Verwirrung um Zahlen und Statistiken

Angaben über Infizierte in Backnang und Waiblingen irritieren – Ordnungsamtsleiterin Blumer: Bilanz enthält Unwägbarkeiten

Die Zahl der Coronafälle steigt immer weiter. Ein Blick auf die Lagekarte des Landkreises zeigt dabei, dass die gemeldeten Infektionen regional ganz unterschiedlich verteilt sind. Die höchsten Zahlen sind für Backnang und Waiblingen notiert, in beiden Städten gab es anscheinend fast gleich viele Betroffene. Im Lauf des gestrigen Tages wurden die Angaben dann aber korrigiert.

Verwirrung um Zahlen und Statistiken

Foto: B. Büttner

Von Armin Fechter

BACKNANG. Dass Waiblingen, mit 55000 Einwohnern die größte Stadt im Kreis, die höchsten Fallzahlen aufzuweisen hat, ist zu erwarten. Aber dass Backnang mit deutlich weniger Einwohnern – 37500 – fast gleichauf liegt, überrascht. Zumal die anderen großen Kreisstädte Fellbach, Schorndorf, Winnenden und Weinstadt erst mit Abstand folgen – wobei Fellbach und Schorndorf ebenfalls, der Bevölkerung nach, größer sind als Backnang.

Das Landratsamt hat dafür keine Erklärung parat. Eine Interpretation der Zahlen sei aktuell nicht möglich, sagt Pressesprecherin Martina Keck. Auch auf Fragen nach Infektionsquellen und möglichen Infektionsketten muss Keck passen: Mit steigenden Fallzahlen werde es schwieriger, Verläufe nachzuvollziehen. Die Sprecherin beschreibt die Vorgehensweise so: „Die Kollegen im Gesundheitsamt gehen den Fällen gemeinsam mit den Städten und Gemeinden nach, ermitteln Kontaktpersonen und erteilen Quarantäne.“ Aus Sicht des Gesundheitsamts rücke derzeit zunehmend die Beratung von Einrichtungen in den Fokus. Aktuell sind zwei Seniorenheime in Waiblingen und Schorndorf betroffen.

Ländliche Gemeinden sind deutlich weniger von Infektionen betroffen

Die Übersicht zeigt auf jeden Fall, dass die kleinen ländlichen Gemeinden im Norden und Osten des Landkreises bislang kaum Infektionen haben. Für Alfdorf beispielsweise wurde gestern die erste bestätigte Infektion registriert, und bis Mitte der Woche war auch Althütte noch ohne einen Betroffenen gewesen.

Näheres zum Zahlenvergleich zwischen Backnang und Waiblingen erklärt Gisela Blumer. Wie die Leiterin des Rechts- und Ordnungsamts in Backnang sagt, hat es einen Datenübertragungsfehler gegeben. Fälschlicherweise mitgezählt wurden demnach sechs Personen, die nicht in Backnang wohnen und auch keinen Bezug zu Backnang haben. „Das kann vorkommen“, sagt sie mit Blick auf die Flut an Meldungen, die in diesen Zeiten hin und her gehen. Der Fehler wurde mittlerweile in den Statistiken des Landratsamts bereinigt. Das bedeutet: Backnang steht am Nachmittag nicht mehr mit 82 Infizierten in der Bilanz, wie dies noch am Vormittag der Fall war, sondern neu mit 76 positiv Getesteten. Von diesen Erkrankten sind, so Blumer weiter, inzwischen 23 genesen, sodass sich derzeit in Backnang noch 53 Covid-19-Infizierte in Quarantäne befinden. Wobei sich die Datenlage wenig später aber schon wieder verändert hat: Inzwischen ist für Backnang von 79 Infektionen die Rede und für Waiblingen von 93.

Ferner wurde in Backnang für insgesamt 93 Kontaktpersonen Quarantäne angeordnet. Davon wurden mittlerweile 20 aus der Isolation entlassen, es bleiben also laut Blumer vorerst noch 73 Kontaktpersonen in Quarantäne.

Bei allen Zahlen von Infizierten handle es sich jedoch, so erläutert die Amtsleiterin weiter, um die amtlich bekannten Fälle. Daraus lasse sich nicht die tatsächliche Zahl Infizierter ablesen, weil nur in begründeten Fällen, symptomabhängig, getestet wird – somit könne es zu Zufälligkeiten und Unwägbarkeiten kommen, und man könne daher aus diesen Zahlen keine Schlussfolgerung ziehen.

Wo und wie sich die Menschen angesteckt haben, lässt sich laut Gisela Blumer für die anfangs aufgetretenen Fälle noch ziemlich gut nachvollziehen: Es habe sich um Reiserückkehrer aus den Skigebieten, insbesondere aus Italien gehandelt, die an ihren Urlaubsorten infiziert wurden. Bei den weiteren Fällen seien aber die Kontakte häufig nicht mehr nachvollziehbar.

Blumer zählt einige Beispiele für Infektionsketten auf. So haben sich Betroffene, wie die Nachforschungen ergaben, zum Teil bei Kollegen am Arbeitsplatz angesteckt, zum Teil über Familienangehörige. Es habe aber auch etliche Fälle gegeben, bei denen sich die Infizierten nicht erklären konnten, wie und wo sie das Virus abbekommen haben sollen.

Ist eine Tendenz erkennbar, ob die Zahl Infizierter weiter so massiv ansteigt wie in den zurückliegenden Wochen? „Es wäre schön, wenn die getroffenen Maßnahmen greifen“, sagt Blumer. Das werde sich aber wohl erst in der kommenden Woche zeigen. Immerhin: In den letzten zwei Tagen seien in Backnang deutlich weniger Personen gemeldet worden als davor, das sei schon erfreulich – auch in Verbindung damit, dass die Quarantäne in mehreren Fällen aufgehoben werden konnte.

Auffällig sind auch die Angaben für Weissach im Tal. Mit 28 bestätigten Infektionen ist Weissach deutlich stärker betroffen als etwa die ähnlich großen Gemeinden Auenwald (zehn) und Aspach (acht). „Auch wir mussten in den vergangenen Tagen feststellen, dass Weissach im Tal in der Statistik heraussticht“, sagt Maximilian Sczuka.

Der Leiter des Weissacher Haupt- und Ordnungsamts verweist zur Erklärung auf die Besonderheit, dass sich in zwei verschiedenen Teilorten zwei große Familien – im einen Fall mit sechs, im anderen mit fünf Mitgliedern – jeweils untereinander angesteckt habe. Gleichzeitig fügt Sczuka an: „Erfreulicherweise möchten wir aber auch erwähnen, dass wir bereits acht gesunde Personen aus der häuslichen Quarantäne entlassen konnten.“ Ferner merkt Sczuka an, dass auch in Weissach in dieser Woche – im Gegensatz zu den Wochen davor – wenige Neuinfizierte zu verzeichnen waren.

Informationen und Statistiken hält das Landratsamt auf seiner Homepage bereit: https://www.rems-murr-kreis.de/jugend-gesundheit-soziales/gesundheit/coronavirus-aktuelle-informationen/

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