Ausstellung im Backnanger Helferhaus: Szenen werden durch die Natur getrennt

Anhand von Blättern etwa von Albrecht Dürer, Lucas Cranach, Matthäus Merian, Anthonie Waterloo und Max Klinger zeichnet die Ausstellung im Riecker-Raum im Backnanger Helferhaus die Entwicklung der Landschaftsdarstellung vom späten Mittelalter bis in die frühe Moderne nach.

Ausstellung im Backnanger Helferhaus: Szenen werden durch die Natur getrennt

Nach der Auftaktpräsentation „Aus allen Wolken“, die sich auf die Schilderung des Himmels konzentrierte, stellt die aktuelle Schau die Naturstaffagen im Hintergrund der altmeisterlichen Grafiken aus der Ernst-Riecker-Sammlung in den Mittelpunkt der Betrachtung. In dieser Illustration eines anonymen Künstlers aus „Titus Historiae Romanae Decades“ wird die Natur nur angedeutet. Repros: Janine Kyofsky

Von Ingrid Knack

Backnang. Die drei Ausstellungen, die in diesem Jahr im Riecker-Raum des städtischen Graphik-Kabinetts im Backnanger Helferhaus unter dem Titel „hintergründig“ gezeigt werden, richten den Blick auf die Hintergrundlandschaften in Holzschnitten, Kupferstichen und Radierungen aus der Sammlung von Ernst Riecker. In der ersten Werkschau hatte Kuratorin Simone Scholten unter dem Stichwort „Aus allen Wolken“ die mehr oder weniger dramatischen Himmel in den alten Grafiken betrachtet. Die zweite Folge hat den Titel „hintergründig – Vor lauter Bäumen“.

„Das Schöne ist, dass man an den Blättern aus der Riecker-Sammlung die Entwicklung der Landschaftsmalerei von der bloßen Kulisse und Staffage bis zum eigenständigen Bildthema nachvollziehen kann“, sagt Scholten. Die Exponate reichen von dem Holzschnitt „Der Triumpf des Lucius über Anticoches, um 1493“ aus einem mittelalterlichen Blockbuch, in dem die Landschaft noch vor der Erfindung der perspektivischen Darstellung wie in der abgebildeten Grafik eines anonymen Künstlers nur in Kürzeln wie geschwungenen Linien und Strichen, die ein Feld oder eine Wiese andeuten, wiedergegeben werden, bis hin zu barocken Stichen aus dem 18. Jahrhundert mit sehr naturalistischen Naturdarstellungen. „Landschaftsdarstellungen im Sinne der Wiedergabe eines Stücks Natur kommen erst im späten Mittelalter auf. Religiöse oder historische Themen werden nicht länger vor einfarbigen Hintergründen inszeniert, sondern in detailliert ausgestaltete Naturräume eingebettet. Während zunächst einzelne Bäume oder Büsche ausreichen, um eine Szene im Freien zu verorten und eine Idee von Landschaft zu transportieren, wird die Vegetation in der Folgezeit zunehmend raumgreifender und realitätsnäher geschildert“, führt Scholten aus.

Mehrere Szenen werdenin einem Bild gleichzeitig gezeigt

An dem Exponat „Die Beweinung Christi“ von Israhel van Meckenem dem Jüngeren (1440/45 bis 1503) sieht man, wie sich die Landschaft mit der Zeit langsam Richtung Realismus bewegt, wenngleich sie hier noch deutlich formelhafte Züge hat und fast schon ein wenig „bauklötzchenartig zusammengesetzt“ wirkt, so Scholten. Wir haben links oben das Hochplateau mit der Kreuzabnahme-Szene und auf der rechten Seite eine Gesteinsformation, davor am rechten Bildrand die Grablegung und dann in der Bildmitte den hoch aufragenden Einzelfelsen, der die Hauptgruppe mit der Beweinung betont. „Das ist eine ganz typische Darstellung aus dem 15. Jahrhundert, in der nicht nur ein Thema wiedergegeben ist, sondern fast ein bisschen wie in einem Comic verschiedene Szenen gleichzeitig dargestellt werden“, weiß die Kuratorin. Die drei Szenen werden durch die Landschaftselemente voneinander abgehoben. Der Kupferstich „Herkules am Scheidewege“ von Albrecht Dürer ist 1498 entstanden, „wahrscheinlich fast zeitgleich zu dem Van-Meckenem-Kupferstich oder ein wenig später“, sagt Scholten. „Da sieht man direkt im Vergleich, warum Dürer als der große Landschafter gilt.“ Zwischen van Meckenem und ihm gebe es gewaltige Unterschiede in der Darstellung der Natur. Kein Wunder, Dürer ist nach den Worten der Kuratorin auch ein „Reisekünstler“ gewesen. „Bei der Ausdeutung der Rätsel aufgebenden Szene wurde immer wieder auch die eindeutig zweigeteilte Landschaft herangezogen. Hinter dem stark belaubten Baum führt ein steiniger Weg hinauf in den Schutz einer befestigten Burganlage, während der knorrige Baum den Abstieg in eine zunächst verlockende, aber sumpfige Flusslandschaft führt. Der waagerechte Stamm in der Hand des Helden verbindet die beiden Landschaftsräume und zeugt so von seiner inneren Zerrissenheit. Bekanntermaßen wird er sich zwischen Tugend und Laster entscheiden müssen.“ Erst durch die Bildbeschreibungen und Hintergrundinformationen von Simone Scholten vermag man die Grafiken voll und ganz zu erfassen, eine spannende Reise durch die Kunstgeschichte mit Geschichten aller Art ist garantiert. Interessierte können am Freitag, 30. September, um 19 Uhr im Backnanger Helferhaus in den Genuss von Hintergrundgeschichten kommen, die die Kuratorin der Ausstellungsreihe persönlich präsentiert. Vielleicht erzählt sie auch von der „Hasenjagd“, einem um 1610 entstandenen Kupferstich von Aegidius Sadeler II. Die von ihm während seiner Zeit am Prager Hof Kaiser Rudolfs II. gestochene Grafik steht exemplarisch für eine sich zu Beginn des 17. Jahrhunderts durchsetzende, neue Auffassung von Landschaftsdarstellungen.

Ausstellung im Backnanger Helferhaus: Szenen werden durch die Natur getrennt

Israhel van Meckenem: „Die Beweinung Christi“.