Enorme Steigerung der Schülerzahl

Die weitverzweigte Arbeit der Jugendmusik- und -kunstschule Backnang: Zu Musik und Kunst kam noch Theater dazu

Seit August 2012 ist Michael Unger Leiter der Jugendmusik- und -kunstschule Backnang. Vor rund sieben Jahren nutzten zirka 1250 Schüler die Einrichtung. „Mittlerweile liegen wir bei 1900“, sagt Unger. Eine enorme Steigerung. Seit 2012 kamen zahlreiche Angebote dazu. Auch die Kunstschule wurde auf professionellere Beine gestellt und um einen Theaterbereich ergänzt.

Enorme Steigerung der Schülerzahl

Michael Ungers Hauptinstrument ist die Posaune. Seit er die Jugendmusik- und -kunstschule Backnang leitet, sind viele Instrumente hinzugekommen, die an der im Bandhaus beheimateten Schule erlernt werden können, darunter Harfe, Oboe, Fagott und Kontrabass. Foto: A. Becher

Von Ingrid Knack

BACKNANG. Die stetige Weiterentwicklung der Schule und breite Vernetzung mit anderen Institutionen sieht Michael Unger als „große Gemeinschaftsleistung. Das ist keine Sache nur einer Person, da steht ein Kollegium dahinter.“ Als Leiter könne man aber Impulse setzen.

Konkret ging dies mit einem Ausbau des kompletten Unterrichtsangebots einher. Sei es, dass immer wieder neue Instrumente wie Harfe, Oboe, Fagott und Kontrabass hinzukamen, die an der Schule erlernt werden konnten. Sei es, dass aktuelle Entwicklungen aufgegriffen wurden. Dies reicht bis hin zum Einsatz neuer Medien, die etwa beim Kreieren von Sounds oder beim Songwriting gute Dienste leisten. In der Schule im Bandhaus gibt es ein Tonstudio. Die Ensemblearbeit ist ausgeweitet worden und ein Jugendsinfonieorchester hat sich gebildet. Neben traditionellen Aufführungen und neuen Konzertformaten wurde mit den Bandhaus-Konzerten eine eigene Reihe der Schule mit fünf bis sechs Veranstaltungen im Jahr ins Leben gerufen.

Weiterentwickelt wurde auch der Bereich der Jugendkunstschule, was sich seit 2015 auch im Namen widerspiegelt: Aus der Jugendmusikschule wurde die Jugendmusik- und -kunstschule Backnang. Ein neues, zweiteiliges Logo wurde gestaltet.

Seit 2017 ist die Backnanger Einrichtung neben der langjährigen Mitgliedschaft im Verband der deutschen Musikschulen nun auch Mitglied im Landesverband der Kunstschulen. „Der Vorteil davon ist, dass unsere Schule die volle Landesförderung genießt.“ Das heißt: Mindestens zehn Prozent der pädagogischen Personalkosten werden vom Land gefördert – an der Jugendmusik- und -kunstschule unterrichten 50 Lehrkräfte. „Die Verwaltung wird nicht gesponsert.“ Fünf bis sechs Prozent aller Schüler entfallen auf den Kunstbereich, der, um bezuschusst werden zu können, mindestens zwei Fachbereiche abdecken muss. Unger nennt eine bunte Mischung an Möglichkeiten, die von Kunst über Theater bis hin zum Tanz reicht. Nicht zuletzt deshalb wurde im Oktober 2016 der Bereich Theater eingerichtet. Es gibt eine Theaterwerkstatt für Neun- bis Zwölfjährige und einen Jugendspielclub für Menschen ab zwölf Jahren. Erst kürzlich zeigte der Theaterspielclub William Shakespeares Komödie „Was ihr wollt“ im Bandhaus-Theater, mit dem die Jugendmusikschule auf unterschiedlichen Ebenen kooperiert.

Fünf Jahresstipendien werden vergeben

Im März startete die Jugendmusik- und -kunstschule mit der Begabtenförderung. „Fünf Jahresstipendien stehen künftig für herausragend begabte Schüler zur Verfügung. Wir werden von der Riebesam-Stiftung Murrhardt unterstützt“, erklärt Unger. Das Stipendium bedeutet für die Stipendiaten unter anderem 45 Minuten im Hauptfach und 30 Minuten im Zweitfach zusätzlich. Auch Musiktheorie, Unterricht in Kammermusik und in orchestralem Zusammenspiel sind dabei. Unger sieht dies auch als studienvorbereitenden Unterricht. Denn wer beispielsweise Violine studieren möchte, muss sich bei der Aufnahmeprüfung an der Musikhochschule obendrein am Klavier beweisen.

Unger möchte mit den Angeboten auch den Veränderungen im Bildungssystem und in der Gesellschaft Rechnung tragen. Es besteht ein großes Netzwerk zwischen der Jugendmusik- und -kunstschule, anderen Schulen und Kindergärten. „Wir sind in jeder Grundschule in Backnang und den sieben Umlandgemeinden vor Ort.“ Unger spricht von Klassenmusizierprojekten verschiedenster Ausprägung – von der Gitarren-AG bis hin zur Cajón-Gruppe. In Kindergärten hat die Jugendmusik- und -kunstschule Früherziehungsangebote, die elementare Musikpraxis ist für sie ein wichtiges Thema. An den Grundschulen in Oberweissach, Oppenweiler und Althütte existiert überdies ein Kunstschulangebot. „So sind wir weitverzweigt.“ Der Vorteil an diesem dezentralen Unterrichtsspektrum: Die Projekte sind in den täglichen Ablauf der Schulen und Kindergärten am Vormittag integriert. Die Fahrt nach Backnang, die manche Eltern als Chauffeure vielleicht gar nicht leisten könnten, fällt weg.

Die Arbeit in den Kindergärten wird aus Mitteln des 2010 aufgelegten Landesförderprogramms „Singen, Bewegen, Sprechen“ (S-B-S) bezahlt. Zunächst sei geplant gewesen, das „Musikalisierungsprogramm“ für die letzten zwei Kindergartenjahre und die vier Grundschuljahre vorzusehen. 2012 habe sich aber die Politik verändert, die Grundschule sei gestrichen und dafür sei ein weiteres Kindergartenjahr hinzugenommen worden, führt Unger aus. Hintergrund sei, dass sich musikalische Bildung vor der Einschulung nachgewiesenermaßen äußerst positiv auf die Schulfähigkeit des Kindes auswirke. Veränderungen gibt es noch in anderer Hinsicht: „Früher haben mehr Kinder ein zweites Instrument gelernt“, weiß Unger. Und: „Die Verweildauer an der Jugendmusikschule ist etwas kürzer als früher. Das Durchhaltevermögen der Schüler war früher besser.“

Zwei Abonnements für Erwachsene und der „Musi-Kuss“

Es sind Menschen unterschiedlichster Altersklassen, die die Schule für sich entdeckt haben. „Wir haben sogar eine Elternband“, so Unger. Für Erwachsene besteht übrigens ein spezielles Abonnementangebot: sechs Unterrichtseinheiten à 30 Minuten oder sechs Einheiten mit je 45 Minuten. Eine andere Form der Arbeit mit Erwachsenen ist das Gesangscoaching beispielsweise für Amateurschauspieler der Backnanger Bürgerbühne. Und Musikschullehrerin Catrin Müller leitet einen internationalen Frauenchor, den „IN!Chor“.

Eltern können bereits Kinder im Alter ab neun Monaten im Musikgarten an die reiche Welt der Kultur heranführen. Egal, um welche Altersgruppe es sich handelt, in der Jugendmusikschule findet man das passende Angebot. Für die Vier- bis Fünfjährigen wird im kommenden Schuljahr der neue Kurs „Musi-Kuss“ eingeführt, der Musik und Kunst miteinander verbindet: In einem Monat geht es um Musik, im nächsten um Kunst. In der Zukunftsmusik der Schule wird nicht nur das Thema Musik mit Senioren, sondern auch das Motiv „interkulturelle Arbeit“ einen Crescendo-Part einnehmen. Und da kommen neue Instrumente aus anderen Kulturkreisen ins Spiel.

Info
Musicals und Arbeit mit Menschen mit Benachteiligungen

Besondere Highlights für die Schüler sind beispielsweise neben internationalen Jugendbegegnungen, der jährlichen Bandnight im Merlin und der Teilnahme bei europäischen Jugendmusikfestivals die Musicalprojekte. Für die „Murr-Stufen-Story“ zum 40-jährigen Bestehen der Schule 2015 gewann diese beim Lotto-Musiktheaterpreis den Spartenpreis „Bestes selbst entwickeltes und -komponiertes Musical“.

Für 2020 ist das Elvis-Musical „All shook up“ geplant. Die Zusammenarbeit mit der Tanzschule Rüter, die schon bei „Dornröschen reloaded“ im Juni im Bürgerhaus hervorragend klappte, wird fortgesetzt. Kooperationen sind ein schier endloses Thema – bei der „Murr-Stufen-Story“ war unter anderem eine Parcours-Gruppe mit dabei.

Die Jugendmusik- und -kunstschule engagiert sich auch für Menschen mit Behinderungen und Kinder mit Bildungsbenachteiligungen. Eine der Kooperationen ist der mit Bundesmitteln geförderte Musizierkreis an der Bodelschwinghschule in Murrhardt mit Menschen mit Behinderungen. Aus dieser Zusammenarbeit ist auch die integrative Band „The Cool Chickpeas“ entstanden, die nach einer vier Jahre langen Aufbauarbeit mittlerweile losgelöst von der Jugendmusik- und -kunstschule eigene Wege geht.