Diese Frauen haben Eier

Bands von hier Die AC/DC-Coverband She’s Got Balls (übersetzt: „Sie hat Eier“) stand vor Corona so gut wie jedes Wochenende auf der Bühne. Und das nicht nur in Deutschland, sondern europaweit. Frontfrau Iris Boanta wurde bereits zur „besten deutschen Metalsängerin“ gekürt.

Diese Frauen haben Eier

Die AC/DC-Coverband She’s Got Balls ist eine reine Frauenband. Von links nach rechts: Conny Marshall, Cathleen Catman, Iris Boanta, Anja Assmuth und Jani Näckel . Foto: E. Bohnenstengel

on Marina Heidrich

Burgstetten. Wenn man Iris Boanta im beruflichen Büroalltag trifft, fällt zunächst ihre freundliche, zugewandte Art auf. Zierlich, klein, langes honigblondes Haar – und eine sanfte, fast leise Sprechstimme. So kommt die Burgstettenerin mit den dunklen Augen rüber. Dann sieht, nein, erlebt man sie auf der Bühne. Und hat das Gefühl, live bei einem Vulkanausbruch dabei zu sein.

Mit ihrer Band „She’s Got Balls“ steht Boanta seit 2014 nicht nur bundesweit, sondern auch in Ländern wie Belgien und den Niederlanden so gut wie jedes Wochenende auf der Bühne. Zumindest war das in der Zeit vor Corona so. Erstaunlich für eine Band, die ihr Geld nicht hauptberuflich mit Musik verdient. Noch erstaunlicher ist, dass es sich um eine reine Coverband handelt, die Lieder von AC/DC in herausragender Qualität nachspielt. Am meisten überrascht aber: Es ist eine reine Frauenband. Die fünf Ladys kommen aus verschiedenen Bundesländern: Anja Assmuth am Schlagzeug lebt in Dortmund, Basserin Conny Marschall in Offenbach, Leadgitarristin Cathleen Catman in Weimar und Rhythmusgitarristin Jani Näckel in Köln. Und mittendrin wirbelt Hurrikan Iris Boanta aus Burgstetten über die Bühne und singt sich die Seele aus dem Leib. Das Publikum tobt, wie man unschwer bei den zahlreichen Youtube-Videos der Band sehen und hören kann (zu einem der Videos führt der QR-Code am Textende).

Die Frauen der Band proben nicht miteinander, jede spielt zu Hause für sich

Was man ebenfalls kaum glauben mag: Aufgrund der örtlichen Distanz proben die fünf Frauen nicht miteinander. Jede spielt zu Hause für sich. Das geht, weil alle sich an die Originaltonart der Lieder halten. Der Zusammenhalt zwischen den Bandmitgliedern ist trotzdem groß. Nach jedem Konzert schreiben die Frauen einander, dass sie gut zu Hause oder im Hotel angekommen sind. Erst wenn sich auch die Letzte gemeldet hat, gehen alle ins Bett.

Doch wer ist nun dieser Wirbelwind Iris Boanta, Burgstettens Metalkönigin – diese Frau, die privat so ruhig und bescheiden auftritt? Starallüren sind Iris Boanta fremd, sie ist immer auf dem Boden der Tatsachen geblieben. Vielleicht hat dies mit ihrer Vergangenheit zu tun. Die heute 48-Jährige wird in Rumänien geboren, ihre Eltern haben griechisch-rumänische und deutsch-rumänische Wurzeln. Iris ist kaum zwölf Jahre alt, als die Familie nur mit ein paar Koffern dem Regime von Diktator Nicolae Ceaușescu entflieht.

Boantas’ Oma lebt in Heilbronn, daher lässt sich die Familie zunächst dort nieder. „Oma sagte immer: ‚Jetzt bist du hier, jetzt wird auch Deutsch gesprochen‘“, erzählt Boanta. Und ist froh darüber, dass die Großmutter in diesem Punkt so streng war – denn dadurch schafft es das sprachbegabte Mädchen innerhalb von sechs Monaten erfolgreich auf ein Gymnasium. „Die Serie ‚Lindenstraße‘ hat mir beim Deutschlernen geholfen, ich habe damals keine Folge verpasst“, lacht die Sängerin. Bereits als Teenager beginnt sie zu singen, nachdem sie zunächst Gitarre spielen gelernt hat. „Aber das war so gar nicht meins.“ Durch ihre außergewöhnliche Stimme werden schnell Metalbands auf sie aufmerksam. Iris’ Präsenz sorgt rasch für eine große Fanschar, egal bei welcher Formation sie singt.

Dabei läuft im Leben der charismatischen Rockkönigin durchaus nicht alles rosig. Gesundheitlich, menschlich, beruflich – Boanta hat so manchen Kampf zu bestehen. Die zahlreichen Auftritte neben ihrem „Brotberuf“ zehren an ihren Kräften – aber sie geben ihr auch die nötige Energie, um den Alltag durchzustehen. Und in der Natur rund um Backnang und Burgstetten tankt sie beim Radfahren ihre Batterien auf.

Die Metalkönigin singt seit einiger Zeit auch emotionale Melodien und Balladen

Fachlich ist Iris Boanta durchaus in einer Liga mit Metalqueen Doro Pesch zu nennen. 2013 wird sie bei der 31. Verleihung durch den Deutschen Rock- und Popverband mit dem ersten Preis in der Kategorie „Beste Metalsängerin“ ausgezeichnet. Eine Woche später tritt sie bei der weltweit größten Fachmesse für sportliche Fahrzeuge, der Essen Motor Show, in der DMAX-Motorsport-Arena auf und singt die offizielle Hymne „For drivers and dreams“.

Da kann man sich schon fragen: Wieso lebt jemand wie Iris Boanta seit Jahren im beschaulichen Burgstetten? Die Sängerin strahlt: „Natürlich aus dem schönsten Grund der Welt: Liebe.“ In der Metalszene kennt man sich und so nimmt sie vor vielen Jahren zunächst eher beiläufig den Gitarristen einer anderen Band wahr. In der Rockfabrik in Ludwigsburg trifft sie ihn zufällig wieder. Die beiden unterhalten sich und der sagenumwobene Funke springt zwischen Iris Boanta und Rodrigo über, der nach der Hochzeit den Nachnamen seiner frischgebackenen Ehefrau annimmt. Roddy, wie ihn alle nennen, lebt schon immer in Burgstetten, Iris fühlt sich sehr schnell dort wohl.

Gibt es musikalisch überhaupt noch eine Herausforderung für die Metalqueen? Iris Boantas Stimme ist einzigartig, voller maskuliner Power, rau, dynamisch, fordernd. Seit einiger Zeit hat sie aber auch andere Facetten für sich entdeckt, große Balladen, sanfte Zwischentöne, hoch emotionale Melodien im Stil von Popdiven wie Adele oder Lady Gaga. Mit gefühlvollen Liedern erweitert Boanta kontinuierlich ihr Repertoire. Ihr Mann Rodrigo unterstützt sie dabei musikalisch. Doch ihre Fans müssen vorläufig keine Angst haben, sie im harten Musikbereich zu verlieren, für She’s Got Balls wird sie weiterhin über die Bühne wirbeln. Für 2022 und sogar 2023 stehen schon Konzerte an. Sofern die Pandemie es zulässt.

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