Begehrte Bühne für junge Talente

Straßenfestgeschichte(n) Das Backnanger Nachwuchsfestival war für einige Teilnehmer das Sprungbrett in die Musikbranche. Wolle Kriwanek setzte sich mit Schwabenrock durch, Jasna Ivir machte Karriere im Musicalbereich.

Begehrte Bühne für junge Talente

Jasna Ivir, die Gewinnerin des Nachwuchsfestivals im Jahr 1988, bekam nach ihrem Sieg schnell Hauptrollen in der Welt des Musicals. Fotos: Hans Kumpf (3), BKZ-Archiv (2)

Von Ingrid Knack

Backnang. Im Jahr 1971 nahm mit dem Straßenfest auch die Geschichte des Nachwuchsfestivals ihren Anfang. Von Castingshows sprach damals noch kein Mensch. Die Möglichkeiten, als leidenschaftlicher Sänger oder Instrumentalist sein Können zu zeigen, waren im Vergleich zu heute bescheiden. Wie bei den Castingshows ist es auch beim Nachwuchsfestival, das in den Anfangsjahren noch Schlagerwettbewerb genannt wurde: Viele sind dabei gewesen, nur wenige aber schafften den Durchbruch.

In den Jahren zwischen 1975 und 1988 beispielsweise förderte der SDR die jungen Talente. Straßenfesterfinder Klaus Erlekamm erinnert sich: „Rundfunkmoderator Günter Freund und Musikredakteur Elmar Zimber luden damals jeweils die drei Erstplatzierten des Wettbewerbs ins Stuttgarter Funkhaus ein und stellten die Talente in der ,Schlagerskala‘ und nachfolgend in der ,Schlagerparade‘ von SDR1 mit ihren Siegertiteln vor. Ein großes Jubiläumsgeschenk zum 25. Nachwuchsfestival hatte der Leiter ,Leichte Musik‘ des SDR, Ulrich de Veer, für 15 ausgewählte Talente des Festivals im Gepäck: Er produzierte für sie eine CD mit eigens komponierten Gesangstiteln, die im Rahmen der legendären Geburtstagsparty im Backnanger Bürgerhaus der Öffentlichkeit vorgestellt wurde.“ Auch Sender wie Antenne1 bis hin zu SWR3 und AFN Stuttgart mischten beim Nachwuchsfestival mit. Das Festival wurde überdies von Fernsehleuten beachtet und war schon mal, wie 1979, in der Abendschau Thema.

Gleich bei der ersten Ausgabe siegte ein späterer Hochkaräter des Schwabenrock: Wolfgang „Wolle“ Kriwanek. Mit seinem Lied „Sunny“ überzeugte er die Jury. Bemerkenswert war so manches an dieser Premiere. Klaus Erlekamm schilderte die Rahmenbedingungen in einem Interview 2016 in unserer Zeitung so: „Irgendwie wollten wir so einen Wettbewerb starten. Mein Kollege Werner Preiss, der damals Besoldungsbuchhalter war und auf meinem Stock im Rathaus arbeitete, schlug vor, mit seinem Bandboss Max Kehrer und Peter Wohlfarth von den ,Maxis‘ zu sprechen. Wir hatten ein paar Kisten mit ein paar Brettern versehen. Primitiv zusammengenagelt. Kein Dach befand sich über diesem sogenannten Podium. Das hätte man nach Sicherheitsgrundsätzen nicht untersuchen dürfen. Dann fing es während des Wettbewerbs an zu gießen. Die Jury saß im Café Weller bei offenem Fenster – da gab es diesen Anbau noch nicht. Wir haben die Lautsprecher unter den damals vorhandenen überdachten Eingangsbereich der Kreissparkasse gehievt und es ging weiter. Wolle Kriwanek ist klatschnass geworden, weil er vorne auf der Bühne singen wollte. Die Band saß hinten, halbwegs trocken.“

Einige der Sieger behaupteten sich in der Musikbranche. Neben Kriwanek beispielsweise Jasna Ivir aus Ingersheim, die nach ihren Sieg 1988 eine Karriere als Musicalstar hinlegte.

Und da ist Edita Abdieski. Die Wahlkölnerin aus der Schweiz landete 2010 auf Platz 3. Abdieski hat ein Jahr später den Deutschen Entertainment-Preis in der Kategorie „Talent of the Year 2010“ gewonnen. 2012 wurde sie mit dem Fan Award „Best Female Voice“ ausgezeichnet. Weitere wohlklingende Namen sind etwa Ines Lex (Opern-, Operetten- und Konzertsängerin mit der Stimmlage lyrischer Sopran; die gebürtige Backnangerin siegte 1998) und Sabine Petrich-Hekeler aus Backnang (Zweitplatzierte im Jahr 1996; dies war für sie die Eintrittskarte dafür, als Frontfrau verschiedener renommierter Bands zu singen und bei Radio- und TV-Sendungen mitzuwirken). Außerdem wurde Daniela Pusceddu aus Marbach, die 2001 gewann, Profisängerin. Namen, die in diese Reihe gehören, sind zudem Susanne Schempp, Carola Laux und Cherry Gehring. Vanessa Mai nahm 2007 als Vanessa Mandekic am Nachwuchsfestival teil.

Karriere, allerdings als Kabarettist, machte auch der Moderator der ersten Schlagerwettbewerbe: Thomas Freitag. In seinem Buch „Hinter uns die Zukunft“ erinnert er sich so an diese Zeit: „1971 plante die Stadt ein Straßenfest im Sommer (...) Auch hatte man an das jüngere Publikum gedacht (...) in unmittelbarer Nachbarschaft zum Hauptfestplatz sollte dort unter anderem ein Schlagerwettbewerb stattfinden, den ich zu moderieren die Ehre bekam. Das war für mich in meinen jungen Jahren eine willkommene Gelegenheit, mich auch mit kleinen Sketchen auszuprobieren.“ Den Wettbewerb moderierten auch Radiomoderatoren wie Bernd Duszynski, Michael Branik und Jochen Graf.

Es gab Jahre wie 1974, als rund 150 Bewerber genau auf dieser Bühne stehen wollten. Die konnten freilich nicht alle während des Straßenfest-Termins mit dabei sein. Schon beim ersten Schlagerwettbewerb gab es eine Vorentscheidung.

Zum Nachwuchsfestival gehören auch die Begleitbands der Sängerinnen und Sänger, die ohne Instrumentalisten antraten. Nach den „Maxis“ und dem „Flamingo-Sextett“ übernahmen „Just Five“, „Helmut Fichtner & Friends“ und anschließend „Uwe Metzler & Friends“ diesen Part.

Begehrte Bühne für junge Talente

Michael Branik war viele Jahre als Moderator beim Schlagerwettbewerb dabei.