„Wir könnten mehr Impfungen schaffen“

Das Interview: Das Kreisimpfzentrum in der Waiblinger Rundsporthalle hat seine Kapazitäten erweitert. Jetzt hoffen Dezernent Gerd Holzwarth und die ärztliche Leiterin Stephanie Haaf auf eine rasche Erhöhung der Impfstofflieferungen.

„Wir könnten mehr Impfungen schaffen“

Die Abläufe im Waiblinger Kreisimpfzentrum haben sich eingespielt, die Zahl der Impfstraßen wurde erhöht. Wenn es genügend Impfstoff gibt, sind hier im Zweischichtbetrieb nun bis zu 1500 Impfungen pro Tag möglich. Foto: A. Becher

Von Kornelius Fritz

Am vergangenen Freitag hatte Sozialminister Manne Lucha Vertreter der Städte und Landkreise zu einem kommunalen Impfgipfel eingeladen. Wird nun der erhoffte Turbo bei der Impfkampagne gezündet?

Holzwarth: Das ist eine gute Frage. Es wurde zumindest angekündigt, dass wir bis Ende Mai in Baden-Württemberg pro Woche eine Million Impfdosen bekommen werden. Ob das dann so ist und wie viele davon im Rems-Murr-Kreis ankommen, werden wir sehen. Wir hoffen natürlich, dass jetzt die erwünschte Menge ankommt und vor allem, dass sich die Verteilung nicht mehr nur nach der Anzahl der Kreisimpfzentren richtet, sondern dass die Bevölkerungszahl berücksichtigt wird. Auch das wurde beim Impfgipfel zugesagt.

Das Kreisimpfzentrum war einmal auf bis zu 750 Impfungen am Tag ausgelegt. Wie viele Menschen werden zurzeit täglich in der Waiblinger Rundsporthalle geimpft?

Haaf: Diese Woche sind es zwischen 580 und 800 am Tag. Wir haben bewusst noch vor Ostern die Kapazitäten baulich erhöht und drei zusätzliche Impfstraßen eingerichtet. Damit könnten wir deutlich mehr Impfungen pro Tag schaffen. Wenn wir vom Land die notwendige EDV-Hardware bekommen und genügend Impfstoff haben, können wir in der Rundsporthalle jetzt bis zu 1500 Personen pro Tag impfen.

Welchen Impfstoff bekommen Sie denn aktuell in welcher Menge geliefert?

Haaf: Wir bekommen momentan Biontech geliefert, jede Woche in wechselnder Anzahl, Astrazeneca bekommen wir gerade nur für Zweitimpfungen bei Personen über 60 Jahren. Leider sind die Lieferansagen immer sehr kurzfristig: Im Moment wissen wir für zwei Wochen, was wir bekommen. Was danach kommt, wissen wir noch nicht.

Werden die eingehenden Impfdosen alle direkt verimpft oder halten Sie einen Teil für die notwendigen Zweitimpfungen zurück?

Haaf: Wir behalten nichts zurück, sondern verimpfen alles, was wir haben. Für die Zweitimpfungen haben wir Lieferzusagen und hoffen, dass die auch eingehalten werden.

Seit dieser Woche können sich alle über
60-Jährigen Impftermine geben lassen. Zuletzt gab es in Waiblingen aber selbst für über 70-Jährige keine freien Termine mehr. Ist es da sinnvoll, den Kreis der Impfberechtigten schon jetzt zu erweitern?

Holzwarth: Inzwischen wird ja auch bei den Hausärzten geimpft und es gibt Versuche, die Betriebsärzte mit einzubinden. Wenn man diese drei Säulen auslasten will, muss man auch die Zahl der Impfberechtigten vergrößern. Deswegen ist es sicherlich richtig gewesen, dass die über 60-Jährigen jetzt auch impfberechtigt sind. Das führt aber natürlich zu einem weiteren Run auf die immer noch wenigen Termine, die wir in Waiblingen haben. Immer wenn wir neue Termine anbieten, sind die innerhalb weniger Stunden ausgebucht.

Für viele steht in Kürze die zweite Impfung an. Wird es für Ungeimpfte dadurch noch schwieriger, an die erste Spritze zu kommen?

Haaf: Wir hoffen sehr, dass wir so viel Impfstoff bekommen, dass wir zusätzlich zu den Zweitimpfungen auch noch weitere Erstimpfungen anbieten können. Aber das können wir erst zusagen, wenn wir wirklich wissen, dass wir den Impfstoff auch bekommen.

Alleine im Rems-Murr-Kreis leben rund 50000 Menschen in der Altersgruppe zwischen 60 und 70. Wie lange wird es dauern, bis alle Impfwilligen ihre beiden Termine bekommen?

Haaf: Das ist schwierig zu sagen, weil wir bis jetzt gar nicht wissen, wie viele Einwohner des Rems-Murr-Kreises schon geimpft sind. Dass die Impfung einer bestimmten Gruppe abgeschlossen ist, sehen wir momentan erst, wenn die Nachfrage zurückgeht.

Holzwarth: Bei unserem Impftruck stellen wir gerade fest, dass die Nachfrage bei den über 80-Jährigen nachlässt. Daraus schließen wir, dass die Impfungen in dieser Altersgruppe weitgehend erledigt sind. Wie es bei den über 70-Jährigen aussieht, werden wir sehen, wenn wir die statistische Auswertung vom Land bekommen. Die wurde für diese Woche angekündigt.

Um den Impfstoff von Astrazeneca gab es einigen Wirbel. Erst sollte er nur an Jüngere verimpft werden, dann vorübergehend gar nicht und jetzt nur noch an Ältere. Welche Folgen hatte dieses Hin und Her für die Arbeit im Kreisimpfzentrum?

Haaf: Das hat das Ganze sehr erschwert, weil wir natürlich die richtigen Leute mit dem richtigen Impfstoff impfen wollen und deshalb kurzfristig Termine absagen und umbuchen mussten. Es war auch für viele Bürgerinnen und Bürger schwer verständlich, warum die Änderungen so schnell und spontan kommen.

Konnten die abgesagten Impftermine mittlerweile nachgeholt werden?

Haaf: Die Termine, die im März ausgefallen sind, haben wir alle nachgeholt. Unter 60-Jährige, die jetzt noch kommen und einen Astrazeneca-Termin haben, kommen auf eine Warteliste und erhalten einen Ersatztermin mit einem mRNA-Impfstoff zu einem späteren Zeitpunkt, eventuell auch in einem anderen Impfzentrum.

Die über 60-Jährigen sollen dafür nun Astrazeneca erhalten. Akzeptieren das alle oder gibt es auch welche, die diesen Impfstoff ablehnen?

Haaf: Das haben wir auch schon erlebt, aber wenn es keinen medizinischen Grund gibt, können wir da keine Ausnahme machen.

Holzwarth: Vor Ort auf einen anderen Impfstoff zu wechseln, wäre in Waiblingen auch organisatorisch nicht möglich. Wir haben dort feste Impftage für Biontech und andere Tage für Astrazeneca.

Landrat Sigel hat vergangene Woche die Priorisierungsregeln kritisiert. Diese würden „mehr Fragen aufwerfen und bremsen als Impfgerechtigkeit schaffen“. Was ist das Problem bei der Priorisierung?

Haaf: Manche haben nicht die Dokumente dabei, die ihre Impfberechtigung belegen. Wenn das nicht eindeutig ist, müssen wir es vor Ort im Einzelfall prüfen. Wir versuchen natürlich, die Impfung möglich zu machen, wo es geht, aber wenn die Priorisierung nicht nachgewiesen werden kann, dann dürfen wir auch nicht impfen.

Holzwarth: Es darf nicht der Eindruck entstehen: Wer einfach hingeht, der wird auch geimpft. Wenn es hoffentlich bald genügend Impfstoff gibt und diese Prüfung wegfallen könnte, würde es aber für alle deutlich einfacher.

Die Kanzlerin hatte angekündigt, dass bis zum Sommer alle Bürgerinnen und Bürger ein Impfangebot bekommen. Halten Sie das noch für realistisch?

Holzwarth: Wenn die Mengen, die ab Ende Mai angekündigt sind, wirklich kommen und man Sommer bis September definiert, könnte das noch klappen. Minister Lucha spricht vom Herbst. Das erscheint mir auf jeden Fall realistisch.

„Wir könnten mehr Impfungen schaffen“

„Wir könnten mehr Impfungen schaffen“

Mehr als 18000 Impfungen in der Rundsporthalle

Das Kreisimpfzentrum (KIZ) in der Waiblinger Rundsporthalle hat am 21. Januar seinen Betrieb aufgenommen. Bis gestern wurden dort insgesamt 18369 Personen geimpft. Zusätzlich sind auch mobile Impfteams im Einsatz, seit Anfang April finden außerdem Coronaimpfungen in Hausarztpraxen statt.

Stephanie Haaf (47) ist zusammen mit Silke Bundschuh ärztliche Leiterin des KIZ. Die promovierte Fachärztin für Anästhesie wurde von den Rems-Murr-Kliniken abgestellt. Dort arbeitet sie seit 2008 in der Klinik für Anästhesie, Intensiv- und Notfallmedizin.

Gerd Holzwarth (55) ist seit 2012 im Landratsamt Waiblingen tätig. Der Vermessungsingenieur war zunächst Leiter der Flurbereinigungsbehörde, dann Leiter des Amtes für Vermessung und Flurneuordnung. Seit April 2019 ist er Dezernent für Forst, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Vermessung. Seit Anfang 2021 organisiert sein Dezernat auch die Coronaimpfungen im Kreis.