„Wir kriegen das schon hin“

Die Einzelhändler haben seit einigen Wochen wieder geöffnet. Doch der Umsatz und die Kundenfrequenz im Laden kommen noch nicht an die Zeit vor Corona heran. Trotzdem wollen viele Backnanger Händler positiv bleiben.

„Wir kriegen das schon hin“

Kundenberatung mit Abstand: Markus Sammet (rechts) von Schwarzmarkt ist trotz des gesunkenen Umsatzes zufrieden. Foto: A. Becher

Von Kristin Doberer

BACKNANG. „Angesichts der Situation ist unsere Lage ganz okay. Aber wir kommen natürlich nicht an die Zahlen vom vergangenen Jahr ran oder an die Umsätze vor Corona“, so Markus Sammet, der Geschäftsführer vom Bekleidungsgeschäft Schwarzmarkt. Auch gebe es weniger Frequenz im Laden. Viele Kunden seien noch immer unsicher, wie sie sich verhalten sollen. Immer wieder kämen zum Beispiel Nachfragen dazu, ob die Kleidung mit der Hand angefasst werden darf oder ob Handschuhe getragen werden müssen. Trotzdem ist er insgesamt positiv gestimmt, das Geschäft sei – für Coronaverhältnisse – in Ordnung. Eine Einstellung, die gerade viele Backnanger Einzelhändler haben.

Seit dem 20. April haben die Geschäfte unter Hygieneauflagen und mit Abstandsregeln wieder geöffnet. Die Verkaufszahlen von vor Corona können aber noch lange nicht erreicht werden. „Die erste Woche nach der Öffnung war bei vielen gut. Dann hat das Geschäft lange vor sich hingedümpelt“, sagt Simon Köder vom Stadtmarketingverein Backnang, der sich bei den Händlern umgehört hat. Seit etwa einer Woche steige die Kundenfrequenz in den Läden etwas, viele Käufer würden sich so langsam an den neuen Alltag mit Mundschutz gewöhnen, der gestrige Freitag nach dem Feiertag sei besonders gut gewesen. „Insgesamt ist die Rückmeldung der Einzelhändler positiv. Keiner klagt, man ist sich einig, dass es auch schlimmer sein könnte.“ Trotzdem sei man noch weit vom unbeschwerten Einkaufserlebnis aus der Zeit vor Corona entfernt. Vor allem das Tragen eines Mundschutzes mache vielen Kunden noch etwas zu schaffen. Auch Markus Sammet weiß, dass einigen die Maske lästig ist. „Aber das sind eben die Vorgaben. Und nur deshalb durften wir ja wieder öffnen“, sagt er. Wie sehr seine Kunden das normale Einkaufserlebnis während des Lockdowns vermisst haben, hat er in den vergangenen Wochen auch gemerkt. Gefehlt habe nicht nur das Einkaufen, sondern die Gespräche, das Stöbern an den Kleiderständern, die Zerstreuung und Unterhaltung. „Eben das Zwischenmenschliche.“

Inliner und Heimtrainer statt Trikots und Hallenschuhen

Dass sich der Alltag der Menschen verändert hat, merkt man auch bei Intersport Hettich. Denn während der vergangenen Wochen sind Artikel aus dem Individualsport deutlich häufiger verkauft worden als zur gleichen Zeit vergangenes Jahr. Besonders beliebt sind Lauf-, Trekking- und Wanderschuhe, Inliner und Heimtrainer. „Zum Teil ist die Nachfrage in diesen Bereichen so groß, dass manches sogar ausverkauft ist“, sagt Jan Rössle. Was im Moment allerdings auf der Stange bleibt, sind Trainingskleidung für Teamsportarten und Bademode. „Vor allem die Vereine haben noch keine Perspektive, wie es im September weitergeht. Da spüren wir die Unsicherheit.“ Fußballschuhe, Hallenschuhe und Trikots verkaufen sich kaum, auch die abgesagte Fußball-EM mache sich hier deutlich bemerkbar. Trotzdem ist Rössle mit dem Mai insgesamt zufrieden, auch wenn das Einkaufsverhalten nicht wie vor dem Lockdown ist. Insgesamt kämen auch hier weniger Kunden in den Laden. Statt zu schlendern und gemütlich zu shoppen, würden sie sehr gezielt nach bestimmten Artikeln suchen. „Ich glaube, die Maske hindert viele Leute daran, dass ein richtiges Einkaufsgefühl aufkommt“, meint Rössle.

Das sieht auch Matthias Wiedmann so, das Einkaufen sei durch die Regelungen einfach unkomfortabler. Der Geschäftsführer des Spielwarenladens hat zwar keine verderbliche oder saisonale Ware, doch das Geschäft über Ostern habe extrem gefehlt. „Das war schmerzhaft für uns. Ostern ist wie ein zweites Weihnachten.“ Die Zeit nach Ostern sei in ihrer Branche ohnehin eher umsatzschwach, jetzt ist durch Corona auch im Spielwarengeschäft weniger los als gewöhnlich. Trotzdem sei die Lage nicht so schlimm, wie er zuerst erwartet habe. Den Verlust durch den Lockdown über die Osterzeit kann Wiedmann aber nicht mehr ausgleichen. „Wir kaufen jetzt vorsichtiger ein und versuchen, die Bestände im Laden gering zu halten. Das gute Geschäft geht bei uns erst im Herbst wieder los. Hoffentlich gibt es da keine zweite Welle, das wäre für uns wirklich schlimm.“

Beim Blumengeschäft „Blattwerk“ von Stephan Urban ist zwar auch die Laufkundschaft zurückgegangen, doch das ist bei ihm im Moment gar nicht das Hauptproblem. Stattdessen fehlen in seiner Branche die Veranstaltungen im Frühling. Hochzeiten, Konfirmationen und Abschlussfeiern: Dafür werden eigentlich zahlreiche Braut- und Anstecksträuße bestellt sowie Blumendekorationen für Kirchen und Tische. „Die fehlenden Veranstaltungen sind mit der Laufkundschaft nicht aufzufangen“, sagt Urban. Vor allem, da auch die Laufkundschaft und Stammkunden noch immer zurückhaltend einkaufen.

Vorsichtig einkaufen, kurzfristig planen, Bestände gering halten

„Wir müssen jetzt einfach von Tag zu Tag arbeiten und die Ware sehr vorsichtig einkaufen.“ Anstatt nämlich längerfristig zu bestellen, holt das Blumengeschäft die Blumen nun jeden zweiten Tag frisch auf dem Großmarkt, um schnell auf neue Entwicklungen reagieren zu können und möglichst wenig wegwerfen zu müssen. Auch habe er dadurch sein Sortiment etwas einschränken müssen, so Urban. „Dass ab Oktober tatsächlich wieder Veranstaltungen stattfinden können, sehe ich skeptisch. Aber ich will nicht zu sehr jammern, anderen Branchen geht es schlechter. Wir kriegen das schon hin.“ Er ist zuversichtlich, auch weil er viel Rückhalt von seinen Stammkunden bekommt. Positives Feedback in den vergangenen Wochen habe ihm und seinen Mitarbeitern sehr gut getan. „Insgesamt war der Zusammenhalt einfach gigantisch“, sagt Urban.

Die große Solidarität der Kunden hat auch Markus Sammet begeistert. Immer wieder würden sie nachfragen, wie es dem Geschäft geht. „Manche sagen beim Einkauf auch, dass sie eigentlich gar nichts Bestimmtes brauchen, sie aber die lokalen Geschäfte dadurch unterstützen wollen“, so Sammet. Während der Schließung hat auch Schwarzmarkt auf einen Abhol- und Lieferservice umgestellt und seine Kleidung auf Instagram und Facebook präsentiert. „So haben wir sogar einige neue Kunden gewonnen“, sagt Sammet. Er sei auch weitere Wege nach Gaildorf oder Remseck gefahren, obwohl es sich wirtschaftlich für ihn wenig gelohnt hat. „Es war zwar anstrengend, aber wichtig, dass die Leute sehen, dass wir weitermachen.“ Trotzdem hat sich durch die fünf Wochen Ladenschließung zu viel unverkaufte Ware angesammelt, vor allem viel Sommerware, die für gewöhnlich über Ostern gekauft wird, sei gerade übrig. Er habe aber noch Glück, sagt Sammet. Es seien nur wenige hochmodische Teile dabei, die nur in dieser Saison verkauft werden können. Viel von der überschüssigen Ware sei nicht an eine bestimmte Saison gebunden. Es handle sich um Basics, die er über das ganze Jahr noch verkaufen kann. In die Zukunft blickt er eher verhalten. Er glaube nicht, dass es bald komplett zurück zur Normalität geht, auch wenn immer mehr Coronaregelungen gelockert werden und die Fallzahlen in Deutschland und der Region fallen. „Die Leute werden trotzdem vorsichtig und bedacht bleiben. Es weiß ja auch keiner, wie es weitergeht.“