Ein vergessener Roman, ein Koffer und eine Frau, die im Exil gegen die Nazis kämpfte - warum Mopsa Sternheims Werk heute für Aufsehen sorgt.
Gisela Niemöller und Rudolf Fietz haben den Roman der Widerstandskämpferin Mopsa Sternheim rekonstruiert.
Von dpa
Oldenburg/Düsseldorf - Jahrzehntelang galt der Roman als verschollen, dann taucht das Manuskript in einem alten Koffer in der Oldenburger Landesbibliothek wieder auf: Experten haben zwei Jahre lang Satz für Satz rekonstruiert und den einzigen Roman der Widerstandskämpferin Mopsa Sternheim nun veröffentlicht. Sie könne es noch immer kaum glauben, sagt Corinna Roeder, Direktorin der Landesbibliothek. "Das ist eine literarische Sensation." Der Roman "Im Zeichen der Spinne" wird heute Abend (19 Uhr) erstmals in der Bibliothek vorgestellt.
Von der Bildungsbürgerin zur Widerstandskämpferin
Mopsa Sternheim - mit vollem Namen Dorothea Elisabeth Sternheim - war nicht irgendwer, erzählt Roeder. "Dorothea Sternheim ist die Tochter sehr bekannter Leute." Ihr Vater Carl Sternheim war einer der wichtigsten Bühnenautoren der 20er Jahre, die Tagebücher ihrer Mutter Thea Sternheim zählen bis heute zu den Werken im Deutschen Literaturarchiv Marburg. Mit dem Roman trete Mopsa Sternheim jetzt aus dem Schatten ihrer Eltern hervor, glaubt Roeder.
Sternheim wurde 1905 in Düsseldorf geboren. Sie war Teil der Bildungselite - an den Wänden in ihrem Elternhaus hingen Gemälde van Goghs und Renoirs, Künstler und Politiker gingen ein und aus. Zu ihrem Freundeskreis zählten unter anderem Klaus und Erika Mann. Als die Nazis an die Macht kamen, floh die Bühnenbildnerin nach Paris. Im Exil leistete sie Widerstand, bis sie von der Gestapo verhaftet und gefoltert wurde. Sie kam in mehrere Lager, bis Kriegsende war sie im Konzentrationslager Ravensbrück.
"Sie hat schwer traumatisiert überlebt", berichtet Roeder. Das Schreiben habe ihr damals geholfen, im Roman verarbeitet sie die Erlebnisse. Sie erzählt in dem Text, was es für eine Frau der 1920er und 1930er Jahre bedeutete, wenn in einer desillusionierten Gesellschaft Rassismus, Intoleranz und Gewalt zunehmen. "Das galt für die damalige Zeit - und jetzt liest man es auch wieder mit hoher Aufmerksamkeit."
Manuskript bleibt unentdeckt in einem Koffer
Der Roman sei aktueller denn je und literarisch hervorragend geschrieben, schwärmt die Leiterin der Landesbibliothek. "Mit einer ganz eigenen, schillernden Sprache." Vor ihrem Tod im Jahr 1954 infolge einer Krebserkrankung hält Sternheim in ihrem Testament fest, dass ihr Freund - der Oldenburger Kunsthistoriker Gert Schiff - den Roman erhalten und veröffentlichen soll. "Das hat er wohl auch ein-, zweimal versucht, aber ohne Erfolg", berichtet Roeder.
Das Manuskript gerät in einem Koffer in Vergessenheit. Vor zehn Jahren übergibt die Stiftung Gert Schiff das Erbe an die Landesbibliothek. "Der Koffer wurde geöffnet und gleich wieder zugemacht", sagt Roeder. Zu groß sei das Chaos gewesen, mit unzähligen Päckchen und einzelnen Seiten.
"Es gibt kein Blatt, das ohne Korrekturen oder Varianten auskommt", berichtet Rudolf Fietz, der lange Zeit stellvertretender Leiter der Landesbibliothek war und sich in seinem Ruhestand schließlich dem Koffer angenommen hat. Die vielen Korrekturen zeugen von Sternheims selbstkritischer, mitunter von Zweifeln geprägter Arbeit. "Sie war eine tief nachdenkliche Person", ist Mitherausgeberin Gisela Niemöller überzeugt. Beide haben sich den Koffer mit all den Zetteln noch einmal genauer angeschaut - und beschlossen, das Werk zu vollenden.
Das Manuskript zum einzigen Roman der Widerstandskämpferin Mopsa Sternheim galt lange als verschollen. Nun wurden die Seiten in einem Koffer in Oldenburg wiederentdeckt.