24. Backnanger classic-ope(r)n-air: Ausverkaufter Abend bei Kaiserwetter

Trotz einer spontanen Änderungen in der Besetzung überzeugt das 24. Backnanger classic-ope(r)n-air“ unter dem Motto Klanglandschaften. Zum Abschluss gibt es für Rainer Roos und Co. stehende Ovationen und anhaltenden Beifall.

24. Backnanger classic-ope(r)n-air: Ausverkaufter Abend bei Kaiserwetter

Unter Leitung von Rainer Roos begeisterte das Orchester, das sich aus Musikern des Staatsorchesters Stuttgart und der Stuttgarter Philharmoniker zusammensetzte. Fotos: Tobias Sellmaier

Von Marina Heidrich

Backnang. Wer nicht will, sucht Probleme. Wer will, findet Lösungen. Ein Motto, das wohl fest zu Rainer Roos’ Lebenseinstellung gehört. Der Schöpfer und musikalische Leiter des Backnanger classic-ope(r)n-air stellte bereits in der jüngsten Vergangenheit sicher, dass auch in Coronazeiten das Backnanger Publikum nicht auf den geliebten Jahreshöhepunkt verzichten musste. Auch wenn die Rahmenbedingungen in den vorangegangenen beiden Jahren nicht unterschiedlicher hätten sein können. 2020 gab es ein Mini-Open-Air. Roos, ganz alleine am E-Piano, begleitete vier Solosänger auf der Bühne des improvisierten Autokinos in den Etzwiesen. Das Publikum saß auf wenigen Bierbänken und in den eigenen Autos. 2021 kehrte man zwar auf die Bühne in der Marktstraße zurück, allerdings mit kleiner Orchesterbesetzung von zwölf Musikern und das Publikum wurde auf mehrere Vorstellungen an zwei Tagen aufgeteilt, damit der nötige Abstand eingehalten werden konnte. Sozusagen eine Lightversion der Konzertreihe.

Kai Preußker springt spontan ein

Und nun – 2022 – endlich wieder Vollbesetzung und Vollgas in allen Bereichen für die treuen Fans. Das diesjährige classic-ope(r)n-air, das 24. in Folge, stand unter der Überschrift „Klanglandschaften“. Kaiserwetter bei 35 Grad, wolkenloser Himmel, helle Sommerkleider, kalte Getränke und bunte Fächer – Backnang genoss auf mediterrane Art. 47 Orchestermusiker versammelten sich auf der Bühne und wurden mit begeistertem Beifall begrüßt. Doch auch an diesem Samstag tauchten kurzfristig Probleme auf. Im Programm war der Sänger Matias Tosi angekündigt, der in Backnang sowohl aufgrund seiner stimmlichen Leistung als auch persönlichen Ausstrahlung eine beachtliche Fangemeinde hat. Groß war daher zunächst die Enttäuschung, als Roos die kurzfristige Absage des Baritons verkündete. Er saß in Argentinien fest. Doch auch hier fand der musikalische Leiter eine Lösung und nutzte seine Kontakte. Spontan sprang Kai Preußker ein. Der Bassbariton hatte bereits im Vorjahr das Publikum vor Ort durch seine breit gefächerte Stimme überzeugt und war somit ein mehr als adäquater Ersatz. Durch den kurzfristigen Tausch kam es zu kleinen Änderungen im Programm.

Sanfter Beginn, dramatische Steigerung

Ganz sacht begann das Konzert, mit Mendelssohn Bartholdys „Meeresstille und glückliche Fahrt“. Das Orchester übermittelte perfekt die musikalische Umsetzung des diesjährigen Mottos Klanglandschaften: Ein sonniger Tag auf dem Meer, eine Brise füllt die Segel, das Schiff nimmt Fahrt auf und erreicht ohne Mühe sein Ziel. Und über allem war ganz real das Zwitschern der Vögel zu hören, die im langsam dunkler werdenden Himmel über der Bühne kreisten. Kai Preußker sang die Kavatine des Figaro aus Rossinis „Barbier von Sevilla“ und erntete wohlverdienten Applaus.

Danach folgte das Eifersuchtsduett aus Puccinis Oper Tosca. Tenor Aaron Cawley, geboren in Irland, hat ebenfalls bereits in den vergangenen Jahren das Backnanger Publikum erfreut und wurde wie ein alter Bekannter empfangen. An seiner Seite als Tosca: die Argentinierin Graciela de Gyldenfeldt. Die erfahrene Sopranistin überzeugte in der Vergangenheit bereits Größen wie Plácido Domingo und arbeitete mit Herbert von Karajan in seinen letzten drei Lebensjahren. In Backnang sang sie das erste Mal. Zart, zerbrechlich legte sie ihre Tosca an und steigerte sich dann in kokette Eifersucht.

Geeigneter Einstieg in die Opern-Thematik

Noch viel besser passte die Figur der Carmen zu ihr, die Verführerin aus Bizets Oper. Hier hatte sie die „Seguidilla“ gewählt. Aaron Cawley legte viel Gefühl in Ponchiellis „Cielo e mar“. Das Orchester, das sich aus Musikern des Staatsorchesters Stuttgart und der Stuttgarter Philharmoniker zusammensetzte, ließ vor dem geistigen Auge der Zuhörer Smetanas Moldau durch die Klanglandschaften fließen. Wie immer erläuterte Rainer Roos mit seinen charmanten, augenzwinkernden Ansagen die einzelnen Stücke. Das Backnanger classic-ope(r)n-air ist sowohl für traditionelle Opernliebhaber als auch für Einsteiger bestens geeignet. Ein Besuch dort dürfte vielen die Hemmschwelle vor dieser Musik nehmen. „Opera per tutti“ in hervorragender Qualität.

Grandiose Dynamik bewies das Orchester nach der Pause mit Ravels Bolero. Der hypnotische Rhythmus, die orientalisch angehauchte einprägsame Melodie, von verschiedenen Instrumenten aufgenommen, brachte Bewegung in das Publikum. Hochemotional ging es erneut mit Tosca weiter. Graciela de Gyldenfeldt sang die Arie „Vissi d’arte“ und Aaron Cowley die Ode an das Leben: „E lucevan le stelle“. Dann klang der Abend mit „leichterer Kost“ aus. Kai Preußker übernahm das im Programm ausgewiesene Lied „What a wonderful world“, das durch Louis Armstrong Berühmtheit erlangte, und legte eine hinreißende Hollywoodfilmversion davon aufs fiktive Parkett. Cawley tauschte den formellen schwarzen Smoking in eine weiße Jacke und sang in lässiger James-Bond-Optik „Granada“. Als Überraschung interpretierte Graciela de Gyldenfeldt den argentinischen Tango „El día que me quieras“, der 1934 von Carlo Gardel komponiert wurde. Und natürlich ging niemand von der Bühne, bevor nicht die Backnanger Tradition erfüllt wurde: Der Abschluss jedes classic-ope(r)n-air ist und bleibt „O sole mio“. Stehende Ovationen und anhaltender Beifall waren der Lohn.

Lächelnd wies Rainer Roos darauf hin, dass der Mann am Mischpult ebenfalls von Anbeginn an ununterbrochen die Konzertreihe begleitet. „Nächstes Jahr, beim 25. ope(r)n-air, feiern wir sozusagen unsere Silberhochzeit.“ Man darf gespannt sein, was sich der Erfinder der Veranstaltung einfallen lässt. Eines ist sicher: Es wird etwas Besonderes sein – und sollte es Probleme geben, findet er eine Lösung.