Begeisterter Applaus und zwei Zugaben

Rivinius-Klavierquartett spielt Werke von Mendelssohn, Fauré und Blomenkamp im Backnanger Bürgerhaus

Kammermusik in Reinform, musikalischer Tiefgang unter glänzend perfekter Oberfläche – dies alles konnten die Zuhörer beim fast ganz ausverkauften Matinee-Konzert am vergangenen Sonntag im Walter-Baumgärtner-Saal des Backnanger Bürgerhauses erleben.

Begeisterter Applaus und zwei Zugaben

Den Musikern gelingt eine kongeniale Balance aus routinierter Abgeklärtheit und dann wieder gestalterischem Sturm und Drang. Foto: A. Becher

Von Christoph Rothfuß

BACKNANG. Seit bald fünfundzwanzig Jahren macht das Rivinius-Klavierquartett von sich reden: Die vier Brüder Paul (Klavier), Siegfried (Violine), Benjamin (Viola) und Gustav Rivinius (Violoncello) haben jeweils beachtliche Solo-Karrieren hingelegt und bringen ihren großen musikalischen Erfahrungsschatz ins Familienquartett ein. Den vier Musikern gelingt eine kongeniale Balance aus routinierter Abgeklärtheit und dann wieder gestalterischem Sturm und Drang.

Den Auftakt machte das Quartett in c-moll op. 1 von Felix Mendelssohn-Bartholdy. Es ist ein bemerkenswert reifes Frühwerk des 13-Jährigen, das durch seine Ausgewogenheit in Melodik, Harmonik und Rhythmik verblüfft.

Finale fasst vorher Dagewesenes zusammen

Nach einem behutsamen Beginn folgt eine federnde Luzidität, Gustav Rivinius bietet samtige Kantilenen auf dem Cello, auf verschlungenen Pfaden geht es durch die Durchführung, immer wieder bezaubern Momente introspektiver Zartheit. Der zweite Satz atmet tiefe Ruhe, jedes der vier Instrumente kann sich in solistischen Passagen profilieren, die Musik ist schwebend der Zeit enthoben. Haben die vier Musiker hier jegliche Übersicht und Souveränität, so stürzen sie sich sogleich mit Feuereifer in das quirlig-agile Scherzo, welches in der Mitte ein idyllisch-heimeliges Trio birgt. Das Finale fasst vorher Dagewesenes zusammen und bildet den würdigen Abschluss eines wirklich erstaunlichen Opus 1. Das Rivinius-Klavierquartett ließ diesem beeindruckenden Beginn zeitgenössische Musik folgen. Thomas Blomenkamp (*1955) schrieb vor zehn Jahren für die Rivinius-Brüder drei Stücke. Ihre Expressivität lebt zum großen Teil von extremen Kontrasten, die immer wieder unvermittelt aneinandermontiert sind. Eruptive Ausbrüche und Klangballungen stehen quasi gefrorenen Einzelpunkten gegenüber, motorisches Vorwärtsdrängen einerseits und verharrende Statik andererseits verlangen den Musikern alles ab: Im Sinne des Ausdrucks geht das Quartett an seine Grenzen. Dass der Pianist Paul Rivinius zugleich die Leitung des Ensembles innehat, wird exemplarisch ohrenfällig, wenn er mit harschen Bassoktaven Aufbruchssignale für seine drei Brüder setzt. Nach der Pause erklang das Quartett No. 2 in g-moll op. 45 von Gabriel Fauré. Es gilt als Meilenstein der französischen Kammermusik und beginnt mit einer pathetischen Geste, bevor eine innigere Stimmung die Oberhand gewinnt. Im Gegensatz zum vorigen Blomenkamp sind hier die Übergänge nicht schroff, sondern äußerst fein und poetisch vermittelt. Die Rivinius-Brüder gestalten spannend und auch in leisesten Abschnitten energetisch ungeheuer dicht. Sie bringen die Unrast des zweiten Satzes (Allegro molto) optimal auf den Punkt, lassen motivische Fetzen in albtraumhaft quälender Zerrissenheit vorüber rasen. Aber Hauptmerkmal dieser Musik ist die überbordende Kantabilität: Die Themen bekommen sehr viel Freiraum, sich auszusingen. Das Quartett nutzt das stringent, süßes Sich-Vergessen findet man im dritten Satz (Adagio non troppo) sowie einen geheimnisvollen Zwiegesang zwischen Klavier und Bratsche. Im vierten Satz (Allegro molto) zieht ein unheimlicher Sturm auf, selbst die Ruhephasen sind überschattet von unentrinnbarer Dramatik. Der Finalsog ist so unwiderstehlich wie bewegend. Begeisterter Applaus und zwei Zugaben: Ein unglaublich schmeichelnder „Salut d´amour“ und ein sehr humorvoller „Tango pathétique“.