Ausstellung „Fempalais“

Das Stadtpalais gehört den Frauen

Noch bis September läuft die Ausstellung „Fempalais“ im Stuttgarter Stadtpalais – eigentlich sind es gleich vier Schauen und zahlreiche Veranstaltungen, die zeigen, wie Frauen die Stadt und Geschichte prägen.

Das Stadtpalais gehört den Frauen

Ein Blick auf die weibliche Seite Stuttgarts – Das Stadtpalais gibt ein halbes Jahr lang den Frauen der Stadt Raum.

Von Kathrin Waldow

Ein Zimmer für sich allein – das forderte die Schriftstellerin Virginia Woolf für Frauen: „Jede Frau sollte fünfhundert Pfund im Jahr und ein eigenes Zimmer haben. Das ist Unabhängigkeit“, schrieb die Autorin des bis heute für die Frauenbewegung grundlegenden Essays „A Room of One’s Own“ von 1929. Sie sah in den gesellschaftlichen Verhältnissen im 20. Jahrhundert die Grundlagen der Benachteiligung von Frauen gegenüber Männern im Literaturbetrieb. Damit sich die Geister beider Geschlechter gleich ausbilden, sie sich im Literaturbetrieb gleichermaßen beschäftigen könnten, brauche es materielle Unabhängigkeit sowie Zugang zu Bildung und, auch ganz physisch, einen ungestörten Raum, um sich dem Schöpferischen und Geistigen zuzuwenden.

Auch wenn sich seit 1929 vieles in Sachen Rollenverständnis und Gesellschaft zugunsten von Frauen geändert hat, bleibt noch immer viel zu tun auf dem Weg zu echter Geschlechtergleichheit. Materielle Unabhängigkeit und einen ungestörten Raum für sich allein – sicherlich wünschen sich das auch fast 100 Jahre nach Erschienen des Textes noch einige Frauen und Mütter in vielen Teilen der Erde; zumindest zeitweise.

Liebevolle Literaturausstellung, bunte Schau herausragender Frauen

Einen Platz für die Auseinandersetzung mit diesem Essay und seinen Aussagen schafft das Stadtpalais in der kleinen, sehr sorgsam eingerichteten literarischen Ausstellung im Zwischengeschoss. Die liebevoll gestaltete und in Anlehnung an Woolf betitelte „Gallery of One’s Own“ beherbergt ausgewählte Bücher, Zitate aus „Ein Zimmer für sich allein“, Stoffbahnen mit Biografien von Schriftstellerinnen aus dem Stuttgarter Raum sowie liftdurchflutete Sitznischen und Schreibtische, an denen man sich seinen Notizen oder den Büchern widmen kann. Samt Balkon mit Blick auf das alte Schloss und Kunstmuseum.

Und das ist nur eine der insgesamt vier Ausstellungen die derzeit im Stadtpalais unter dem Titel „Fempalais“ zu sehen sind. Das Stadtmuseum widmet sich den Frauen – insbesondere Frauen aus Stuttgart – ein halbes Jahr lang.

Wer sich hier die Zeit vertreiben möchte, wird mit ganz unterschiedlichen Aspekten belohnt und kann gut einen halben Tag einplanen.

In der großen Sonderausstellung „Stadt voller Frauen“ treten im Obergeschoss neun Protagonistinnen auf den Plan. Allesamt prägende Persönlichkeiten der Geschichte, die sich in unterschiedlichen Bereichen als Pionierinnen, Kämpferinnen und Verfechterinnen von Frauenrechten hervorgetan haben: Olga Nikolajewna Romanowa etwa, besser bekannt als Königin Olga von Württemberg, die sich als Wohltäterin und Gründerin von sozialen und medizinischen Einrichtungen einen Namen machte. Auch die erste Professorin an einer deutschen Hochschule wird vorgestellt: Margarete von Wrangell, die an der Universität in Hohenheim das Institut für Pflanzenernährung leitete. Ebenso die Stuttgarter Krankenschwester und erste deutsche Polizeiassistentin Henriette Arendt, die Ärztin und Schriftstellerin Else Kienle, die Politikerin und Frauenrechtlerin Anna Blos, Carola Rosenberg-Blume, die die Frauenbildung an der Volkshochschule maßgeblich beeinflusste, die Frauenrechtlerin Clara Zetkin, die Politikerin Elly Heuss-Knapp und die Designerin Mia Seeger. Es geht um Frauenwahlrecht, Abtreibungsrecht, Gesundheit, Arbeitsrecht, Bildung. Frauen haben den Verlauf der Geschichte in dieser Hinsicht maßgeblich geprägt – oft gegen Widerstände, das macht die Schau deutlich.

Besucherinnen und Besuchern dürften die großen, bunten Pappfiguren an jeder Station sofort auffallen, die die einzelnen Frauen symbolisieren sollen. Biografisches und die historische Tragweite der Persönlichkeiten werden erklärt, begleitend bekommt jede Frau eine Videobotschaft flankierend zur Seite gestellt. Ebenfalls von einer Frau, allerdings aus heutiger Zeit, wie etwa Muhterem Aras, der Landtagspräsidentin.

Wer diskutieren will oder seichte Literatur für zwischendurch ersehnt, der kann in einer der Sitzecken in Frauenzeitschriften schmökern. Die Ausstellung jedenfalls schafft es, sehr anschaulich den jeweiligen Kontext der einzelnen Frauen herauszustellen und ordnet ihre Rollen und Errungenschaften politisch und gesellschaftlich ein.

Schwarze Frauen in Stuttgart: Zwischen Diskriminierung, Identitätssuche und Heimat

Gleich nebenan kann man sich noch von einer weiteren, ebenfalls sehr bemerkenswerten Frau ein Bild machen: Paula Straus, eine der ersten deutschen Industriedesignerinnen. Sie lebte in Stuttgart und wurde Opfer des Nationalsozialismus. Mit Bildern, Ausstellungsstücken wie von ihr gefertigten Schmuckstücken, Kannen, Bestecken, Audios und Texten wird der Pionierin gedacht.

Wer es nicht gleich zu Beginn getan hat, dem bleibt dann noch eine letzte Station: das Erdgeschoss. Hier ist noch bis Mitte Mai die Ausstellung „Wenn wir die Masken fallen lassen“ zu sehen, die sich anhand von Porträts, Erzählungen und Alltagsgegenständen wie etwa Telefonkarten oder Haarutensilien der Geschichte und dem Alltag von schwarzen Frauen in Stuttgart widmet. Auch ein besonderer, mit Liebe zum Detail gestalteter Blickwinkel, der zum Reflektieren anregt. Hier sollen bis zum Ende des „Fempalais“ noch zwei weitere Ausstellungen folgen.

Vor Ort und unterwegs

Fempalais Das Stadtpalais und die Ausstellungen laufen noch bis zum 10. September unter dem Motto „Fempalais“. Dazu gibt es Workshops, Konzerte, Podiumsdiskussionen und weitere Veranstaltungen. Öffnungszeiten: Di-So 10-18, freitags bis 21 Uhr.

Termine Durch die Ausstellung zu Paula Straus und zu der „Stadt voller Frauen“ gibt es öffentliche Führungen, zudem bietet das Stadtpalais-Team am 28. April, 16-18:30 Uhr eine öffentliche Stadtführung und einen Workshop zu Orten für Frauen in ukrainischer Sprache an.

Feier am 28. April ab 18 Uhr feiert das Stadtpalais sein 5-jähriges Bestehen mit einer 24-Stunden-Party. Aus diesem Anlass ist der Eintritt in alle Ausstellungen und Sonderausstellungen von Freitag 18 Uhr bis Samstag 18 Uhr kostenfrei. https://www.stadtpalais-stuttgart.de/

Das Stadtpalais gehört den Frauen

Einzelne Persönlichkeiten und ihre Geschichten sind auffällig in der Sonderausstellung „Stadt voller Frauen“ präsentiert.

Das Stadtpalais gehört den Frauen

Die Schau lädt zum Nachdenken und Diskutieren ein –

Das Stadtpalais gehört den Frauen

– am besten gleich vor Ort an einem der runden Tische.

Das Stadtpalais gehört den Frauen

Insgesamt neun Frauen und ihren Einfluss auf die Stadt Stuttgart bildet die Schau abwechslungsreich mit Texten, Dokumenten und begleitenden Videos von anderen Frauen ab.

Das Stadtpalais gehört den Frauen

Im Erdgeschoss ist ein Raum der Geschichte schwarzer Frauen in der Stadt gewidmet.

Das Stadtpalais gehört den Frauen

Mit Alltagsgegenständen, Texten, Fotos und einem Video werden die emotionalen Geschichten erlebbar.

Das Stadtpalais gehört den Frauen

Stuttgarter Frauen und der Literatur ist das Zwischengeschoss gewidmet.

Das Stadtpalais gehört den Frauen

Die liebevoll gestaltete „Gallery of One’s Own“, wie die Schau heißt, ist inspiriert von Virigina Wolfs Text „A Room of One’s Own“.

Das Stadtpalais gehört den Frauen

Es gibt ausgewählte Bücher, Zitate aus „A Room of One’s Own“, und Stoffbahnen mit Biografien von Schriftstellerinnen sowie Sitznischen und Schreibtische, an denen man sich selbst dem Schreiben widmen kann.

Das Stadtpalais gehört den Frauen

Die Ausstellung Paula Straus stellt das Leben und Werk der Designerin und Goldschmiedin in den Mittelpunkt.

Das Stadtpalais gehört den Frauen

Paula Straus gilt als Pionierin unter den Industriedesignerinnen in Deutschland.

Das Stadtpalais gehört den Frauen

Im Stadtpalais sind Besteck, Kannen, Schmuck und andere ihrer Arbeiten zu sehen.