Ein Abend voller Emotionen

Der Sänger und Entertainer Marc Marshall zieht das vor allem an Kabarett gewöhnte Publikum der Gruschtelkammer bei seinem Auftritt in der Auenwaldhalle sofort in seinen Bann.

Ein Abend voller Emotionen

Marc Marshall präsentierte in Auenwald sein Programm „Herzschlag“. Foto: J. Fiedler

Von Wolfgang Gleich

AUENWALD. Er sei stolz darauf, dass es der Gruschtelkammer gelungen sei, bis in den Mai hinein ein vollständiges Veranstaltungsprogramm auf die Beine zu stellen, begrüßte Karl-Heinz „Charley“ Graf am Mittwoch das Publikum, nicht wie gewohnt in der Sängerhalle, sondern in der Auenwaldhalle. In der Sängerhalle hätten noch nicht einmal 40 Gäste Platz gefunden, und es wäre unmöglich gewesen, darin ein Hygienekonzept umzusetzen, bedauerte Graf im Gespräch am Rande der Veranstaltung. Die Auenwaldhalle habe natürlich nichts mit Kleinkunst zu tun, „aber wir sind für unser Publikum und unsere Künstler da, solange es möglich ist und solange es uns erlaubt ist“. Um wenigstens ein klein wenig heimelige Atmosphäre herbeizuzaubern, habe man unter strikter Beachtung der Abstandsregeln die Stühle fürs Publikum paarweise zusammengestellt, und zu jedem Stuhlpaar ein kleines Tischchen dazu platziert, als Ablage für Getränke und Snacks, die selbstverständlich bis zum Beginn der Vorstellung gereicht wurden, und für eine kleine elektrische Kerze, die den Saal in ein schummeriges Halbdunkel tauchte, nachdem das Konzert begonnen hatte. „Wenn das große Licht in der Halle ausgeht, dann richtet sich die Aufmerksamkeit aller sowieso auf die Bühne“, so Graf.

Den Star des Abends, den Sänger und Entertainer Marc Marshall, habe er vor ungefähr einem Jahr bei einem Golfturnier kennengelernte, erzählte Graf, ein unheimlich netter Typ, ein bescheidener und warmherziger Mensch, wie er einem nur selten im Leben begegne. Eigentlich passe dessen Musik ja nicht zu einer Kleinkunstbühne, in die Gruschtelkammer gehöre kein Schlagerabend. Aber als im Anschluss an das Golfturnier Marshall zur Gitarre gegriffen und aus dem Stand heraus ein paar Lieder vorgetragen habe, sei er sowohl vom „wahnsinnigen Repertoire“ wie auch von der Präsenz des Künstlers schier erschlagen worden. Und das gehöre dann wieder unbedingt in die Gruschtelkammer.

Dass dies ein ganz besonderer Abend werden würde, der noch lange bei jedem der Konzertbesucher nachklingen wird, wurde bereits beim ersten Stück deutlich: die von dem Choral „O Haupt voll Blut und Wunden“ aus Johann Sebastian Bachs Matthäuspassion inspirierte Softrockballade „Bridge over troubled water“, aus der Feder von Paul Simon und 1970 erstmals als Solovortrag von Art Garfunkel veröffentlicht. Angespielt wurde das Lied von dem Pianisten Rene Kroemer, der durch den Abend begleitete. Bereits mit den ersten beiden Versen „When you’re weary, feeling small, when tears are in your eyes, I will dry them all“ (Wenn du erschöpft bist, dich klein fühlst, wenn deine Augen voller Tränen sind, werde ich sie alle trocknen) gehörte das Publikum Marc Marshall. Der Bariton des studierten Opernsängers reichte hinein bis in den letzten Winkel der Halle, er schlug in Bann, nahm gefangen, sogar ohne Mikrofon und Lautsprecher. Er bestand mühelos auch mit „Du bist die Welt für mich“ aus der 1934 von Richard Tauber geschriebenen Operette „Der singende Traum“.

Zwischen den einzelnen Liedern erwies sich Marc Marshall – mit bürgerlichem Namen Marc Robert Hilger – als begnadeter, humorvoller und gleichermaßen charmanter Erzähler. Nicht nur, dass er sich als Badener ausdrücklich für die ihm erwiesene Gastfreundschaft und freundliche Aufnahme in Auenwald bedankte. Er erzählte über seine Kindheit als Sohn einer Hausfrau, die alles zusammenhielt, und des „über lange Zeit erfolglosen Opernsängers“ Herbert Anton Hilger alias Tony Marshall, der sich auch schon mal als Kaufladenbetreiber und Kneipenwirt versucht hatte, nachdem er mit seiner ersten Schallplatte und dem Chanson „Wenn du allein zu Hause bist“ einen absoluten Flop erlebt hatte. Völlig zu Unrecht, wie Sohn Marc bewies, der an diesem Abend auch mit diesem Titel zu begeistern wusste. Über die Kindheit und Jugend als Sohn eines der inzwischen „bekanntesten Köpfe Deutschlands“, über gemeinsame Auftritte mit dem Papa bereits 1970 in Chicago, das Auffinden des eigenen Wegs, davon erzählte Marc Marshall an diesem Abend. Auch davon, dass er seit 16. März mehr als 150 Konzerte gegeben habe, per Smartphone auf Facebook und Instagram, als Livestream, vor Altersheimen und in Kirchen. Er sei dankbar für die Begabung, die ihm geschenkt worden sei und die dazu beitrage, um auch durch diese schwere Zeit hindurchzukommen. Womöglich lag es daran, dass der Beifallssturm für Marshalls und Kroemers Interpretation des von Udo Jürgens komponierten und Michael Kunze getexteten Chansons „Was wichtig ist“ schier kein Ende nehmen wollte.