Viel Unsicherheit vor Ladenöffnungen

Kleinere Einzelhändler freuen sich auf die Eröffnung der Geschäfte, doch wie die Hygienevorschriften aussehen, ist noch unklar

Nach wochenlangem Stillstand dürfen viele Läden Anfang nächster Woche wieder öffnen, allerdings unter strengen Hygienerichtlinien. Wie genau diese Richtlinien aussehen, wissen die Händler allerdings noch nicht. Trotzdem wollen sie nicht still sitzen und sich so gut wie möglich vorbereiten.

Viel Unsicherheit vor Ladenöffnungen

Mirja Wollny bereitet die Buchhandlung Osiander auf die Wiedereröffnung vor. Glas an der Kasse, Mundschutz und Desinfektionsmittel gehören dazu.Foto: A. Becher

Von Kristin Doberer

BACKNANG. „Wir sind vor allem froh, dass wir öffnen und wieder persönlichen Kontakt mit den Kunden haben dürfen“, sagt Sigrid Göttlich. Die Vorsitzende des Backnanger Stadtmarketingvereins ist Eigentümerin von Accente Mode und hat in den vergangenen Wochen vor allem telefonisch und per Whatsapp mit ihren Kunden interagiert und so auch das ein oder andere Kleidungsstück verkauft. Seit Mittwoch steht nun fest: Geschäfte mit einer Fläche von bis zu 800 Quadratmetern dürfen ab nächster Woche wieder öffnen. Buchhandlungen, Autohändler und Fahrradgeschäfte können unabhängig von ihrer Größe aufmachen. Allerdings müssen strenge Hygienerichtlinien eingehalten werden, um eine Ausbreitung des Coronavirus zu verhindern.

Für viele Einzelhändler ist das eine gute Nachricht, doch ein Problem besteht: Wie genau diese Richtlinien aussehen, muss vom Land Baden-Württemberg festgelegt werden, entsprechende Auflagen werden den Händlern wohl erst heute mitgeteilt. „Einen klaren Maßnahmenkatalog haben wir noch nicht bekommen, aber wir haben Vermutungen, was darin stehen könnte, und bereiten uns so gut wie möglich darauf vor“, sagt Göttlich. Das versucht auch Matthias Wiedmann vom Spielwarengeschäft Wiedmann: „Viel wissen wir noch nicht, aber wir bringen jetzt schon Hinweisschilder und einen Spuckschutz an der Kasse an.“ Hinweisschilder sollen sowohl am Eingang als auch im Laden verteilt werden und die Kunden auf den richtigen Abstand sowie bestimmte Hygienevorschriften aufmerksam machen, wie zum Beispiel das Husten in die Armbeuge. Auch für Desinfektionsmittel und Mundschutz für sein Personal hat Wiedmann bereits gesorgt. „Aber wir als Fachgeschäft haben ohnehin nicht so einen großen Kundenstrom, wir rechnen mit einem ganz verhaltenen Start.“ So geht es auch dem Kinderbekleidungsgeschäft Pünktchen und Anton. Dort wird ebenfalls kein großer Ansturm erwartet, wenn der Laden wieder öffnet. „Wir müssen erst mal die Auflagen abwarten und dann entscheiden, ob sich der Aufwand für eine komplette Ladenöffnung lohnt“, sagt die Inhaberin Julia Emer. Sie habe auch darüber nachgedacht, zunächst nur für zwei Tage in der Woche zu öffnen. Auch sie will auf jeden Fall Hinweisschilder für ihre Kunden aufhängen und für Abstandsmarkierungen auf dem Boden sorgen. „Wir wollen jetzt die Richtlinien abwarten, und dann müssen wir abwägen, was für uns sinnvoll ist.“

Schutzausrüstung muss jetzt schnell organisiert werden

Damit die Händler sich in kurzer Zeit auf die möglichen Vorgaben einstellen können, arbeitet der Stadtmarketingverein schon jetzt an der Beschaffung von Schutzmaßnahmen, auch wenn nicht klar ist, was eigentlich vorgeschrieben wird. „Genaue Aussagen zu den Richtlinien haben wir auch noch nicht“, sagt Simon Köder von der Geschäftsstelle des Stadtmarketings. „Wir haben aber jetzt trotzdem die Aufgabe, unseren Händlern die neuen Informationen so schnell wie möglich zu geben und auch zu erklären, was das genau für sie bedeutet.“ Abgesehen von der Kommunikation bemüht sich der Verein im Moment darum, ein lokales Beschaffungsnetzwerk für Schutzkleidung und weitere Ausrüstung zu schaffen. „Wir gehen davon aus, dass viele kleinere Händler Unterstützung bei der Beschaffung bestimmter Ausrüstung brauchen, da wollen wir helfen.“ Damit meint Köder zum Beispiel Systeme zum kontaktlosen Bezahlen, Mundschutz, Desinfektionsmittel, Aufsteller oder Aufkleber für den Boden. Bei den Mitgliedern hat der Verein konkret nachgefragt, welche Ausrüstung noch benötigt wird, aber auch, was diese an andere liefern könnten. So soll die Beschaffung durch ein lokales Netzwerk möglichst schnell möglich sein. „Wir gehen nicht davon aus, dass am Montag bereits alles perfekt laufen wird. Vor allem da wir die genauen Vorgaben noch nicht kennen und vielleicht nicht alles in der Kürze organisiert werden kann“, sagt Köder.

Die Buchhandlung Osiander ist bereits gut versorgt. Dort wurden gestern eine Glasscheibe an der Kasse sowie Hinweisschilder angebracht, Mundschutz und Handschuhe sind bestellt. Filialleiterin Mirja Wollny geht davon aus, dass etwa zehn Kunden gleichzeitig in den Laden kommen können; ob es direkt am Montag so viele sein werden, kann sie nur schwer einschätzen. „Entweder es ist gar nichts los oder sehr viel“; sagt Wollny. „Die Leute sollen ja eigentlich trotzdem daheim bleiben, aber ich kann mir vorstellen, dass jetzt viele auch aus Neugier wieder in die Stadt gehen.“

Auch das Autohaus Mulfinger darf trotz seiner Größe wieder öffnen. Auch dort wartet man darauf, dass eine konkrete Verordnung vom Land Baden-Württemberg kommt, doch erste Schutzmaßnahmen wurden bereits getroffen. „Die Hinweisschilder hängen schon länger, und inzwischen sind die Vorgaben auch bei unseren Mitarbeitern geübte Praxis“, sagt Markus Mulfinger.

An die Mitarbeiter, die mit Kundenfahrzeugen in Kontakt kommen, seien Handschuhe ausgegeben worden, dazu würden Lenkräder und Gangwahlschalter mit Folie abgedeckt. „Es sind Mund- und Nasenschutz für unserer Servicemitarbeiter im Kundenkontakt schon ausgegeben worden, für die Vertriebsmannschaft sind die ersten im Haus und eine große Anzahl im Zulauf.“ Auch Desinfektionsmittel sei in großem Maße bestellt.

„Der Kundenkontakt wurde und wird auf ein Minimum beschränkt, viele Kunden wünschen das auch so. Dazu haben wir, auch aufgrund der Größe des Betriebes, unsere Wartezonen entsprechend eingerichtet. Wobei uns da auch das gute Wetter hilft, viele Kunden warten im Freien oder machen einen kleinen Spaziergang“, sagt Mulfinger. Die Arbeitsplätze der Verkäufer seien so großzügig eingerichtet, dass die 1,50 Meter Abstand gut eingehalten werden können und trotzdem ein Beratungsgespräch geführt werden kann. „Wir freuen uns wieder auf den Kontakt mit unseren Kunden und Interessenten, wenn auch mit Abstand.“

Manche alternativen Geschäftsideen bleiben auch weiter bestehen

Auch Sigrid Göttlich will die Hygienevorschriften in ihrem Laden umsetzen, sobald sie dazu mehr Informationen hat, doch zum alltäglichen Geschäft geht es für sie trotzdem noch nicht zurück. Da ihr Laden flächenmäßig sehr klein ist, könnten theoretisch drei Kunden gleichzeitig die Ware betrachten, doch ihr sei das noch immer zu viel Nähe. Auch wolle sie mögliches Schlangestehen vor ihrem Laden verhindern. „Ich will eher eine Art privates Einkaufen möglich machen. Die Kunden könnten sich telefonisch melden und quasi einen Termin zum Shoppen ausmachen“, sagt sie. Ähnlich habe sie das schon in den letzten Wochen gehandhabt, nur dass ihre Kunden nun auch wieder selbst in den Laden kommen und die Kleidung vor Ort anprobieren können. „Das stimmt uns vor allem glücklich. Aber für diejenigen, die weiterhin lieber zu Hause bleiben wollen, werden wir auch weiter Klamotten zum Anprobieren vorbeibringen.“