Vorerst kein Trottwar von Carmine

Der Backnanger Verkäufer der Straßenzeitung pausiert wegen der Ansteckungsgefahr – Trägerverein durch Coronakrise in Not

Ein vertrautes Gesicht ist seit einigen Tagen aus dem Backnanger Straßenbild verschwunden. Carmine Verna, der Verkäufer der Straßenzeitung Trottwar, ist nicht mehr auf seinem Stammplatz in der Grabenstraße anzutreffen. Aber seine Kunden müssen sich keine Sorgen machen. Der Mann mit der roten Weste, seit über 20 Jahren eine Art Backnanger Wahrzeichen, ist wohlauf.

Vorerst kein Trottwar von Carmine

Muss wegen der Coronagefahr pausieren: Trottwar-Verkäufer Carmine. Archivfoto: A. Hohnerlein

Von Annette Hohnerlein

BACKNANG. Eigentlich braucht man in diesen schwierigen Zeiten Leute wie Carmine Verna, der jedem ein freundliches Lächeln schenkt, ein Päckchen Gummibärchen in die Hand drückt und immer zu einem gemütlichen Schwatz bereit ist. Über die neueste Ausgabe der Straßenzeitung, über sein Idol Andrea Berg oder auch über seine kleine Nichte Layla, die er so liebt, dass er sich ihren Namen auf seine Fingerknöchel hat tätowieren lassen.

Aber Carmine hat seine Arbeit in der Backnanger Innenstadt bis auf Weiteres ausgesetzt, denn er muss im Moment verstärkt auf sich achtgeben. Aufgrund einer Lungenerkrankung wäre er bei einer Infektion durch das Coronavirus besonders gefährdet, wie seine Frau Rita auf telefonische Nachfrage wissen lässt.

Positives in der aktuellen Ausnahmesituation

Das Ehepaar ist zurzeit bei Carmines Schwester in Schwäbisch Hall und deren Tochter Layla. „Wir spielen zusammen und gehen ab und zu in den Garten. Das ist schön“, freut sich Carmine über die gemeinsame Zeit mit seinem Patenkind. Obwohl er somit der aktuellen Ausnahmesituation auch Positives abgewinnen kann, hofft er, dass diese nicht allzu lange anhält, denn: „Für das Geschäft ist das nicht gut.“

Von Carmines rund 170 Kollegen, die Trottwar in über 20 Städten in ganz Süddeutschland verkaufen, sind viele ebenfalls in einer schwierigen Lage. Manche von ihnen, die aus Osteuropa stammen, sind wegen des Coronavirus in ihre Heimatländer zurückgekehrt. Denen, die weiterhin verkaufen, drohen die Umsätze wegzubrechen. Und es gibt keinen staatlichen Rettungsschirm, der sie auffängt.

„Unsere Verkäufer würden durchdrehen, wenn sie nicht mehr verkaufen dürften“, sagt Helmut Schmid, Geschäftsführer von Trottwar. Und Verkäufersprecher Thomas Schuler ergänzt: „Wenn wir den Vertrieb zumachen, müssten viele betteln gehen.“

Um die Verluste für seine Verkäufer etwas abzufangen, hat sich der Verein entschlossen, ihnen die Straßenzeitung ab sofort kostenlos zur Verfügung zu stellen, sodass sie den vollen Preis von 2,60 Euro pro Heft als Einnahme behalten können. Üblicherweise müssen sie die Zeitung für 1,30 Euro erwerben.

Im Moment geht der Verkauf weiter, unter Schutzauflagen. Um eine Infektion zu verhindern, wurde der sogenannte kontaktlose Verkauf eingeführt, bei dem sich die Kunden ihr Trottwar-Exemplar selbst von einem Stapel nehmen, der in zwei Metern Entfernung vom Verkäufer liegt. Das Geld für das Blatt wird dann in ein daneben stehendes Behältnis – möglichst passend – gelegt.

Verein setzt sich für sozial benachteiligte Menschen ein

Der Stuttgarter Verein Trottwar setzt sich seit 25 Jahren für sozial benachteiligte, langzeitarbeitslose und obdachlose Menschen ein. Er schafft Arbeitsplätze durch den Verkauf der Straßenzeitung, aber auch durch das „Spende Dein Pfand“-Projekt unter anderem am Stuttgarter Flughafen oder durch alternative Stadtführungen. Durch die aktuelle Krise brechen dem Verein eine Reihe von Einnahmen weg. Neben anderen Veranstaltungen musste auch eine Versteigerung von Kunstwerken aus dem Trott-art-Kunstprojekt durch das Auktionshaus Nagel aufgrund der Coronapandemie abgesagt werden.

Carmine Verna ist bisher zum Glück nicht von Existenzängsten geplagt. Mit seiner optimistischen und pragmatischen Einstellung, die ihn schon durch verschiedene Krisen seines Lebens getragen hat, sagt er: „Das ist jetzt halt so. Man muss mal gucken, wie es weitergeht.“

Info

Wer Trottwar unterstützen möchte, findet im Internet unter www.trott-war.de Hinweise, wie man für den Verein spenden, die Straßenzeitung bestellen oder auch Werke aus dem Trott-art-Kunstprojekt erwerben kann.