Architektonisch gelungene Wohnbauten

Bezahlbares Wohnen in der Stadt

Architektonisch gute, sozial geförderte Wohnungen und Häuser in einer Metropole? Gibt es tatsächlich! Ein Bildband präsentiert ökologische Mustersiedlungen mitten in der Stadt.

Bezahlbares Wohnen in der Stadt

Ein Beispiel aus dem Bildband ist dieses urbane Architekturprojekt mit 105 Wohnungen in Kopenhagen, Dänemark, von COBE, Vilhelm Lauritzen Arkiekter.

Von Nicole Golombek

Es fehlt Wohnraum in der Stadt, selbst auf dem Land tun sich junge Familien ebenso wie Singles schwer, ein eigenes Heim oder eine kleine Wohnung zu finden. Gebaut wird – aber nicht genug, vor allem nicht zu Preisen, die Normalverdiener sich leisten können. Der Deutsche Mieterbund fordert den Bau von jährlich 80 000 Sozialwohnungen in Deutschland, doch zum Beispiel im Jahr 2020 wurden bundesweit rund 23 076 geförderte Sozialwohnungen gebaut.

Überdies sinken die Zahlen insgesamt, weil alte Sozialwohnungen aus der Preisbindung fallen. Und das Problem haben alle Regierungen der vergangenen dreißig Jahre nicht gelöst: Laut dem Spitzenverband der Wohnungswirtschaft gab es im Jahr 1990 in Deutschland rund drei Millionen Sozialwohnungen. Ende 2020 waren es nur noch 1,1 Millionen, so der GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (ursprünglich: Gesamtverband deutscher Wohnungsunternehmen).

Fehlender Wohnraum in Metropolen

Bezahlbaren Wohnraum in Großstädten zu finden ist für bestimmte Berufsgruppen kaum mehr möglich bei Quadratmeterpreisen von 15 Euro und mehr. Eine vierköpfige Familie etwa, die mit 2000 Euro auskommen muss und eine 100-Quadratmeter-Wohnung sucht (und damit noch unter dem Durchschnittsverbrauch von 49 Quadratmetern pro Person liegen würde), kann keine 1500 Euro fürs Wohnen bezahlen. Außer, wenn sie nicht mehr täglich etwas isst, nicht heizt und zudem nackt geht.

Das Buch „Zu Hause – Architektur zum Wohnen in der Stadt“ stellt hingegen vorbildliche städtische Wohnprojekte vor. Denn in den Metropolen ist das Problem besonders drängend, so die Herausgeberin des Bands, Sandra Hofmeister: „Bis 2050 werden 80 Prozent der Weltbevölkerung in urbanen Ballungsräumen wohnen.“ Zudem, so die Autorin, rufe die Not Investoren auf den Plan, die „in kürzester Zeit Profit versprechende Wohnprojekte entwickeln. Auf die Wohnqualität oder die Architektur kommt es ihnen oft nicht an, weil die steigenden Preise und Mieten auf dem Wohnungsmarkt so oder so hohe Renditen einbringen.“

Das lesenswerte, informative Buch mit Texten, Fotos und Grundrissen hingegen zeigt, es geht auch anders. Die 26 Bauten in der ganzen Welt zeigen neben Sanierungen und Umbauten, Nachverdichtungen in Baulücken wie bei einem nur drei Meter schmalen Wohnhaus in Köln von Architekt Wolfgang Zeh und Dachaufbauten auch Neubauten, genossenschaftliche Wohnanlagen, Mehrgenerationenhäuser und geförderte Musterquartiere.

Sogar der Traum vom eigenen Haus ist realisierbar, wie die fünf Reihenhäuser mit Kalksandstein- und Lärchenholzschalungsfassade und markant gezackten Dächern (von Löser Lott Architekten) in Dresden dokumentieren. Und Quartiere mit energetisch vorbildlichen Sozialwohnungen sind möglich, so realisiert bei der von den Architekten Mikhail Riches und Cathy Hawley entworfenen Passivhaussiedlung in Norwich, Großbritannien. Die Reihenhäuser und dreigeschossigen Mehrfamilienhäuser im verkehrsberuhigten, durchgrünten Viertel bieten Platz für 105 Wohnungen.

Andreas Hofer, Präsident der Internationalen Bauausstellung (IBA) 2027 in Stuttgart, zeigt am Beispiel von Neu-Oerlikon in Zürich, wie auf 60 Hektar ein ehemaliges Industrieviertel so umgewandelt wurde, dass neben Gewerbebauten 5000 Einwohner hier neuen Wohnraum fanden – und noch Platz für ein großes Schulgebäude sowie fünf Parks war.

Qualitätsvolles Wohnen in der Stadt ist möglich. Man muss es halt auch politisch wollen.

„Zu Hause. Architektur zum Wohnen in der Stadt“, Sandra Hofmeister, Edition Detail, 302 Seiten, 59,90 Euro.

Info

Buch Sandra Hofmeister (Hg.): Architektur zum Wohnen in der Stadt. Edition Detail, München. 319 Seiten, 59,90 Euro

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Homogene Gebäudehülle bei dem Wohnen am Hafenbecken in Kopenhagen mit Backsteinfassade, raumhohen Fenstern und Loggien. Im Erdgeschoss befinden sich auch Läden und Restaurants.

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Der Neubebauung des Areals war eine Bürgerbeteiligung mit Workshops zu den Themen urbanes Leben, städtische Räume und angemessene Bebauung vorangegangen, die in die Platzierung der Baukörper und den freien Zugang zum Wasser einging.

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Nachverdichtung in Köln. Statt einer Garage . . .

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. . . steht hier nun ein drei Meter schmales Einfamilienhaus, entworfen von Wolfgang Zeh.

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Und hier ein Blick ins Innere des schmalen Hauses in Köln. Ziemlich hell, und es wirkt weniger schmal als von außen. Für den Entwurf gab es zahlreiche Architekturauszeichnungen.

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Der Prinz-Eugen-Park bietet auf einem 30 Hektar großen ehemaligen Kasernengebäude in München Platz für 570 Wohneinheiten – in denen 4000 Menschen wohnen – und viel Grün. Zudem wurde . . .

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. . . die ökologische Mustersiedlung nach Vorgaben der Stadt München in Holz- und Hybridbauweise errichtet. Die Grundstücke wurden an Baugruppen und Genossenschaften nach ökologischen und sozialen Kriterien vergeben. Hier im Bild zu sehen ist das Holzensemble für die Baugemeinschaft Team³ der Architektur-Werkstatt Vallentin in Arbeitsgemeinschaft mit Johannes Kaufmann Architektur.

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Die Mietpreise Tokios gehören zu den höchsten weltweit. Bei dem Projekt Hares House beauftragte Kengo Kuma als Bauherr die Architektinnen Satoko Shinohara und Ayano Uchimura für ein experimentelles Wohngemeinschaftsprojekt mit einem zehn Meter hohen Baukörper mit sieben Individualräumen und vielen Gemeinschaftsbereichen. Als Fassade fungiert eine halb durchsichtige Polyesterhülle, die wie ein Zelt mit einem Reißverschluss geöffnet werden kann. Ist die Membran geöffnet, können die Nachbarn Einblick ins Leben der Gemeinschaft erhalten, ist sie geschlossen, erkennt man das Geschehen im Haus höchstens schemenhaft.

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Alle Fotos sind diesem lesenswerten Buch entnommen: Sandra Hofmeister (Hg.): Architektur zum Wohnen in der Stadt. Verlag Edition Detail. 319 Seiten, 59,90 Euro