Zum Tod von Hans Magnus Enzensberger

Enzensberger in vier Büchern

Hans Magnus Enzensberger war Intellektueller, Chronist und Sprachzauberer in einem. Aber was sollte man von ihm eigentlich gelesen haben?

Enzensberger in vier Büchern

Schwer zu fassen: das ist nicht nur eine Eigenschaft des Autors Hans Magnus Enzensbergers, sondern auch eine Qualität seines Werkes.

Von Stefan Kister

Man hat Hans Magnus Enzensberger einmal als Ein-Mann-Literaturgeschichte der Bundesrepublik bezeichnet. Zweifellos zurecht. Und dennoch erstaunt es, wie wenig sich sein Rang auf einige ausgesuchte Hauptwerke abbilden lässt. So beweglich und quecksilbrig wie der Intellektuelle selbst, ist auch sein Œuvre. Einmal ganz abgesehen davon, dass zu den Großtaten Autors auf literarischem Terrain seine Herausgeberschaften und Trüffelschwein-Verdienste hinzukommen, etwa die von ihm begründete Andere Bibliothek oder die Kulturzeitschrift „Kursbuch“.

Und doch haben wir aus dem turmhohen Stapel seines fast siebzigjährigen schreiberischen Wirkens vier Werke herausgezogen, an denen sich seine Vielseitigkeit fassen lässt. Sie stehen für Tendenzen eines Sprachkünstlers, dessen Sensorium für die Tendenzen der Zeit so fein ausgeprägt war, dass er nicht nur den Ruf der Stunde klarer als andere vernommen hat, sondern auch als erster ihr unwiderrufliches Vergehen. In unserer Bildergalerie finden Sie eine kleine Auswahl.

Enzensberger in vier Büchern

<b>Die Verteidigung der Wölfe (1957)</b> Der schmale Gedichtband ist der Grundstein eines Werkes, das bereits wenige Jahre später mit dem Büchner-Preis gewürdigt wurde. Er enthält „freundliche“, „traurige“ und „böse“ Gedichte. Die Verteidigung ist in Wirklichkeit eine Anklage derer, die die Wölfe gewähren lassen.

Enzensberger in vier Büchern

<b>Einzelheiten (1962)</b> Neben den Lyriker tritt schon früh der Essayist. Unter anderem für den Süddeutschen Rundfunk verfasste er die Texte dieser zwei Bände. Darin findet sich „Eine Theorie des Tourismus“ und der Aufsatz zur „Sprache des ,Spiegel‘“. „Die Bewusstseins-Industrie“, schreibt Enzensberger, „ist die eigentliche Schlüsselindustrie des 20. Jahrhunderts.“

Enzensberger in vier Büchern

<b>Der kurze Sommer der Anarchie (1972)</b> Der einzige Roman Enzensbergers spiegelt das Scheitern der Hoffnungen der Studentenrevolte von 1968 im Leben des Anarchisten Buenaventura Durruti, der 1936 im Spanischen Bürgerkrieg fiel. Ein Abschiedsgesang auf den Aufbruch in die Utopie.

Enzensberger in vier Büchern

<b>Tumult (2014)</b> Über das, was er sein russisches Abenteuer nannte, hat sich Enzensberger erst gut 40 Jahre später Rechenschaft abgelegt: eine tumultuöse Affäre zwischen sowjetischen Schriftstellerkongressen, Berliner Kommunen und kubanischen Zuckerrohrplantagen.