Trotz Krise gute Chancen für junge Leute

Die Coronapandemie hat die Wirtschaft in der Region hart getroffen, aber es gibt Grund zur Hoffnung: Die Arbeitslosigkeit ist bislang nur leicht gestiegen und auch auf dem Ausbildungsmarkt sieht es gar nicht so schlecht aus.

Trotz Krise gute Chancen für junge Leute

Ausbildungsmessen wie „Fokus Beruf“ können zwar nicht stattfinden, trotzdem haben Schüler, die noch einen Ausbildungsplatz suchen, auch in diesem Jahr keine schlechten Karten. Archivfoto: B. Büttner

Von Kornelius Fritz

WAIBLINGEN. Wirtschaftskrisen hat es schon immer gegeben, zuletzt nach der Lehman-Pleite 2008. Doch diese Krise ist anders: Sie kam nicht schleichend, sondern schlagartig, und sie betrifft nicht einzelne Branchen, sondern praktisch die gesamte Wirtschaft – vom Einmannunternehmen bis zum Weltkonzern. „Das war eine Vollbremsung, zum Teil sogar ein Absturz ins Bodenlose“, sagt Claus Paal, Präsident der IHK-Bezirkskammer Rems-Murr. Der Keulenschlag der Pandemie traf die Unternehmen in einer Phase, in der sich das Ende des Booms ohnehin schon angedeutet hatte. Die Strukturkrise in der Autoindustrie, internationale Handelskonflikte und der Brexit machten den Firmen Anfang des Jahres Sorgen. Heute wären alle froh, wenn das die einzigen Probleme wären.

Genau drei Monate nach Beginn des Lockdowns sitzen Claus Paal und die Vorsitzende der Waiblinger Arbeitsagentur Christine Käferle – natürlich mit Sicherheitsabstand – in einem Konferenzraum der IHK in Waiblingen und wagen eine erste Bilanz. Beide sind sich einig: Die Krise hat die Wirtschaft hart getroffen. Laut einer Umfrage des baden-württembergischen Industrie- und Handelskammertags sind die Umsätze bei jedem fünften Unternehmen um mehr als die Hälfte zurückgegangen, bei weiteren 25 Prozent um mehr als ein Viertel. Aber es gibt auch gute Nachrichten: Der bekannte Ifo-Geschäftsklimaindex hat sich nach einem historischen Absturz im April im Mai schon wieder leicht erholt. „Das macht Hoffnung, dass die Talsohle bald durchschritten ist“, sagt Paal, der für die CDU im Stuttgarter Landtag sitzt.

1100 freie Ausbildungsplätze im Rems-Murr-Kreis

Das Soforthilfeprogramm des Bundes habe seinen Zweck erfüllt, sagt der Kammerpräsident. Alleine im Rems-Murr-Kreis seien rund 14000 Anträge gestellt und von der IHK geprüft worden. Missbrauch habe es dabei übrigens so gut wie keinen gegeben. Erfreulich ist auch, dass der Anstieg der Arbeitslosigkeit bis jetzt noch moderat ausfällt (siehe Infobox). Zwar ist die Arbeitslosenquote im Rems-Murr-Kreis seit März von 3,5 auf 4,4 Prozent gestiegen, das ist aber immer noch ein vergleichsweise niedriger Wert.

Zu verdanken sei das vor allem der Kurzarbeit, sagt Christine Käferle. „Wenn wir das Kurzarbeitergeld nicht hätten, würden wir bei der Arbeitslosigkeit von einem völlig anderen Ausmaß sprechen“, erklärt die Agenturchefin. Anders als in der Vergangenheit nutzten nun auch viele Kleinbetriebe dieses Instrument. Käferle und Paal hoffen, dass es dank dieser Unterstützung möglichst vielen Unternehmen gelingen wird, ihre Belegschaft zu halten.

Allerdings wissen sie auch, dass sich mit Kurzarbeit nur ein begrenzter Zeitraum überbrücken lässt. Spätestens wenn die Insolvenzen zunehmen, wird auch die Zahl der Arbeitslosen weiter steigen. Deshalb sei es wichtig, dass die Wirtschaft möglichst schnell wieder ins Laufen komme. „Der Motor ist gerade im Leerlauf, aber er darf nicht ausgehen“, wählt Claus Paal einen Vergleich, der zur Autoregion Stuttgart passt. Er begrüßt deshalb das Konjunkturprogramm des Bundes und auch die Hilfsprogramme, die das Land beschlossen hat, auch wenn für ihn klar ist: „Mit dem Geld von Bund und Land werden wir nicht ausgleichen können, was an wirtschaftlichem Schaden entstanden ist.“

Auch für Schüler, die einen Ausbildungsplatz suchen, ist der Zeitpunkt mitten in der Pandemie natürlich nicht ideal. IHK und Arbeitsagentur machen den jungen Leuten aber Mut. Zwar hätten viele Firmen die Besetzung ihrer Lehrstellen wegen Corona zunächst verschoben, berichtet Claus Paal. Laut einer Umfrage wollten aber 75 Prozent der Firmen in der Region Stuttgart genauso viele Auszubildende einstellen wie in den Vorjahren. „Wer flexibel ist, hat auch in diesem Jahr große Chancen, einen Ausbildungsplatz zu finden“, so der IHK-Präsident. Christine Käferle kann das bestätigen. Allein im Rems-Murr-Kreis seien aktuell noch mehr als 1100 Ausbildungsplätze unbesetzt und auch in Stuttgart und den benachbarten Landkreisen gebe es noch viele offene Lehrstellen. „Viele junge Leute sind verunsichert, aber sie haben auch in diesem Jahr wirklich gute Chancen“, sagt Käferle.

„Die Pandemie ist noch nicht vorbei und Leichtsinn ist gefährlich“, warnt Claus Paal. Trotzdem wagt er schon einmal einen Blick in die Zukunft. Was wird bleiben, wenn das Virus hoffentlich bald besiegt ist? Claus Paal fällt da vor allem die Digitalisierung ein, die durch die Pandemie einen richtigen Schub bekommen hat. 37 Prozent aller Unternehmen haben laut einer IHK-Umfrage in den vergangenen Monaten in entsprechende Technik investiert, und auch der Bund will seine Ausgaben in diesem Bereich noch einmal erhöhen. „Wenn dieses Geld clever eingesetzt wird, können wir gestärkt aus der Krise hervorgehen“, glaubt der Präsident. Wobei auch diese Medaille zwei Seiten hat: Ein Boom der Anbieter im Netz könnte nämlich die Probleme der Händler vor Ort verschärfen.

Trotz Krise gute Chancen für junge Leute

Christine Käferle hofft, dass Kurzarbeit Entlassungen verhindern kann. Fotos: G. Habermann

Trotz Krise gute Chancen für junge Leute

„Der Motor ist im Leerlauf, aber er darf nicht ausgehen“, sagt IHK-Präsident Claus Paal.

Arbeitsmarktzahlen

Im Rems-Murr-Kreis waren im Mai 10784 Menschen arbeitslos gemeldet, das sind 2399 mehr als im März und 3701 mehr als vor einem Jahr.

Betroffen sind von dem Anstieg auch immer mehr junge Menschen. Die Zahl der Arbeitslosen unter 25 Jahren hat sich im Vergleich zum Vorjahr um 78 Prozent erhöht und liegt aktuell bei 1011.

4400 Betriebe mit insgesamt 60000 Beschäftigten haben Kurzarbeit angemeldet. Die Ausgaben für Kurzarbeitergeld sind im Rems-Murr-Kreis von 375000 Euro im März auf 18,5 Millionen im Mai gestiegen.