Das Textilgeschäft, die Kunst und ein Theaterstück

Blick in das Archiv von Peter Wolf: Der Backnanger Maler und Geschäftsmann Willy Riexinger

Das Textilgeschäft, die Kunst und ein Theaterstück

Willy Riexinger, Selbstporträt, 1937.

Von Claudia Ackermann

BACKNANG. Einblicke in das Backnanger Gebiet „vom Güterbahnhof zum Galgenberg“ gibt Peter Wolf in seiner Ausstellung im Kabinett des Helferhauses. Weil diese wie alle anderen Ausstellungen wegen der Coronaschutzverordnung des Landes geschlossen werden musste, stellten wir ausgewählte Aufnahmen aus der Präsentation vor. Die Ausstellung ist mittlerweile wieder geöffnet. Da die Resonanz auf unsere Serie sehr groß war, erweitern wir nun das Themengebiet über die laufende Ausstellung hinaus auf ganz Backnang. Denn der Fotodesigner mit großem Faible für die Backnanger Historie hat viele fotografische Schätze in seinem Archiv.

Im Rahmen der Recherchen für seine Ausstellungsreihe „Backnang im Zeitspiegel“ stößt der Fotodesigner und Hobbyhistoriker Peter Wolf auch immer wieder auf Backnanger Persönlichkeiten. Ein bedeutender Sohn der Stadt war der Künstler, Textilhändler und Werbegrafiker Willy Riexinger. 1907 wurde er in Backnang geboren. Er absolvierte eine Lehre als Textilkaufmann und besuchte anschließend die Fachschule für Werbegrafik und Dekoration in München. 1932 gründete Riexinger in Backnang eine Werbeagentur und nahm das Selbststudium der Malerei auf. Ein Selbstporträt von 1937 befindet sich in der Sammlung des Backnanger Heimat- und Kunstvereins. Das Werk war ein Exponat in der Ausstellung „Ich – Selbstbildnisse aus Backnanger Sammlungen“, die 2018 im Helferhaus zu sehen war. Mehrere Bilder wurden dem Heimat- und Kunstverein von der Familie Riexinger gestiftet.

Willy Riexinger war von Juni bis August des Jahres 1934 im Konzentrationslager Ulm-Oberer Kuhberg inhaftiert. Nach dem Zweiten Weltkrieg war er beim Landratsamt in Backnang tätig und übernahm 1949 mit seiner Frau Luise das elterliche Textilgeschäft in der Schillerstraße 23. Nebenher arbeitete er weiter als Werbegrafiker und übernahm Schaufenstergestaltungen, etwa für das Stahlwarengeschäft Merkle in der Schillerstraße. Ein Foto aus Peter Wolfs Archiv zeigt das Textilgeschäft Ende der 1940er-Jahre mit dem Namen des Vaters Wilhelm Riexinger, der das Geschäft 1906 gegründet hat. Auf einem Schild ist zu lesen, dass Betten, Aussteuern, Kleiderstoffe und Wäsche angeboten wurden. Daneben befand sich das Pelzwarengeschäft Kapphan, das außerdem Herrenwäsche, Hüte und Mützen im Sortiment hatte. Um 1956/57 ist die Innenaufnahme des Riexinger-Verkaufsraums entstanden. Abgebildet ist die Nachbarin Frau Sauer, die gegenüber dem Geschäft wohnte und als Teilzeitkraft im Laden mithalf. Außerdem sind Willy Riexingers Tochter Christine und zwei Verkäuferinnen zu sehen, weiß Riexingers Sohn Ulrich, der die historischen Fotos für Peter Wolfs Archiv zur Verfügung gestellt hat. An die Namen der beiden Verkäuferinnen kann er sich nicht mehr erinnern, da er damals selbst noch ein kleiner Junge war. Das abgebildete Gebäude ist inzwischen abgebrochen und wurde durch einen Neubau der Bäckerei Mildenberger ersetzt. Neben seiner beruflichen Tätigkeit als Geschäftsmann war Willy Riexinger immer ein Künstler. „Die Anfänge seiner Malerei liegen im Expressionismus. Er entwickelte eine eigene Methode und brachte die Ölfarbe mit den Fingern direkt auf die Leinwand“, wird sein künstlerisches Wirken im Backnang-Lexikon beschrieben. „In seiner zweiten Schaffensperiode nach dem Krieg fand Riexinger zu einer erzählenden Landschaftsmalerei. Er malte stille Bilder, die in der Reinheit der Winterlandschaft etwas in sich Geschlossenes und Bewahrendes ausstrahlen. Zugleich spiegeln sie in winterlicher Kahlheit die Welt des Schwäbischen Waldes mit den Einzelgehöften, den Rodungsinseln und den Streuobstwiesen wider.“ Willy Riexinger verstarb am 2. Januar 1980 in Backnang.

Im Nachlass fand der Sohn heraus, dass sich sein Vater auch noch in anderen künstlerischen Sparten bewegte. Ein Theaterstück mit dem Titel „Familie Bödelmann“ hat er geschrieben. Das Werk trägt den Untertitel „Drama aus dem Volke in 17 Bildern“. Leider geht aus dem Manuskript nicht hervor, in welchem Jahr es verfasst wurde. Zu einer Aufführung ist es wohl nie gekommen. Rätselhaft bleibt zudem, warum der Backnanger die Dialoge in Berliner Platt geschrieben hat und wer Julia Müller ist, der Riexinger das Theaterstück widmete. Durch das Recherchieren für sein Archiv mit historischen Fotos und Gesprächen mit Nachfahren stößt Peter Wolf immer wieder auf interessante Geschichten, die einen weiteren Mosaikstein im Bild über Backnang anno dazumal ergeben.

Das Textilgeschäft, die Kunst und ein Theaterstück

Verkaufsraum des Textilgeschäfts Riexinger um 1956/57: Abgebildet sind von links die Nachbarin Frau Sauer, sie arbeitete als Teilzeitkraft im Laden, Christine Riexinger und zwei Verkäuferinnen.

Das Textilgeschäft, die Kunst und ein Theaterstück

Das Textilgeschäft Riexinger, Schillerstraße 23, Ende der 1940er-Jahre. Repros: P. Wolf