Werkstätten arbeiten auf Sparflamme

Es ist noch nicht so wie vor dem Lockdown, aber immerhin: In den Backnanger Werkstätten der Paulinenpflege wird gearbeitet. In einem eingeschränkten Notbetrieb erproben die Mitarbeiter Abstandsregeln, Händedesinfektion und das Tragen von Masken.

Werkstätten arbeiten auf Sparflamme

Mit Freude und Eifer wird wieder in den Werkstätten der Paulinenpflege gearbeitet. Allerdings nicht in dem Umfang wie vor Corona. Fotos: A. Becher

Von Annette Hohnerlein

BACKNANG. Zwei Monate musste Michaela Schäfer daheimbleiben, jetzt arbeitet sie wieder. „Ungewohnt, aber schön“, findet das die 38-Jährige, die in einer Montagegruppe der Backnanger Werkstätten der Paulinenpflege Winnenden beschäftigt ist. „Ich freue mich, meine Leute wiederzusehen, zum Beispiel meinen Chef.“

Seit dem 23. März sind die Werkstätten für Menschen mit Behinderung grundsätzlich geschlossen, allerdings kann ein Teil der Klienten im Rahmen einer Notbetreuung arbeiten – unter strengen Auflagen. Neben den allgemeinen Abstands- und Hygieneregeln müssen noch weitere Vorgaben beachtet werden, die den Verantwortlichen einiges Kopfzerbrechen bereiten. So dürfen in einer Arbeitsgruppe nur Mitarbeiter tätig sein, die auch in einer Wohngruppe zusammenleben oder aber Externe, so heißen diejenigen Klienten, die bei Angehörigen oder in einer eigenen Wohnung leben. „Das ist gar nicht so einfach, bisher war das bunt gemischt“, erläutert Carlo Noé, Geschäftsführer der Backnanger Werkstätten. Im Übrigen ist die Arbeit derzeit nur auf freiwilliger Basis erlaubt. Vorrang bei der Notbetreuung haben Beschäftigte, die zu Hause nicht betreut werden können oder die wegen der Zwangspause psychische Probleme zu entwickeln drohen. War bisher maximal ein Viertel der betreuten Mitarbeiter zulässig, sind laut der Verordnung des Sozialministeriums nun nicht näher bezifferte Kleingruppen erlaubt.

„Das klappt gut, sie halten die Regeln ein.“

Von den über 500 Menschen mit Behinderung, die die Backnanger Werkstätten an ihren vier Standorten beschäftigen, sind im Moment rund 100 wieder bei der Arbeit, der Betrieb läuft auf Sparflamme. Um dennoch die laufenden Aufträge für die Industriekunden abzuwickeln, werden Paulinenpflege-Mitarbeiter aus anderen Bereichen dazugeholt, die derzeit zum Beispiel wegen Schul- und Kitaschließungen nicht ihrer gewohnten Arbeit nachgehen können.

Und wie kommen die Mitarbeiter mit Behinderung mit den vielen Neuerungen klar? Etwa damit, dass man Masken tragen und die Hände desinfizieren muss? Dass der Speisesaal geschlossen ist und man das Essen von zu Hause mitbringen muss? Dass man den Kollegen nicht mit Handschlag oder einer Umarmung begrüßen darf, sondern Distanz halten muss? „Das klappt gut, sie halten die Regeln ein“, hat Erwin Kugler festgestellt, der die Werkstätten für Menschen mit geistiger Behinderung in Backnang und Winnenden leitet. Nicht so einfach sei es im angegliederten Förder- und Betreuungsbereich, in dem Menschen, die nicht werkstattfähig sind, tagsüber betreut und beschäftigt werden. „Dort ist es schwieriger, da gibt es welche, die behinderungsbedingt die Masken nicht tolerieren“, berichtet Kugler. In diesen Fällen müssten sich die Betreuer besonders schützen; ausreichend Schutzmaterial sei inzwischen vorhanden.

Michaela Schäfer hat mit dem Tragen von Schutzmasken kein Problem. Angenehm seien sie zwar nicht, aber sie kannte das schon vom Busfahren und vom Einkaufen und hat sich damit abgefunden: „Das muss man halt machen.“ Sie lebt mit ihrem Mann in einer eigenen Wohnung in Murrhardt und hat die arbeitsfreie Zeit für sportliche Aktivitäten genutzt. „Ich war jeden Tag laufen“, erzählt sie, „einmal von Murrhardt bis nach Winnenden. Und ich bin mit dem E-Scooter gefahren.“

Sie und ihre Kollegen müssen jetzt gemeinsam mit ihren Betreuern herausfinden, was in Sachen Infektionsschutz am Arbeitsplatz geht und was nicht geht. Die jetzige Belegschaft soll eine Art Multiplikatoren-Einheit für die Mitarbeiter werden, die in den nächsten Wochen dazukommen.

Aber nicht nur in der Werkstatt, auch auf dem Weg dorthin hat sich für die Beschäftigten einiges geändert. Zumindest für diejenigen, die mit den Bussen des Deutschen Roten Kreuzes zur Arbeit gefahren werden. Im Moment werden nicht mehr bis zu acht, sondern nur noch zwischen einem und drei Fahrgäste auf einmal transportiert, erklärt Utz Bergmann, stellvertretender Kreisgeschäftsführer des DRK. Darüber hinaus werden die Busse nach jeder Tour desinfiziert, und natürlich tragen sowohl Fahrer als auch Fahrgäste Masken.

Im Moment wird in der Paulinenpflege an einem Konzept für die weitere Öffnung gearbeitet. Besonders die Coronarisikokandidaten, von denen es unter den Menschen mit Behinderung einige gibt, muss man im Auge behalten. Der Sozialdienst der Werkstätten ist in Kontakt mit den Angehörigen und gesetzlichen Betreuern, um festzustellen, welche Klienten besonders gefährdet sind. „Die müssen wir erst einmal außen vor lassen“, kündigt Noé an.