Die Tür des Clubs schließt für immer

Gästezahlen gingen seit Jahren konstant zurück – Nachnutzer für die Räume ist bislang noch nicht gefunden

Eine Ära geht zu Ende. Die Rockdisco Club, die 1965 erstmals ihre Pforten öffnete, schließt endgültig zum Jahresende. Reinhard Kobald, den seine Gäste als Chap kennen, war mit Unterbrechungen ein halbes Jahrhundert mit dem Lokal verbunden, das einst der angesagteste Treffpunkt für junge Leute in Backnang war.

Die Tür des Clubs schließt für immer

Reinhard „Chap“ Kobald, Betreiber der Rockdiscothek, schaut zufrieden auf die zwölf Jahre zurück, für die er den Club aus der Versenkung geholt hat. Foto: A. Becher

Von Claudia Ackermann

BACKNANG. Die Zeiten sind lange vorbei, als die jungen Leute auf der Treppe zum Club im ersten Stock Schlange standen bis weit auf die Straße hinaus, um fünf Mark Eintritt zu bezahlen und noch einen Stehplatz in der verrauchten Rockkneipe zu ergattern. Bis ins Jahr 1964 gehen die Anfänge zurück, als ein paar Gymnasiasten im Gewölbekeller der Gaststätte Deutscher Kaiser in der Stuttgarter Straße 37 den „Donna-Club“ gründeten. Ein Jahr später zog man in den leer stehenden Tanzsaal in der ersten Etage um. Der Club war geboren. Bis Mitte der 80er-Jahre boomte die Rockdisco und spiegelte das Lebensgefühl einer ganzen Generation wider.

Reinhard „Chap“ Kobald kam 1968 als 16-Jähriger dazu und legte fast 20 Jahre lang als DJ Platten auf. Mitte der 80er-Jahre kam die Wende für den Club – Rockmusik war nicht mehr so gefragt, Disco, Punk und die Neue Deutsche Welle führten nun den Musikgeschmack an. Andere Discotheken eröffneten. Schließlich kam 1993 das Aus für die Betreiber.

Musikgeschmack der jungen Leute hat sich mit der Zeit verändert

Es folgten wechselnde Belegungen, die jedoch alle nicht von langer Dauer waren. Als 2006 die Räumlichkeiten wieder einmal leer standen, entschloss sich Chap zusammen mit Walter „Hucky“ Haak den Club wiederzubeleben, wenn auch nur an den Wochenenden. Zunächst wurde der wiedereröffnete Club von den alten Hasen gut angenommen, die sich hier in ihre Jugend zurückversetzt fühlten „2007 war ein super Jahr“, sagt Chap zurückblickend. Ab 2008 führte er das Lokal allein neben seiner Berufstätigkeit als Industriekaufmann. In diesem Jahr kam das Rauchverbot, was einen großen Einbruch bei den Gästezahlen bedeutete. Eine Rockdisco, in der man nicht rauchen darf, war für viele Besucher aus früheren Zeiten undenkbar. Am Nachwuchs fehlte es. Der Musikgeschmack der jungen Leute hatte sich natürlich verändert. Eine Zeit lang entdeckte eine Gruppe von Gymnasiasten die Retrodisco für sich und kam häufig. Schon ihre Eltern haben im Club abgerockt. Doch das sollte nicht von langer Dauer sein. Ihr Studium verschlug sie in andere Städte und eine neue junge Clique bildete sich nicht.

Für Chap bedeutete es viel Arbeit, alle organisatorischen Dinge im Gastronomiebetrieb neben seinem Hauptberuf zu bewältigen. Aber auch, wenn die Einnahmen manchmal gerade kostendeckend waren, war er immer mit viel Engagement dabei. Er veranstaltete Livekonzerte, seit 2009 an jedem Wochenende. Eintritt verlangte er nicht. Rund 230 Livekonzerte mit über 100 verschiedenen Bands hat er im Club organisiert.

Seit 2012 ist Chap nicht mehr in seinem Hauptberuf tätig, doch die Arbeit reißt nicht ab. Obwohl der Club nur noch samstags geöffnet hat, ist der Chef fast jeden Tag da, um etwas zu erledigen. Kleinere Reparaturen hat er immer selbst gemacht. Der Wareneinkauf muss abgewickelt werden. Sogar die Plakate für die Konzerte klebt er eigenhändig.

Trotz aller Bemühungen sind die Gästezahlen weiter zurückgegangen. Die Discogänger von einst sind eben auch älter geworden und schlagen sich nicht mehr die Nacht um die Ohren. In diesem Zusammenhang benutzt Chap gerne den Begriff „Magnetsofa“. Die Jungen haben dagegen ein ganz anderes Ausgehverhalten. Sie kommen vor 23 Uhr nicht in die Disco und möchten am liebsten bis in die Morgenstunden feiern. Für eine einzelne Gruppe lohnt sich das jedoch für den heute 66-Jährigen nicht. Außerdem ist die Ausstattung des Clubs, wie etwa die Theke und die Unterthekenkühlung, sehr in die Jahre gekommen. Investitionen zu leisten, rentiert sich für den Club-Betreiber nicht. „Man muss den Karren nicht erst gegen die Wand fahren, sondern den Gegebenheiten ins Auge schauen und dann aufhören, wenn es vernünftig ist.“ Ein Nachnutzer für die Räumlichkeiten ist noch nicht gefunden. Chap schaut zufrieden darauf zurück, dass er den Club noch einmal für zwölf Jahre aus der Versenkung holen konnte. „Es war eine schöne und interessante Zeit, und jetzt ist für mich die Zeit, zu sagen, dass es genug ist.“ Die Rockmusik bleibt seine Leidenschaft. Er freut sich nun darauf, sich ausgiebiger mit seiner umfangreichen Platten- und CD-Sammlung zu beschäftigen.

Kurz vor Silvester wird das

letzte Konzert im Club gespielt

Am Samstag, 29. Dezember, ist der Club zum letzten Mal geöffnet. Es spielt die Band Jonny & The Axemen mit Jonny Akehurst. Zu hören sind Hits zum Beispiel von Queen, den Doors und Green Day und zum krönenden Abschluss das von Jonny grandios gesungene „Hallelujah“ von Jeff Buckley. Einlass ist um 21 Uhr. Das Konzert beginnt um 21.30 Uhr. Eintritt frei – der Hut geht rum.