Charley Graf: „Existenzsorgen hatten fast alle“

Das Interview: Kleinkunstfördervereins-Vorsitzender Charley Graf lädt die Gruschtelkammer-Freunde zu neuen Veranstaltungen in der Saison 2021/2022 ein. Er spricht über die Situation der Künstler, die Zukunft der Kleinkunstbühne und coronabedingte Hürden.

Charley Graf: „Existenzsorgen hatten fast alle“

Gruschtelkammer-Chef Charley Graf lädt zu neuen Kabarettveranstaltungen ein. Doch nicht mehr die Sängerhalle, sondern die Auenwaldhalle ist der Spielort. Foto: A. Becher

Auenwald. Die Gruschtelkammer geht in die nächste Saison. Der Kleinkunstbühnenchef Charley Graf hat ein Programm auf die Beine gestellt, das sich kaum von den Programmen der Vor-Coronazeit unterscheidet. Und doch ist vieles anders. Im Interview geht er auf die derzeitigen Herausforderungen für ihn als Programmmacher und die Situation der Künstler ein.

Das neue Programm steht. Handelt es sich hier grundsätzlich um schon einmal geplante und verschobene Veranstaltungen?

Teils, teils. Viele der Künstler waren schon letztes Jahr im Programm und konnten dann aber nicht auftreten. Es ist für mich klar und selbstverständlich, dass dann sofort ein Ersatztermin vereinbart wurde.

Wo lagen die Schwierigkeiten für Sie als Veranstalter hinter den Kulissen?

Im letzten Jahr war es furchtbar. Ein ewiges Hin und Her. Das kennt ja jeder auch aus dem Privatbereich. Bei uns hat sich die Organisation vollkommen umgedreht. Online-Kartenverkauf, Auftritte in der Auenwaldhalle, Coronakonzept und so weiter. Daran hat sich übrigens, nach jetzigem Stand der Dinge, auch für das neue Jahresprogramm nichts geändert.

Welche der Künstler, die in der kommenden Saison auftreten, waren noch nie in der Gruschtelkammer?

Tatsächlich kann ich von mehreren Künstlern sprechen, aber eigentlich ist es nur ein Programm, das zum ersten Mal in der Gruschtelkammer ist. Das sind der einem breiten Fernsehpublikum bekannte Wiener Schauspieler Fritz Karl und die Oberösterreichischen Concert-Schrammeln. Das sind vier Musikerinnen und Musiker. Das wird etwas ganz Besonderes werden.

Was hört man so über die Situation der Kabarettisten?

Natürlich habe ich mit einer Vielzahl von Künstlern gesprochen. Sehr vielen geht es richtig schlecht. Gerade Kabarettisten, die nur von ihren Liveauftritten leben und plötzlich null Euro Einnahmen haben, waren in fast aussichtslosen Situationen. Lebensversicherungen wurden aufgelöst oder auch in einem Fall das Haus verkauft. Existenzsorgen hatten fast alle. Auch sehr bekannte Gesichter, von denen man meinen sollte, dass sie ihre Schäfchen schon längst im Trockenen hatten. Die Kultur stand wirklich ganz am Ende der Bezuschussungs- oder sagen wir lieber Nahrungskette. Ein Armutszeugnis ohnegleichen für den Deutschen Staat oder auch für das Land Baden-Württemberg.

In dem Programm finden sich keine Vorstellungen der Gruschtelkammer- Theatergruppe. Wie geht es mit ihr weiter? Gibt es Pläne, mit den Proben wieder zu beginnen?

Es konnten ja keine Proben stattfinden. Deshalb ist natürlich auch die Gruppe etwas gesplittert. Wir hoffen aber immer noch, dass, wenn die Pandemie abschwächt, wir zum Ende des Jahresprogramms Aufführungen machen können. Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Kulturelle Veranstaltungen im Innenbereich können in Baden-Württemberg nun wieder bei relativ großer Auslastung stattfinden – solange alle Teilnehmenden entweder geimpft, genesen oder getestet sind. Planen Sie nun mit der größtmöglichen Besucherzahl in der Auenwaldhalle?

Nein. Vorerst planen wir so, dass die Chance groß ist, dass mit unserem Konzept möglich gemacht wird, dass man am Platz keine Maske tragen muss. Ich denke, hier muss die Coronaverordnung auch noch nachgefeilt werden. Ansonsten machen wir alles, damit unsere Gäste Spaß, Freude und Sicherheit haben. Das garantiere ich.

Wie ist Ihre Einschätzung zu den derzeit gültigen Regeln für Kulturveranstaltungen in Innenräumen. Finden Sie diese gut oder wäre Ihnen ein anderes Konzept – beispielsweise eine 2-G-Regelung – lieber gewesen?

Das Thema „Testen“ kann ich noch nicht wirklich beurteilen. Ich benötige da die Hilfe der Gemeinde. Ebenso mit den Kontrollen. Bis jetzt hat mir noch keiner gesagt, wie das geht. Mit welcher Software oder welchen Geräten. Aber da sind wir dran.

Haben Sie für die Gruschtelkammer eine wegen Corona aufgelegte Förderung beantragt beziehungsweise erhalten?

Auch ein trauriges Thema. Ich habe dreimal die Förderung „Kunst trotz Abstand“ beantragt und leider nie „gewonnen“. Der Hauptgrund war, warum auch immer, dass fast ausschließlich Projekte gefördert wurden. Also temporär eingegrenzte Veranstaltungen. Wie zum Beispiel der Backnanger Kultursommer, was ja eine tolle Sache war. Ich jedoch, mit einem Jahresprogramm, das bis in den April nächsten Jahres geht, habe da bei der Jury keine Chance gehabt. Leider.

Wie sehen Sie die Zukunft der Gruschtelkammer nach Corona?

Wir haben das Thema ausgiebig im Vorstand und auch bei unserer Mitgliederversammlung besprochen. Da die Sängerhalle definitiv abgebrochen wird und die Auenwaldhalle zwar irgendwann saniert wird, haben wir keinerlei Planungssicherheit. Ich habe Bürgermeister Ernst gebeten, mir zu sagen, ob wir im Jahresprogramm 22/23 die Auenwaldhalle planen können. Ein Thema, das auch dem Gemeinderat seit Langem bekannt ist. Ich warte bis heute auf eine Antwort. Deshalb, um auf Ihre Frage zurückzukommen, wird es wahrscheinlich so sein, dass das nächste Jahresprogramm mit einer großen Gala endet und das war’s dann.

Das Publikum wird dann sicher sehr traurig sein. Welche Reaktion von Gruschtelkammer-Fans bekommen Sie?

Was mich unglaublich freut, ist der Zuspruch, den ich aus unterschiedlichsten Ecken erhalte. Unsere Mitglieder sind treu bei der Stange geblieben. Viele haben sogar Geld gespendet. Auch die Sponsoren sind alle noch dabei. Es sind sogar mehr geworden. Auch in der Bevölkerung werde ich immer wieder angesprochen, wann es denn wieder losgehe und wie toll sie das fänden, was wir in Auenwald machen. Nicht zuletzt kommt dieser Zuspruch auch von Künstlerinnen und Künstlern, die mir viele Mails geschickt und mit mir telefoniert haben. Das sind dann die Momente, wo man das Gefühl hat, etwas Sinnvolles, Schönes zu machen. In diesem Zusammenhang geht natürlich mein Dank an die vielen Helfer, die immer dabei sind, wenn man sie braucht.

Das Gespräch führte Ingrid Knack.