Debatte in der Staatsgalerie

Debatte „Über Kunst“: Wie geht es weiter im KunstLänd?

Wie geht es weiter im KunstLänd? Das wollte diese Zeitung wissen – von Wissenschaftsminmisterin Petra Olschowski, Museumsdirektorin Stefanie Patruno und Galerist Kay Kromeier.

Debatte „Über Kunst“: Wie geht es weiter im KunstLänd?

Klare Worte bei „Über Kunst“ in der Staatsgalerie Stuttgart: Petra Olschowski (Mitte), Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst in Baden-Württemberg

Von Thomas Morawitzky

Vier Sessel stehen am Donnerstagabend im Vortragssaal der Staatsgalerie Stuttgart auf der Bühne. Bei „Über Kunst“, einer Veranstaltungsreihe dieser Zeitung, diskutieren Petra Olschowski, Ministerin für Forschung, Wissenschaft und Kunst in Baden-Württemberg, Stefanie Patruno, Direktorin der Städtischen Galerie Karlsruhe, und Kay Kromeier, Geschäftsführer der Galerie Schlichtenmaier und Vorsitzender der Initiative Stuttgarter Galerien zeitgenössischer Kunst. Nikolai B. Forstbauer, Autor dieser Zeitung, moderiert. „KunstLänd – wie weiter?“ ist das Thema, mehr als 250 Besucherinnen und Besucher sind gekommen.

„Die finanzielle Situation ist angespannt“, sagt Kunstministerin Olschowski. Einschnitte stehen bevor, Jahre, die, so Olschowski, nicht nur schwierig, sondern auch schmerzhaft werden. Um in dieser Situation zu bestehen, sagt sie, müsse die Kultur neue Strukturen, Strategien entwickeln. Sie denkt an Kooperationen über institutionelle Grenzen hinweg – auch angesichts dessen, dass in Karlsruhe mit dem Staatstheater, dem Landesmuseum und der Kunsthalle drei Sanierungsprojekte von beträchtlichem Umfang bereits umgesetzt werden, während in Stuttgart etwa die Sanierung des Stirling-Baus der Staatsgalerie erst noch bevorsteht. In Karlsruhe sieht Olschowski ein durchaus produktives Ausweichen auf Räume beispielsweise des ZKM, für Stuttgart die Kooperation mit dem jüngst sanieren Kunstgebäude, das der Staatsgalerie gegenüber liegt.

„Beide Situationen“, sagt die Ministerin, „hätte man nutzen können, um neue Einrichtungen zu schaffen, mit neuem Personal.“ Das geschieht nicht, mit Blick auf die aktuelle Situation – in der Petra Olschowksi bisher ein gesellschaftliches Bekenntnis zu Kunst und Kultur vermisst. „In der Zeit der Pandemie“, sagt sie, „gab es eine Gesellschaft, die der Politik deutlich gemacht hat: Wir wollen, wenn all das vorbei ist, unsere Kultureinrichtungen noch haben. So etwas spüre ich heute nicht.“ Das jüngst vom Bundestag verabschiedete Sondervermögen 2025, so Olschowski, beinhalte Investitionen in alle gesellschaftlichen Bereiche – außer in Kunst und Kultur. Empörung darüber nahm die Ministerin nicht wahr – „Es gibt keine Lobby.“ Ob die Kultur als gesellschaftlicher Raum überleben kann, sagt sie, werde in Zukunft von einer differenzierten Politik abhängen. Und die solle eingefordert werden: „Lasst uns gemeinsam deutlich machen: Wir brauchen Kunst und Kultur in der Gesellschaft, wir wollen die Orte, das Miteinander.“

Die weltpolitische Lage indes stellt für Petra Olschowski das derzeit schwierigste Problem dar. Der Eklat um die Documenta 15 , sagt sie, habe den Kunstbereich grundsätzlich verändert, das Spielfeld der Kunst sei nicht mehr offen. Auch die Situation in Russland, den USA, die Auseinandersetzung mit restriktiven Kräften innerhalb der Demokratien, eröffnen problematische Perspektiven. „Wir stehen vor der Frage: Wie gehen wir damit um, wenn eine Konfliktsituation auf der Welt sich widerspiegelt im kulturellen Raum? Im Moment können wir solche Spannungssituationen nicht über Dialoge auffangen. Wir können nur mit größter Sensibilität an diese Dinge herangehen, auch was Finanzierungen angeht.“

Die Frage ist, inwiefern die Kultur sich in so schwerer Zeit als widerstandsfähig, resilient erweisen kann. Stefanie Patruno zeigt sich optimistisch: Sie sieht im Südwesten eine noch sehr gut aufgestellte, vor allem dicht vernetzte Kulturlandschaft, sie weiß aber auch: „Resilienz ist nicht statisch.“ Kay Kromeier gibt sich ebenfalls optimistisch. „Kunst“, so Kromeier, „kann man nur vor Ort erleben. Wir sind Berater nicht nur für die Künstler, sondern auch für die Sammler, wir bereiten den Boden für alles, was danach kommt.“ In Stuttgart schafft der Galerienrundgang Art Alarm mit 22 Privatgalerien als Panorama der Gegenwartskunst an diesem Samstag (11 bis 20 Uhr) und Sonntag (11 bis 18 Uhr) Öffentlichkeit und wartet mit Features wie einer digitalen Straßenkarte und Führungen durch renommierte Experten auf.

Allerdings: Auch auf die Galerien warten Herausforderungen. Ihr Gesamtumsatz reduzierte sich, der jüngsten Galerienstudie des Instituts für Strategieentwicklung (IFSE) zufolge, seit 2020 von 890 auf 600 Millionen Euro. „Es gibt eine ganze Generation“, so Kromeier, „die uns nicht mehr wahrnimmt, sofern wir unsere Galerien nicht displaytauglich machen.“

Im März 2026 wird der Landtag Baden-Württembergs neu gewählt. Bis dahin zumindest möchte Petra Olschowski die Themen Kunst und Kultur stärker und parteienübergreifend ins Bewusstsein bringen. Sie weiß von den prekären Existenzen im Kunstbereich, setzt aber auch auf private Sammler: „Nur weil die öffentlichen Haushalte kein Geld haben, heißt das ja nicht, dass es kein Vermögen gibt in Deutschland.“ Ein gesellschaftliches Stimmungsbild, das die Bereitschaft signalisiert, für die Kultur zu kämpfen, sieht sie derzeit jedoch nicht.

Sinnbildhaft steht am Ende dieses Abends in der Staatsgalerie das Foto einer Installation des deutsch-türkischen Künstlerduos Özlem Günyol und Mustafa Kunt. Sie richten in der Städtischen Galerie Karlsruhe eine Kletterwand ein, auf der Besucher über fragmentarische Abgüsse von Denkmälern emporsteigen können. Petra Olschowski, Stefanie Patruno und Kay Kromeier haben Wünsche für die Zukunft, die sich ähneln: Ihnen allen geht es darum, die Kunst weiter in den Alltag hinein zu tragen, Strukturen flexibler zu gestalten, aktuelle Themen zu behandeln. „Ich wünsche mir“, sagt Petra Olschowski, „dass es uns gelingt, den enormen Reichtum, den wir haben, in unserer demokratischen Ordnung, zu verteidigen und zu stärken.“