Ein Ort, drei Künstlerpersönlichkeiten

Seit 17 Jahren betreiben Dani Lüdecke, Regine Ahrendt und Jo Nagel ihr Atelier X-Fluss im alten Schulhaus in Althütte. Den Austausch erleben die drei als bereichernd für ihre künstlerische Arbeit, die von Skulpturen über Glas- und Filzobjekte bis zu Gemälden und Bekleidung reicht.

Ein Ort, drei Künstlerpersönlichkeiten

Kreative Köpfe in ihrem Atelier X-Fluss im alten Schulhaus in Althütte (von links): Jo Nagel, Dani Lüdecke und Regine Ahrendt. Foto: A. Becher

Von Annette Hohnerlein

Althütte. „Hier im Haus findet kulturelles Leben statt“, stellt Regine Ahrendt fest. Und in der Tat ist das historische Schulhaus neben dem Althütter Rathaus so etwas wie das kulturelle Zentrum der Gemeinde. Im ersten Stock des Gebäudes, in dem 1888 die Politikerin und Schriftstellerin Anna Haag geboren wurde, ist das Heimatmuseum untergebracht, im Erdgeschoss befindet sich der Jugendtreff „Revier“. Im zweiten Stock haben sich drei bildende Künstler niedergelassen: Dani Lüdecke, Regine Ahrendt und Jo Nagel. Im Jahr 2004 bezogen sie – nach anderthalb Jahren Renovierung – das Dachgeschoss und nutzen seither die Räume, um ihre Arbeiten auszustellen und Kurse abzuhalten.

Aber nicht nur das: „Das ist unser Treffpunkt, hier tauschen wir uns aus, hier werden Feste gefeiert“, erzählt Regine Ahrendt. Und Dani Lüdecke ergänzt: „Hier ist Leben, die Atmosphäre ist sehr anregend.“ Geprägt wird diese Atmosphäre vom Charme des Altbaus mit seinen knarrenden Dielen, den schrägen Wänden und den kleinen Fenstern, von denen aus man über die Wälder rund um Althütte blickt. „Es entstanden gegenseitige Impulse und Anregungen, ein fließender Austausch von Ideen“, erinnern sich die Künstler. So kam es zu dem Namen, den die drei ihrer Ateliergemeinschaft gaben: X-Fluss. Dabei steht Fluss für das Fließende, sich stetig Verändernde, X für das Unbekannte und Überraschende, für das ein kreativ Schaffender offen sein muss.

Beim Gang durch die Räume fällt zunächst die ungeheure Vielseitigkeit des Künstlertrios auf. Materialien wie Holz, Glas, Wachs, Filz, Metall und Stein, Gemaltes, Gefilztes, Gelötetes, winzig klein oder raumhoch, reduziert und abstrakt oder witzig und verspielt: Dem Auge wird ordentlich was geboten.

Ein Schwerpunkt von Jo Nagels Arbeit sind Glasobjekte. Das Licht hat es ihm angetan, wie es darin gebrochen und reflektiert wird. Die sogenannte Tiffanytechnik, ursprünglich für das Verbinden von Glaselementen erfunden, hat Nagel auf alle möglichen Materialien ausgeweitet: Holzstücke, Steine, Besteck, Federn, einen Spiegel, all das kann er mithilfe von Kupferfolie und Lötzinn miteinander verbinden. „Was mir durch den Kopf springt, versuche ich abzuarbeiten“, erklärt der Künstler seine Herangehensweise. Das gilt auch für seine Bilder aus Naturmaterialien, für die er Erde aus der Region und gemahlene Ziegel mit Acrylbinder vermischt und auf eine Holzplatte aufträgt.

Nagels Frau Dani Lüdecke hat sich der Bildhauerei verschrieben, früher arbeitete sie mit Stein, in den letzten Jahren zunehmend mit Holz. Dabei spürt sie dem Eigenleben des Materials nach und geht darauf ein. Das Ergebnis sind schlichte organische Formen von archaischer Anmutung, wie etwa eine mannshohe durchbrochene Skulptur aus Pappelholz. Ganz anders kommen ihre sogenannten „funny faces“ daher. Aus Holzabfällen, Recyclingmaterialien und Farbe entstehen kleine bunte Gesichter, lachend, grimmig, verschmitzt, eben „Schlechte-Laune-Killer“, so der Name der Serie, die derzeit im Atelier hängt.

Die Dritte im Bunde, Regine Ahrendt, hat ihre Wurzeln im textilen Bereich. Ihre Filzobjekte in warmen Farben verführen zum Anfassen, das weiche Material will mit den Händen erkundet werden. Außerdem stellt sie gefilzte und gewebte Kleidungsstücke her und gestaltet Objekte aus Pappmaschee. In den letzten Jahren hat sie den Schwerpunkt ihrer Arbeit auf die Malerei verlegt, ihre Öl- und Acrylbilder in glühenden Farben und weichen fließenden Formen wecken Assoziationen an Landschaften.

Regine Ahrendt und Jo Nagel geben ihr Wissen auch in Kursen für Kinder und Erwachsene weiter, so an der Backnanger Jugendmusik- und Kunstschule, bei Ferienprogrammen verschiedener Gemeinden oder an Grundschulen in der Umgebung.

Alle drei Künstler wohnen in Althütte und arbeiten vorwiegend bei sich zu Hause. Das Atelier im alten Schulhaus nutzen sie als Ausstellungs- und Kommunikationsort sowie für Kurse. Ein Abend in der Woche ist dem Austausch und der Geselligkeit vorbehalten. Dann setzen sie sich an dem großen Tisch in der Küche zusammen, um gemeinsam Objekte zu löten. Denn X-Fluss ist keine reine Zweckgemeinschaft, das spürt der Besucher sofort. Die Stimmung unter den dreien ist entspannt und vertraut, es wird viel gelacht. Kein Wunder, sie sind seit vielen Jahren freundschaftlich verbunden, zuerst als Nachbarn, dann als Ateliergemeinschaft.

Früher war das Atelier einmal in der Woche für Besucher geöffnet. Da konnte man die ausgestellten Arbeiten betrachten, sich im Gespräch mit den Künstlern austauschen oder Jo Nagel beim Arbeiten mit Glas über die Schulter schauen. Die Coronapandemie hat dieser Tradition vorläufig ein Ende gesetzt, ein Besuch ist derzeit nur nach vorheriger Anmeldung möglich. Aber Jo Nagel teilt mit: „Dieser feste Öffnungstermin soll nach Corona wieder weitergeführt werden, damit das Atelier auch für unsere Gäste und Besucher ein ganz besonders kreativer Ort bleibt.“