. Mehr als 200Patienten sind dort bereits getestet worden. In welchen Fällen ein Test sinnvoll ist und wann darauf verzichtet werden kann, erklären Torsten Ade, Chefarzt der Notaufnahme am Klinikum Winnenden, und sein Stellvertreter Matthias Wilke im Interview.

„Test auf Wunsch ist nicht vorgesehen“

Im Schorndorfer Corona-Testzentrum wurden seit vergangenem Freitag bereits mehr als 200 Abstriche genommen. Foto: B. Büttner

Von Kornelius Fritz

Wie viele Patienten sind im Schorndorfer Testzentrum inzwischen auf das Coronavirus getestet worden?

Ade: Der Betrieb ist am Freitag begonnen worden. Bis Dienstag haben wir bereits 222 Abstriche durchgeführt. Wir haben fortlaufend Anmeldungen und nehmen die Patienten nach Anmeldung und telefonischer Rücksprache auf. Und wir haben in Schorndorf auch schon einen Infektionsfall detektiert.

Wie schnell bekommen die Verdachtsfälle einen Termin?

Ade: Wir führen dazu keine Statistik, aber meines Wissens wurden die Termine bisher jeweils am selben Tag vergeben und es gab keine übermäßigen Wartezeiten. Das liegt auch daran, dass wir uns streng an die Vorgaben des Gesundheitsamts halten und nur die Risikogruppen 1 und 2 prüfen, also Kontaktpersonen nachgewiesener Fälle und Personen, die aus Risikogebieten kommen, wenn sie Erkrankungszeichen zeigen.

Wie schnell liegt das Testergebnis vor?

Ade: Ziel unseres Labors ist 24 Stunden Umlaufzeit. Diese kann sich allerdings verlängern, wenn das Labor an seine täglichen Kapazitätsgrenzen stößt. Und sie ist natürlich umso besser, je mehr wir uns daran halten, auch wirklich nur bei notwendigen Fällen einen Abstrich zu nehmen. Wir prüfen momentan, ob wir die Laborkapazitäten durch eigene Auswertungen noch ausweiten können.

Werden Coronatests jetzt ausschließlich in Schorndorf durchgeführt oder wird auch im Klinikum Winnenden und in den Arztpraxen weiterhin getestet?

Ade: Für die Notaufnahmen gilt ganz klar, dass wir dort keine Testung mehr durchführen. Für die Arztpraxen kann ich nicht sprechen, aber ich bin mir sicher, dass auch die niedergelassenen Kollegen den Service des Testzentrums sehr gerne in Anspruch nehmen.

Wenn das Testergebnis negativ ist, kann der Patient dann sofort wieder unter Leute gehen oder ist trotzdem noch Vorsicht angezeigt?

Ade: Wir informieren in diesen Fällen den Hausarzt, weil wir natürlich nicht jeden Einzelfall in seiner Spezialität prüfen können. Der Hausarzt muss dann entscheiden, ob es vielleicht noch andere Gründe gibt, die dagegen sprechen. Wobei ich denke, wenn ich Fieber habe und huste, ist es grundsätzlich keine gute Idee, mich in die Öffentlichkeit zu begeben. Es ist auch unangenehm, sich mit einer normalen Erkältung oder Influenza anzustecken. Diese Erkrankungen sind ja nicht verschwunden.

In der vergangenen Woche haben sich einige Patienten, die Symptome hatten, beklagt, dass ihr Arzt sie weder getestet noch an das Testzentrum überwiesen habe. Was kann ich als Patient in einem solchen Fall tun?

Ade: Ich denke, wenn ein Arzt so entscheidet, dann hat er das geprüft und ist zu der medizinischen Einschätzung gekommen, dass ein Test nicht notwendig ist. Es ist nicht vorgesehen, dass auf Wunsch getestet wird. Ich kann zwar jeden verstehen, der gerne getestet werden möchte, es gibt aber einen Unterschied zwischen Sicherheit und persönlichem Sicherheitsgefühl. Die Tests bei symptomatischen Personen, die ein Risiko haben, machen wir, um Sicherheit herzustellen. Die Frage, ob ich vielleicht Kontakt mit jemandem hatte, der Kontakt mit einem Infizierten hatte, kann für das persönliche Sicherheitsgefühl wichtig sein. Das ist aber nichts, was wir in der aktuellen Situation mit hoher Priorität behandeln können.

Wilke: Angesichts der aktuellen Informationslage, die sich gefühlt stündlich verändert, kann ich verstehen, dass die Patienten verunsichert sind. Aber die Richtlinien des Robert-Koch-Instituts sind eindeutig und auch nicht so schwer, dass der Hausarzt das nicht verstehen würde und Patienten fälschlicherweise nicht zum Test schicken würde.

Wieso testen Sie keine Personen ohne Symptome, selbst wenn diese Kontakt zu einem Infizierten hatten?

Ade: Solche Tests hätten keine Aussagekraft. Was wir hier machen, ist ein Nachweis von genetischen Informationen des Erregers. Damit weisen wir noch nicht automatisch eine Erkrankung oder Infektion nach. Wir haben nur dann eine Chance, das zusammenzubringen, wenn der Patient auch Symptome hat. Es macht keinen Sinn, symptomfreie Menschen in großer Masse zu untersuchen, weil ich bei einem negativen Test nicht weiß, wie es in zwei Tagen aussieht. Haben Sie hingegen Beschwerden, die auf eine Virusvermehrung hinweisen, und der Test ist negativ, dann kann ich Entwarnung geben und sagen: Okay, Sie haben ein ganz normales Erkältungsvirus.

Wilke: Der Test hat ja auch eine gewisse Empfindlichkeit, das heißt, wir können das Virus erst nachweisen, wenn es sich bereits vermehrt hat. Es ist nicht so, dass wir jedes Virus, das Sie an sich tragen, nachweisen können.

Welchen Sinn hat die häusliche Quarantäne bei Kontaktpersonen ohne Symptome?

Ade: Die häusliche Quarantäne ist eine epidemiologische Maßnahme des Gesundheitsamts. Da geht es nicht darum, jemanden zu behandeln, sondern nur darum, jemanden, der in seiner Infektionslage unsicher ist, während der Inkubationszeit, in der er erkranken könnte, mit möglichst wenig Kontaktmenschen zusammenzubringen. So reduziere ich das Risiko, dass es, sollte er das Virus in sich tragen, zu einer Infektion anderer Menschen kommt.

Wie streng sollte diese Isolation sein? Reicht es, wenn ich die Disko meide, oder darf ich auch nicht mehr in den Supermarkt?

Ade: Lebensmittel einzukaufen ist sicherlich in Ordnung, außer das Gesundheitsamt hat wirklich eine strenge Quarantäne angeordnet. In die Diskothek sollte man aber auf keinen Fall gehen und auch den Besuch bei den Großeltern sollte man lieber unterlassen, ebenso Besuche in einem Alten- oder Pflegeheim oder im Krankenhaus. Denn besonders wichtig ist es, den Erreger von solchen Personen fernzuhalten, die ein hohes Risiko haben, einen schweren Verlauf zu bekommen.

„Test auf Wunsch ist nicht vorgesehen“

Wer keine Krankheitssymptome hat, muss auch nicht zum Coronatest, erklären Chefarzt Torsten Ade (links) und Oberarzt Matthias Wilke von den Rems-Murr-Kliniken. Foto: A. Becher

Info

Geisterspiele in der Bundesliga, reihenweise abgesagte Veranstaltungen und Tausende Menschen in Quarantäne: Ist das alles nicht übertrieben bei einer Krankheit, mit der in ganz Deutschland bislang gerade mal 1300 Menschen infiziert sind und deren Verlauf oft mit einer normalen Grippe verglichen wird?
Nein, sagen Torsten Ade und Matthias Wilke. Da das Virus neu und unerforscht sei, könne man die Risiken wesentlich schlechter einschätzen als bei der schon lange bekannten Influenza. Außerdem gebe es bei Corona im Gegensatz zur Grippe momentan weder einen Impfstoff noch wirksame Medikamente.

Chefarzt Torsten Ade hält es deshalb für richtig, möglichst früh zu reagieren, um die Ausbreitung der Krankheit einzudämmen. Dies sei in Italien versäumt worden: „Die Italiener haben ihren Ausbruch erst bemerkt, als sie die ersten Schwerstkranken und Sterbenden hatten. Sie haben also viel später angefangen zu testen und dadurch eine viel höhere Infektionsrate in der Bevölkerung.“

Die Zahl der bestätigten Corona-Infektionen im Rems-Murr-Kreis hat sich gestern auf 13 erhöht. Das Landratsamt meldet fünf weitere Fälle aus Waiblingen, Fellbach, Weinstadt und Schorndorf.