Die Nachbarin sitzt in der ersten Reihe

Backnanger Bürgerbühnendarsteller erzählen über die Produktionen und ihre Erlebnisse in den vergangenen fünf Jahren

Seit 2013 gibt es die Backnanger Bürgerbühne im Bandhaus-Theater. Viel Erfahrung hat das Amateurensemble inzwischen bei verschiedenen Inszenierungen mit Profiregisseuren gesammelt. Aufgrund der großen Nachfrage gehen die Aufführungen des aktuellen Stücks „Arsen und Spitzenhäubchen“ in die Verlängerung.

Die Nachbarin sitzt in der ersten Reihe

Schauspielerei ist ihr Hobby: Die Bürgerbühnendarsteller arbeiten von Anfang an mit Profis zusammen. Foto: J. Fiedler

Von Claudia Ackermann

BACKNANG. Es war die Initiative der Theaterleiterinnen Jasmin Meindl und Juliane Putzmann, die 2013 die Backnanger Bürgerbühne (BBB) ins Leben riefen. Für das Stück „Ein Fußballabend – Das Spiel dauert 90 Minuten“ wurden Laienschauspieler gesucht. Was die Bürgerbühne von anderen Laientheatergruppen abhebt, ist die Möglichkeit, mit professionellen Regisseuren zusammenzuarbeiten. „Und die erwarten gewisse Leistungen“, weiß Sylvie Bollinger, die in der aktuellen Produktion „Arsen und Spitzenhäubchen“ eine Hauptrolle spielt. Gaby Miletic spielt im Stück die andere der beiden reizenden alten Damen, die ein mörderisches Geheimnis haben. Wie bei der ersten Produktion der Bürgerbühne führt wieder Boris C. Motzki Regie. Aber in den vergangenen Jahren hat man mit verschiedenen anderen Regisseuren zusammengearbeitet. „Ich habe mich persönlich weiterentwickelt“, sagt Gaby Miletic. Bei jeder Inszenierung werden verschiedene Anforderungen gestellt.

Für einige waren die gesanglichen Parts die größte Herausforderung

Beim Stück „Pension Schöller“ machte Regisseur Christian Schidlowsky ausgiebige Rollenarbeit mit den Darstellern. Die Biografien der Rollen wurden besprochen. Über simples Textlernen ging das weit hinaus. Bei der Inszenierung der „Dreigroschenoper“ unter der Regie von Barbara Lackermeier standen die Darsteller auch als Solosänger auf der Bühne. „Für mich war das die größte Herausforderung“, sagt Ralf Kleinpeter, der schon seit der Gründung der Bürgerbühne dabei ist. Eine große Hilfe sei das Coaching von Catrin Müller, Gesangslehrerin an der Jugendmusikschule, gewesen. Dem Bandhaus-Theater steht ein Netzwerk zur Verfügung, um die Amateurschauspieler zu unterstützen und weiterzubilden. Auch für Benjamin Adlung war es eine Überwindung, im Scheinwerferlicht ein Solo zu singen. „Es war grandios, was wir im Gesangsunterricht gelernt haben“, unterstreicht er. Gesang ist dagegen für Matthias Wagner das kleinste Problem. Als A-cappella-Sänger bei den Singkronen hat er Erfahrung. Als singender Mönch wurde er bei der Bandhaus-Produktion „Judith von Backnang“ eingesetzt und fand so den Zugang zum Theater. So wächst die Bürgerbühne auch durch Verknüpfungen der verschiedenen Aktivitäten im Bandhaus-Theater. Andere BBB-Mitglieder hatten ebenfalls bei „Judith von Backnang“ mitgewirkt. Es war eine wertvolle Erfahrung, mit professionellen Schauspielern zusammenzuarbeiten, unterstreicht Volker Seifert.

Seit 2016 ist die Bürgerbühne ein eingetragener Verein mit der Vorsitzenden Mieke Müller-Nielsen und inzwischen Mitglied im Landesverband Amateurtheater Baden-Württemberg. Beim Einüben mit den Regisseuren wird meist täglich geprobt. Für Wiederaufnahmeaufführungen unterstützen Regieassistenten oder die Theaterleiterinnen die Darsteller. „Mit der Zeit wird man gelassener und ruhiger“, sagt Elisabeth Bott, das älteste Mitglied im Ensemble über ihre Erfahrung auf der Bühne. Demnächst feiert sie ihren 80. Geburtstag. Ganz unterschiedliche Altersgruppen sind bei der Bürgerbühne vertreten. Tim Fiechtner ist 18 Jahre alt und seit Oktober 2018 dabei. In der Theater-AG des Bildungszentrums Weissacher Tal ist er aktiv, die von Juliane Putzmann geleitet wird. Als ein Darsteller bei der Bürgerbühne ausfiel, wurde er gefragt, ob er einspringen könne. Das jüngste Mitglied der Truppe ist Hannes Ischinger, der in der Technik mitarbeitet. In seiner Schultheater-AG hat der 15-Jährige Erfahrungen für diese Aufgabe erlangt. Neben der BBB gibt es noch die Junge Bürgerbühne, wobei sich die Besetzungen teilweise überschneiden.

Die größte Herausforderung ist es, als Backnangerin vor Backnanger Publikum zu stehen. „In einem Stück bin ich Hure, dann Pfarrer“, schmunzelt Elisabeth Bott. „In letzter Zeit trifft es mich immer wieder in der Rolle als Mann, da muss man sich halt reinfinden“, sagt Sylvia Kappel. Alle sind mit der Rollenauswahl der erfahrenen Regisseure völlig einverstanden, auch wenn es für sie manchmal befremdlich ist, dass die Nachbarin oder der Arbeitskollege in der ersten Reihe sitzt. „Als die abgewrackte Hure Spelunken-Jenny stand ich in der Dreigroschenoper auf der Bühne. Aber ich habe mich da voll wohlgefühlt“, erzählt Gaby Miletic lachend. Und Sylvie Bollinger, die andere Hauptdarstellerin im Stück „Arsen und Spitzenhäubchen“, in dem es um heimtückische Giftmorde geht, fügt augenzwinkernd hinzu: „Inzwischen trinkt mein Mann keinen offenen Wein mehr von mir.“

Die Aufführungen 2019 von „Arsen und Spitzenhäubchen“ im Bandhaus-Theater, Petrus-Jacobi-Weg 7, waren restlos ausverkauft. Deshalb wurden Zusatztermine für Sonntag, 3. März, um 17 Uhr, Freitag, 8. März, um 20 Uhr und Sonntag, 10. März, um 17 Uhr angesetzt.

Die Nachbarin sitzt in der ersten Reihe

Gaby Miletic und Sylvie Bollinger spielen die vermeintlich harmlosen alten Damen in „Arsen und Spitzenhäubchen“. Foto: A. Becher