Viele Firmen testen längst selbst

Eine Testpflicht in den Unternehmen ist bereits seit Längerem im Gespräch. In der Bundesregierung war die Meinung dazu bislang nicht einheitlich. Wir haben uns bei regionalen Wirtschaftsakteuren umgehört, wie weit es mit dem Testen bei ihnen gediehen ist.

Viele Firmen testen längst selbst

Das Unternehmen Tesat-Spacecom nutzt das ehemalige Pförtnergebäude am Kalten Wasser in Backnang als Testzentrum. Foto: Tesat

Von Bernhard Romanowski

BACKNANG. Impfen und Testen – das sind die beiden Mittel zur Eindämmung der Coronapandemie, die neben den Verordnungen zu Abstand und Hygiene die besten Aussichten auf Erfolg bieten. An Teststellen mangelt es im Rems-Murr-Kreis jedenfalls nicht. Auch in zahlreichen Firmen im Kreisgebiet besteht für die Mitarbeiter die Möglichkeit, sich testen zu lassen, bevor womöglich die halbe Belegschaft nach einer Infektion in Quarantäne muss oder gar erkrankt. Ein entsprechendes Gesetz für eine Testpflicht in den Firmen will die Bundesregierung nun wohl auf den Weg bringen.

Bei der Firma Tesat-Spacecom in Backnang, wo nachrichtentechnische Nutzsysteme für internationale Satellitenhersteller konzipiert und produziert werden, ist das mit dem Testen nichts Neues. „Bei Tesat gibt es bereits seit Beginn der Pandemie im Jahr 2020 die Möglichkeit, sich bei Verdachtssymptomen vom Betriebsarzt testen zu lassen“, erklärt das Unternehmen auf Nachfrage. Seit Anfang April gebe es nun auch eine Schnelltest-Station bei Tesat, die zweimal in der Woche, jeweils von 9 bis 16 Uhr, mehrere Hundert Schnelltests anbieten kann. Die Tests sind freiwillig und stehen allen Mitarbeitern zur Verfügung. Ebenso dürfen sich Externe dort testen lassen, also etwa Putzkräfte oder Bäcker, die auf dem Werksgelände in Backnang tätig sind. Zum Einsatz kommen PoC-Antigen-Schnelltests unter den Augen von medizinisch geschultem Personal. Wie Nina Backes von der Unternehmenskommunikation erläutert, hat Tesat das ehemalige Pförtnergebäude am Kalten Wasser angemietet und entsprechend mit Beschilderungen und Abtrennungen ausgestattet.

Beim Maschinenbauer Harro Höfliger wurde beizeiten eine Corona-Taskforce gegründet.

Somit wurde ein gesonderter Bereich nahe dem Werksgelände geschaffen, der interne Abläufe nicht behindert. Backes: „Die Tests werden von den Johannitern durchgeführt, da wir die internen Kapazitäten für die Impfungen bereithalten wollen, die hoffentlich bald kommen.“

Für Schnelltests hat man sich bei der Software-Firma L-Mobile entschieden, die ihren Hauptsitz in Sulzbach an der Murr hat. „Alles andere ist sehr schwierig zu organisieren und nicht praktikabel“, erklärt Christian Gmehling, der die Marketingabteilung leitet. Demnach werden alle Mitarbeiter mindestens einmal pro Woche getestet. „Wir haben unsere Mitarbeiter wieder verstärkt ermutigt, im Homeoffice zu arbeiten.“ Wer von den Mitarbeitern kommen muss oder möchte, müsse jeweils wöchentlich einen Test machen. Dieser dürfte vor Beginn der Dienstwoche nicht älter als 48 Stunden sein. Das Gleiche gelte auch für die Besucher. „Jeder Mitarbeiter kann sich am Empfang einen Test für die Folgewoche abholen. Der Test muss dann morgens noch daheim vor dem ersten Besuch in der Woche durchgeführt werden“, führt Gmehling aus. Gäste bekommen laut Gmehling vorab alle Informationen. Sie werden gebeten, bereits vorab einen Test durchzuführen. Gmehling: „Ist dies nicht möglich, können sie unsere eigene Teststation nutzen. Wir haben hierfür einen kleinen Pavillon vor dem Eingang hergerichtet, in dem die Tests zur Verfügung stehen und selbst durchgeführt werden können, also noch vor dem Betreten des Gebäudes.“

Beim Unternehmen Harro Höfliger, das in Allmersbach im Tal sitzt und auch in Backnang vertreten und auf Produktions- und Verpackungsanlagen spezialisiert ist, wurde bereits vergangenes Jahr eine Corona-Taskforce gebildet, also eine Arbeitsgruppe, die sich mit dem Thema innerhalb der Firma befasst. Da man bei Höfliger über Labore und sogenannte Reinräume verfügt, wurde ein solcher Reinraum jeweils in Allmersbach und in Backnang reserviert für die Durchführung der Coronatests. „Auf kurzem Wege können die Mitarbeiter hier rein- und rausgeschleust werden“, erklären Rosemarie Christ und Sven Schneider, die der Taskforce angehören.

Durch geschultes Personal unter dem Motto „Kollegen testen Kollegen“ werden bei Höfliger Antigen-Schnelltests durchgeführt und zwar für jene Mitarbeiter, für die ein solcher Test aufgrund von Dienstreisen oder Werkswechseln oder Mitarbeit in besonders sensiblen Projekten angeraten ist. „Sieben Mitarbeiter, die bereits medizinische Vorkenntnisse haben, sind bei uns als Tester im Einsatz, darunter etwa auch Rettungssanitäter“, erklären Christ und Schneider weiter. Zusätzlich zu dieser Art Test werden bei dem Maschinenbauer Höfliger auch Schnelltests für die Mitarbeiter angeboten, und zwar zwei Tests pro Person und Woche und auf freiwilliger Basis. Ebenfalls im Hause wurde von den IT-Spezialisten ein eigenes Terminvergabeprogramm entwickelt, auch Tool genannt, um das Testverfahren an den beiden Standorten bestmöglich zu koordinieren. „Die größeren Firmen führen zum Teil schon seit Monaten Tests im eigenen Hause durch. Die mittelgroßen und kleinen Betriebe haben auch schon angefangen. Für sie ist das aber mitunter schwierig umzusetzen“, beobachtet Markus Beier, der Geschäftsführer der Industrie- und Handelskammer im Bezirk Rems-Murr. Noch im Februar hatte die IHK Region Stuttgart ermittelt, dass 19 Prozent der Firmen bereits dabei seien, Tests bei ihren Mitarbeitern durchzuführen. 27 Prozent wollten demnach in Kürze damit beginnen. „Die Zahl dieser Unternehmen mit eigenen Tests dürfte sich also bereits deutlich erhöht haben“, so Beier weiter. „Die Firmen sind bemüht, die entsprechenden Strukturen zu schaffen.“ Dabei tun sich viele Fragen auf, wie Beier aus seiner Erfahrung mit der Corona-Hotline zu berichten weiß, die von der IHK zur Betreuung der Unternehmen im Pandemiegeschehen geschaffen wurde und mit eigenen Leuten besetzt ist. Viele Fragen aus der Unternehmerschaft beziehen sich auf die Logistik solcher Testverfahren. „Wo bekomme ich die richtigen Testkits her“, dies sei ebenfalls eine häufig gestellte Frage, so Beier. Und die Frage, die nicht nur im schwäbischen Kulturraum gerne gestellt wird, lautet freilich: „Wer bezahlt das? Gibt es dafür eine Förderung?“

Die kleinen Betriebe laufen seit Monaten auf Sparflamme, wie Beier anmerkt. Von daher sei die Frage nach der Finanzierung der Tests angebracht. Die Antwort war indessen bislang enttäuschend für die Firmeninhaber. Eine Förderung war nicht vorgesehen. Das könnte sich mit der Einführung einer Testpflicht für Betriebe ändern, auch wenn man seitens der IHK immer gegen eine solche obligatorische Lösung war. Beier verweist derweil auf die Strategie des Rems-Murr-Kreises, das Netzwerk der Testzentren digital weiter auszubauen und durch die Einbindung von Selbst-Schnelltests zu stärken. Das könnte dann auch wieder Öffnungen ermöglichen. Digital erfasst und beispielsweise auf dem Handy vorzeigbar, könnten negative Schnelltestergebnisse als Nachweis für Aktivitäten im Bereich Gastronomie, Kultur und Sport dienen. Beier: „Die Unternehmen könnten niederschwellig Selbst-Schnelltests nutzen und müssten kein stationäres Testzentrum einrichten.“