Seit 40 Jahren gibt der SWR im Rahmen der Filmreihe „Debüt im Dritten“ dem Nachwuchs eine erste Chance.
Szene aus dem Debüt „Jenseits der blauen Grenze“
Von Tilmann P. Gangloff
Mit folgender Devise ihrer Vorgängerin Sabine Holtgreve hat die SWR-Redakteurin Stefanie Groß 2006 die Leitung von „Debüt im Dritten“ übernommen: „Diese Arbeit ist wie das Jonglieren mit zehn Bällen in der Luft. Du hast die Verantwortung dafür, dass nicht allzu viele dieser Bälle auf den Boden fallen.“ Damals war die einst von Susan Schulte für den Südwestfunk ins Leben gerufene Reihe bereits fast zwanzig Jahre alt. In den vier Jahrzehnten seit 1985 sind mehr als zweihundert Filme und Serien entstanden, es gab eine Unmenge von Preisen.
Viele längst etablierte Regisseurinnen und Regisseure, darunter neben dem späteren Top-Produzenten Nico Hofmann unter anderem Andreas Dresen, Hartmut Schoen, Hans-Christian Schmid oder Christian Schwochow, allesamt mit allen nur denkbaren deutschen Film- und Fernsehpreisen geehrt, konnten mit Hilfe von SWF und SWR ihre ersten Filme drehen. Womöglich noch länger wäre eine Liste der prominenten Schauspielerinnen und Schauspieler, die für ein „Debüt im Dritten“ zum ersten Mal vor der Kamera standen; Groß nennt unter anderem Jürgen Vogel, Franka Potente, Nina Kunzendorf, Sebastian Bezzel, Hinnerk Schönemann und Oliver Masucci.
Relevant, mutig und wild
Bis heute gilt das Credo der Anfangsjahre, die Nachwuchskräfte in einem geschützten Raum schalten und walten zu lassen, und zwar weitgehend ohne Rücksicht auf die üblichen Rahmenbedingungen. Groß spricht von einem „Freiraum, in dem ästhetisch gewagte, mutige, politisch relevante, unbequeme und wilde Filme entstehen können“. Hier soll nicht das sonst stets miteinbezogene Kalkül des Marktes dominieren, sondern „das Prinzip der Kunst“.
Diesem Ansatz ist die Redaktion bis heute treu geblieben, selbst wenn gerade die Kino-Koproduktionen heutzutage längst nicht mehr so radikal ausfallen wie die Filme der Anfangsjahre. Das hat auch mit einer etwas anderen Ausrichtung zu tun: Damals kreisten die Regisseurinnen und Regisseure, letztere zunächst deutlich in der Mehrheit, sehr um den eigenen Bauchnabel. Das Ergebnis waren oftmals Befindlichkeitsfilme, von denen viele nicht zu Unrecht in Vergessenheit geraten sind, zumal sie nicht nur aus heutiger Sicht mitunter amateurhaft wirkten. Andererseits waren die frühen Jahre auch deutlich experimentierfreudiger.
Seit 1995 gibt es eine Partnerschaft mit der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg und anderen Filmhochschulen. Diese Kooperation hat zu einer klaren Professionalisierung der Produktionen geführt. Die aus Publikumssicht größte Änderung hat jedoch Groß angestoßen, als sie „Debüt im Dritten“ für alle Genres öffnete. Sehr persönlich geprägte Dramen waren zwar weiterhin möglich, aber nun ließen sich im Rahmen der Reihe auch Science-Fiction-, Horror- und Mystery-Geschichten erzählen; mittlerweile sind sogar Serien möglich.
Das Buch zur Reihe
Weiterhin galt und gilt jedoch die Devise, dass die fünf ausgewählten Stoffe laut Groß „inhaltlich relevant oder mutig“ sein und sich nach Möglichkeit durch eine „originelle Perspektive oder erzählerische Virtuosität“ auszeichnen sollen. Das gilt erst recht für die kaum überschaubare Anzahl an Kurzfilmen, die im Rahmen der Reihe entstanden sind. 2024 wurde die „Debüt“-Redaktion mit dem Ehrenpreis der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste gewürdigt. Anlässlich des Jubiläums ist im Schüren-Verlag ein Buch erschienen, das neben Porträts und Interviews inklusive des aktuellen Jahrgangs jeden einzelnen Film würdigt, meist ergänzt um ein Regie-Statement.
Die diesjährige Reihe startet am Sonntag, 9. November, um 22.45 Uhr mit „Jenseits der blauen Grenze“, einem gerade von den jungen Mitwirkenden sehr intensiv gespielten Jugenddrama über eine lebensgefährliche Flucht aus der DDR. Nicht minder sehenswert ist „Alles in bester Ordnung“ (16. November). Das Regiedebüt der „Christiane F.“-Darstellerin Natja Brunckhorst ist eine mit viel Liebe zu den Figuren erzählte und schön gespielte zärtliche Komödie mit Corinna Harfouch als Messie und Daniel Sträßer als Gegenentwurf. Beide Filme stehen ab dem 7. November in der ARD-Mediathek.
Jan Berning / Stefanie Groß / Manfred Hattendorf (Hg.): „Debüt im Dritten. Eine Chance für den Nachwuchs“. Schüren-Verlag, Marburg. 424 Seiten, 38 Euro.