Volle Rückendeckung für Hilfsprogramm

Der Backnanger Gemeinderat hat sich geschlossen hinter die Neustarthilfe „Offensive Innenstadt“ gestellt. Die Stadt lässt sich das Förderprogramm zur Stärkung des Wirtschafts-, Kultur- und Freizeitstandorts Backnang 456500 Euro kosten.

Volle Rückendeckung für Hilfsprogramm

Eine proppenvolle Innenstadt wie beim Gänsemarkt 2019 – das wünschen sich alle wieder zurück. Mit dem jetzt beschlossenen Förderprogramm möchte die Stadt vorbereitet sein, wenn es zum Neustart kommt. Archivfoto: A. Becher

Von Matthias Nothstein

BACKNANG. Das Coronaneustartprogramm mit dem Namen „Offensive Innenstadt“ soll die Einzelhändler, Gastronomen und Kulturschaffenden nach dem Ende des Lockdowns unterstützen und die Stadt lebenswerter und attraktiver machen. „Wir investieren insgesamt 456500 Euro und setzen damit ein klares Signal“, sagte Erster Bürgermeister Siegfried Janocha in der Sitzung des Gemeinderats am vergangenen Donnerstagabend. „Durch die Coronapandemie, die nun seit eineinhalb Jahren andauert, leidet die Innenstadt. Die Stadt Backnang möchte mit dem Programm zur Attraktivierung der Innenstadt beitragen.“

Simon Köder vom Stadtmarketingverein Backnang stieg mit einem Foto von einer proppenvollen Innenstadt in seine Präsentation ein und sagte: „Jeder wünscht sich diese Zeiten wieder zurück.“ Er stellte den Räten die vier Säulen des Programms (wir berichteten) vor:

Infrastruktur und Aufenthaltsqualität

Aktionen und Veranstaltungen

Digitales Stadtgutscheinsystem

Kommunikationsoffensive

Die Vorsitzende des Stadtmarketingvereins Sigrid Göttlich dankte für all die angekündigten Impulse, den Einzelhandel und die Gastronomie unterstützen zu wollen. Sie lobte das hervorragende Miteinander, das zuletzt entstanden sei, und sagte: „Das lässt uns alles viel leichter sein und hilft uns durchzuhalten und neu zu starten, wenn die Umstände es wieder erlauben.“ Und auch Stadtmarketingkollege Martin Windmüller versuchte, die Bedeutung der Hilfe herauszuarbeiten. „Die Innenstadt ist das Herz einer Stadt. Wenn das nicht mehr schlägt, ist es überall trist.“ Ganz plastisch schilderte er: „Wir Einzelhändler und Gastronomen in Backnang haben bereits Herzrhythmusstörungen und der Blutdruck vieler ist viel zu niedrig.“ Er forderte, die Strahlkraft der Stadt wieder zu stärken. Besonders viel versprach er sich von der Fortschreibung des Einzelhandelskonzepts. Hierfür sind in dem Programm alleine 50000 Euro vorgesehen.

Eine Idee: Grabenstraße soll am Wochenende zur Fußgängerzone mit erweiterter Bewirtung werden.

Die Verlierer der Pandemie sind in den Augen von Rolf Hettich (CDU) ganz eindeutig die Einzelhändler, Gastronomen und Kulturschaffenden. Die Großkonzerne und Filialisten hingegen seien die Gewinner, sie sollten gezwungen werden, ihre Hygienekonzepte anzupassen. Für Hettich sind die 456500 Euro für das Hilfsprogramm „gut investiertes Geld“. Er hatte zusätzlich noch eine Idee: die Grabenstraße zum Beispiel während des Wochenendes für den Verkehr zu sperren und zu einer Fußgängerzone mit (Vereins-)Bewirtung zu machen. Ein Vorschlag, den Willy Härtner (Grüne) unterstützte, schließlich sei die Verkehrsberuhigung seit Jahren eine Forderung seiner Fraktion.

Da ein wesentlicher Pfeiler des Hilfspakets die Einführung eines digitalen Gutscheinsystems inklusive einer Startförderung in Höhe von 83000 Euro war, wollte Hettich wissen, ob die Verantwortlichen es schaffen, das System bis zur Wiedereröffnung des Handels, spätestens aber bis zum Herbst zum Laufen zu bringen. Simon Köder zeigte sich zuversichtlich, der momentane Zeitplan sehe einen Start Ende Juni oder Anfang Juli vor, „spätestens aber zu unserer ersten eigenen Veranstaltung, dem Gänsemarkt, oder allerspätestens zu Weihnachten“.

Doch selbst bei der schnellsten Einführung war dies Siglinde Lohrmann noch zu spät. Sie kritisierte, dass es in dem gesamten Paket keine Sofortmaßnahmen für die Betroffenen gebe, die heute schon Wirkung entfalten würden, und forderte die Einführung von Coronagutscheinen, die man beim jeweiligen Händler kaufen könne. „Die digitalen Gutscheine kommen im Herbst, mit Sicherheit nicht früher, und das ist mir zu spät.“ Zudem kritisierte sie, dass das Paket einige Selbstverständlichkeiten enthalte, „die schon längst hätten gemacht werden können“. Simon Köder stellte sofort klar, dass es sehr wohl direkte Entlastungen gebe, konkret nannte er den Wegfall der Beteiligung an den Kosten für Veranstaltungen wie etwa den Gänsemarkt. Auch betonte er den großen Nutzen der Gutscheine, „die haben großes Potenzial“.

Willy Lachenmaier (Grüne) bemängelte, dass die Generation unter 35 zu wenig berücksichtigt sei. Er verwies auf den boomenden Online-Handel und bezweifelte, dass die Einführung der digitalen Gutscheine alleine ausreichen würde, in diesem Bereich einen Gegenpol zu schaffen. Heinz Franke (SPD) sah es noch pessimistischer, „der Online-Handel bleibt, das Rad lässt sich nicht mehr zurückdrehen, und da ist nicht nur die Generation unter 35 aktiv, sondern inzwischen sind es alle Generationen.“ Seiner Ansicht nach hat Backnang nur dann eine Chance gegen den Online-Handel, „wenn unsere Innenstadt attraktiv ist“. Er forderte, die Aufenthaltsqualität dringend zu verbessern. Grundsätzlich zeigte er sich bereit, alle Aktionen zu unterstützen, „das ist alles richtig“.

Ebenso lobte Ute Ulfert (CDU) das Paket und sprach von einem gemeinsamen Aufbruch, der die Innenstadt weiter stärke. Ihr Fraktionskollege Gerhard Ketterer sprach von einem „wunderbar ausgearbeiteten Konzept“, er wunderte sich jedoch über den Posten „Fassadenprogramm“ in Höhe von 12500 Euro: „Mein erster Gedanke war, als ich das gelesen habe, da fehlt eine Null.“ Planungsamtsleiter Tobias Großmann und Baudezernent Stefan Setzer gaben Ketterer grundsätzlich recht. Aber Setzer sagte auch: „Von dem Fassadenprogramm dürfen wir uns keine Wunderdinge erwarten. Aber es ist ein Zeichen, wir gehen auf die Eigentümer zu.“

Skeptisch zeigte sich Michael Malcher (AfD) über die Planungen zum Kultursommer. Er erinnerte, dass die aktuelle Coronaverordnung bis Ende Juni gültig sei, und fragte Kulturamtsleiter Johannes Ellrott, ob die Veranstaltungen überhaupt stattfinden könnten und wie viele Gäste dabei Platz finden würden. Ellrott erklärte freimütig: „Ob das Ganze stattfinden kann, weiß im Moment keiner. Aber wir tun unser Möglichstes, dass wir vorbereitet sind, wenn es losgeht.“ Für Charlotte Klinghoffer (BfB) können all die Maßnahmen nur „als Einstieg gesehen werden“. Letztlich würden manche Maßnahmen bedeuten, „dass man auf Bekanntem, aber nicht immer Bewährten einfach noch eine Schippe Finanzmittel obendrauf legt“. Dies allein könne nicht der Weisheit letzter Schluss sein: „Wir wünschen uns eine Strategie für Backnang, die neue Wege geht, überraschend und kreativ ist – und die Jugend reinholt in unsere wunderschöne Stadt.“

Fast schon mit pathetischem Unterton blickte Willy Härtner auf das Gesamtgeschehen: „Wir alle müssen zusammen etwas gegen die Pandemie machen, wir müssen Maske tragen, wir müssen uns testen lassen, wir müssen uns impfen lassen, damit wir runter kommen von den hohen Infektionszahlen. Wir müssen klare Kante zeigen gegenüber denen, die nicht das ,Wir‘ an die erste Stelle stellen.“

Am Ende wurde das Hilfsprogramm einstimmig beschlossen.