Eine Stadt –viele Blickwinkel

Ausstellung „Backnanger Ansichten“ in der Galerie im Backnanger Helferhaus eröffnet eine neue Sicht auf die Stadt

Backnang ist vielseitig. Ebenso wie die Ansichten auf die Stadt oder die Ansichten der Menschen auf ihr Backnang. Das beweist die Ausstellung „Backnanger Ansichten“, die gestern in der Galerie im Helferhaus eröffnet wurde. Sie zeigt Grafiken und Gemälde der Stadt, die sie in ihrer Architektur und in ihrem Wesen erfassen. Zudem eröffnen sich dem Betrachter neue Sichtweisen auf längst bekannte Ecken der Stadt.

Eine Stadt –
viele Blickwinkel

Das Aquarell von Willy Lehmann „Im Backnanger Freibad“ (Ausschnitt) stellt die Darstellung der Natur ins Zentrum. Fotos: P. Wolf

Von Sarah Schwellinger

BACKNANG. Wer an Backnang denkt, denkt an die Murr, die sich durch die Stadt schlängelt, an Fachwerk und die Wahrzeichen wie den Stadtturm, die Stiftskirche oder den Burgberg. Was den Alltag von mehr als 37500 Backnangern prägt, beschäftigt auch zahlreiche Backnanger Künstler. „Backnanger Ansichten“ ist der Titel der Ausstellung, die noch bis zum 1. September in der Galerie im Helferhaus zu sehen ist.

Bei der gestrigen Ausstellungseröffnung konnte sich Ernst Hövelborn über viele Besucher freuen. „Das war zu erwarten“, sagte der Vorsitzende des Heimat- und Kunstvereins Backnang mit einem Augenzwinkern. Denn die Backnanger sind stolz auf ihre Stadt. Was im Alltag von der Umgebung wahrgenommen und zu wechselnden atmosphärischen und tageszeitlichen Bedingungen stets gesehen wird, bleibt als ungefährer Eindruck. Im Bild aber nimmt es eine bleibende Form, eine andauernde Ästhetik an.

Im Begriff „Ansicht“ steckt eine Doppeldeutigkeit

Die Ausstellung umfasst Grafiken und Gemälde aus dem Sammlungsbestand des Heimat- und Kunstvereins, der sich wiederum weitgehend aus Stiftungen herleitet. Sie umfasst im Schwerpunkt Werke von Werner Lehmann und seinem Vater Willy Lehmann, der im Jahr 1965 zu den Mitbegründern des Heimat- und Kunstvereins gehörte. Ergänzend dazu kommen „Backnanger Ansichten“ von Backnanger Künstlern wie Albert Giesa, Hans Gaugler, Willy Riexinger, Oskar Kreibich, Hermann Erlenbusch, Ulrich Schielke und Otto Weidenmann.

„Im Begriff Ansicht und Ansichten steckt eine doppelte Bedeutung“, beginnt Hövelborn die Einführung in die Ausstellung. Einerseits steckt darin ein Sachverhalt alltäglicher, auch politisch-sozialer Art, der von einem bestimmten Standort aus bewertet wird. Andererseits umfasst der Begriff die Ansicht, beispielsweise einer Stadt, die sich als Bild darbietet und sich auf die Wahrnehmung bezieht. Eine Form, wie sie nun der einzelne Betrachter in anderer Art und Weise wahrnehmen kann.

Die älteste Darstellung Backnangs ist jene von Max Bach aus dem Jahr 1860. Sie zeigt den Burgberg, den Stadtturm, die Stiftskirche. Im Gegensatz zu Bachs Darstellung, die das Augenmerk auf die möglichst korrekte Wiedergabe des Stadtausschnitts und der architektonischen, äußerlichen Hülle legt, stehen die Ansichten von Werner Lehmann.

„Man bekommt den Eindruck, es sei nicht immer alles so geheuer“

Lehmann versieht seine Radierungen mit Figuren und Tieren, die an solcher Stelle ungewöhnlich sind. Der Künstler schafft somit eine neue Bedeutungsebene, nämlich jene eines Eindrucks und Gefühls, das beim Betrachter ausgelöst wird. Da verfolgt an einer Stelle ein Krokodil schwimmend durch den Schnee eine Schildkröte, an anderer Stelle überzieht der Songtext von Bob Dylans „Subterranean Homesick Blues“ die Ansichten. „Man bekommt das Gefühl, es sei nicht immer alles so geheuer“, kommentiert Hövelborn. Werner Lehmann verarbeitet Teile seiner Kindheit in den 1950er-Jahren in Backnang, erinnert in seinen Bildern an das Wohnhaus der Familie, an seinen Schulweg. Und weckt damit Erinnerungen mancher Betrachter, die eben dieses Backnang noch vor Augen haben.

Er zeigt seine Wahrnehmung vom Straßenfest Anfang der 80er-Jahre: Menschenübersät ist der Anblick die Marktstraße hinauf. „Wie eine Flut überschwemmen die Menschen die Straße“, beschreibt es Hövelborn. An anderer Stelle gibt er mit einer Leere Anregung zur Vorstellungskraft.

Einen ganz anderen Eindruck von Backnang bekommt der Betrachter bei den Bildern von Willy Lehmann, dem Vater von Werner Lehmann. In seinen Aquarellen tritt die Natur in den Vordergrund, so wie in „Im Backnanger Freibad“. Die Ansichten sind von eindrücklicher Natur geprägt, wie in jenem Beispiel, in dem sich die Badegäste auf grüner Wiese unter einem eindrücklichen Baum erholen. Auch das Kettenkarussell in „Kirmes auf der Bleichwiese“ ist vor einem wahnsinnig grünen, idyllischen Hintergrund platziert.

Eine andere Dimension tut sich in Willy Riexingers „Eislaufbahn an der Stadthalle“ aus dem Jahr 1939 auf. Neben der Sicht auf Schlittschuhläufer tut sich ein historischer Kontext auf: Sich auf dünnes Eis zu begeben, kommt immer mit einem gewissen Risiko daher. Wird das Eis halten, wird es unter der Last brechen, droht Gefahr, vielleicht sogar der Tod?

„Die innerhalb der Ausstellung ,Backnanger Ansichten‘ gezeigten Werke sind Konzentrate aus der Sicht der einzelnen Künstler, die sich jeweils auf das Wesentliche des Motivs beziehungsweise der Ansicht bezieht und dies nun zu einem einheitlichen Bild von andauernder ästhetischer Wirkung macht und damit zugleich einem bestimmten Raum wie der Stadt Backnang und ihrer Umgebung bleibenden Ausdruck und Ansehen gibt“, fasst Ernst Hövelborn zusammen.

Es ist das Bemühen, in jeder einzelnen der Ansichten das bildlich Wesentliche der Stadt zu erfassen. Zum Abschluss fordert Hövelborn auf, sich die Bilder anzuschauen, ein Glas Wein zu trinken und ein Schmalzbrot zu essen, um dann anschließend bei einem Spaziergang durch Backnang die Ansichten Wirklichkeit werden zu lassen.

Die Ausstellung „Backnanger Ansichten“
ist in der Galerie im Helferhaus (Petrus- Jacobi-Weg 5) zu sehen. Der Eintritt und
der Besuch der Ausstellung sind frei. Sie ist seit gestern bis zum Sonntag, 1. September, jeweils von Dienstag bis Freitag von 17 bis 19 Uhr, Samstag und Sonntag von 14 bis 19 Uhr geöffnet.