Schauspieler Simon Schwarz

Er wettert gegen junge Klimaaktivisten

Der Schauspieler Simon Schwarz hat mit seinem Buch „Geht’s noch“ einen sehr persönlichen ökologischen Hilferuf geschrieben.

Er wettert gegen junge Klimaaktivisten

Simon Schwarz

Von Tilmann P. Gangloff

Gemeinsam mit Sebastian Bezzel ist Simon Schwarz Star der „Eberhofer-Krimis“. Viele schätzen ihn als Spaßvogel. Schwarz hat auch durchaus Freude daran, Menschen zu unterhalten, aber er findet, dass es wichtigere Dinge gibt im Leben – und darüber hat er geschrieben.

Herr Schwarz, das Titelbild Ihres Buches zeigt drei Fotos. Auf dem ersten schlagen Sie die Hände vors Gesicht, auf dem zweiten lachen Sie, auf dem dritten schauen Sie sehr ernst. Welches Bild entspricht ihrer derzeitigen Lebenshaltung?

Das dritte.

Viele Menschen schätzen Sie als Spaßvogel und werden enttäuscht sein: Ihr Buch ist keine heitere Lektüre.

Es wäre das größte Geschenk für mich, wenn sie es trotzdem lesen. Ich habe viel Freude daran, die Menschen zu unterhalten, aber es gibt wichtigere Dinge im Leben, und darüber habe ich geschrieben.

Der Titelzusatz von „Geht’s noch“ lautet „Betrachtungen eines Überforderten“. Was genau überfordert Sie?

Vieles, und damit bin ich bestimmt nicht allein, aber ich habe den Eindruck: Wer zugibt, dass er überfordert ist, passt nicht mehr in unsere Leistungsgesellschaft. Auch in der Politik sind garantiert viele Menschen überfordert, und wer das abstreitet, hat offenbar keine Ahnung von dem, was gerade in der Welt los ist. Neben den aktuellen Problemen gibt es ja noch andere Krisen, die uns schon lange begleiten, allen voran der Klimawandel. Selbst wenn sich morgen alle Regierungen auf einen gemeinsamen Klimaschutz einigen würden, würde das die Entwicklung erst mal nicht stoppen.

Was überwiegt bei Ihnen: Hoffnung oder Frustration?

Frustriert ist vor allem meine Mutter. Sie hat ihr gesamtes Erwachsenenleben als Atomkraftgegnerin dem Umweltschutz gewidmet, weil sie ihren Söhnen eine bessere Welt hinterlassen wollte. Ich hatte in meiner Jugend ganz andere Themen. Ich fand es uncool, dass wir kein schnelles Auto hatten und auf der Autobahn immer von LKW überholt wurden, weil meine Eltern stur hundert gefahren sind. Außerdem hätte ich gern öfter Fleisch gegessen.

Ihr Buch behandelt alle möglichen Aspekte des Umweltschutzes, deshalb fällt das Kapitel über Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung aus dem Rahmen. Warum haben Sie sich so ausführlich mit ADHS befasst?

Es war mir wichtig, dass man nachvollziehen kann, warum ein Junge aus intellektuellem Elternhaus eine völlig andere Sozialisierung erlebt hat. Vielleicht macht es ja auch Mut, dass sogar ein Schulabbrecher wie ich seinen Weg ins Leben gefunden hat, selbst wenn ich zugeben muss, dass ich dabei mehr Glück als Verstand hatte.

Als Sie Schüler waren, gab es den Begriff ADHS noch gar nicht. Wann wurde Ihnen klar, dass Sie diese Störung haben?

Ich habe vor einigen Jahren einen „Zeit“-Artikel gelesen, darin ging es um Erwachsene; man behält die Störung ja sein Leben lang. Die Erkenntnis, dass ich nicht der einzige mit diesen Problemen bin, war eine große Erleichterung. Außerdem habe ich erkannt, dass ich genau den richtigen Beruf gewählt habe.

Hilft ADHS bei der Schauspielerei?

Nein, es ist eher umgekehrt: Der Beruf hilft gegen die Störung, weil ich nicht jeden Tag am Schreibtisch sitzen und den immer wieder gleichen eintönigen Beschäftigungen nachgehen muss. Buchhaltung zum Beispiel ist eine Katastrophe für mich, das funktioniert überhaupt nicht, da kann ich noch so viele Medikamente schlucken.

Stimmt es, dass Sie wegen Sylvester Stallone Schauspieler geworden sind?

Ja, das stimmt. Es war klar, dass der Besuch einer weiterführenden Schule für mich nicht infrage kam, also musste ich eine Ausbildung machen. Es gab aber nichts, was mich wirklich interessiert hätte. Dann habe ich im Radio gehört, dass Stallone Liftboy war, bevor er zum Weltstar wurde. Mein Vater war Theaterwissenschaftler. Er war zwar nicht glücklich über meine Berufswahl, wusste aber natürlich, welche Wege ich einschlagen musste.

Sie sind jetzt seit gut dreißig Jahren Schauspieler. Ist Ihr Buch auch das Resultat der Erkenntnis, dass es höchste Zeit wird, wenn Sie noch etwas ändern wollen?

Auf jeden Fall. Ich habe den Menschen mit meiner Arbeit Freude bereitet, das erfüllt mich mit Dankbarkeit, doch ich habe auch festgestellt: Das kann und darf nicht alles gewesen sein. Bislang habe ich mir aber als Laie nicht zugetraut, zu Themen wie Umwelt, Natur und Klima Stellung zu nehmen.

Gab es einen konkreten Auslöser?

Ja: Als ich in einem Schaufenster ein Poster von einer jungen Frau mit der Bezeichnung „Klimapionierin“ gesehen habe. Da war ich echt sauer. Diese Frau hat mit Mitte zwanzig garantiert schon jetzt einen höheren CO2-Fußabdruck als meine 86-jährige Mutter. Die meisten jungen Leute sind sich nicht im Klaren darüber, wie viel Energie nötig ist, damit sie sich eine Netflix-Serie anschauen können. Wenn sich dann so jemand als „Klimapionierin“ bezeichnet, ist das einfach respektlos gegenüber Menschen, die sich seit fünfzig Jahren für den Umweltschutz einsetzen.

Sie schreiben, dass wir neue Erzählungen für die kommenden Generationen brauchen, um Ihnen einen Zugang zur Zukunft Menschheit zu bieten, und fragen sich, ob Sie der Held einer solchen Erzählung sein wollen. Die Antwort bleiben Sie schuldig. Wie fällt sie aus?

Wollen schon; ob ich’s kann, wird sich zeigen. Aber so lange ich das Gefühl habe, etwas ändern zu können, werde ich nicht resignieren, und die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt.

Info

Schauspieler  Simon Schwarz, Jahrgang 1971, hat nach einigen Bühnenrollen 1996 sein Debüt als Filmschauspieler gefeiert. Für das Drama „Die Siebtelbauern“ bekam er 1998 den Max-Ophüls-Preis als bester Nachwuchsdarsteller. In Deutschland ist der gebürtige Wiener aber erst 2011 als regelmäßiger Gast („Inkasso-Heinzi“) im ORF-„Tatort“ bekannt geworden, bevor er als Privatdetektiv in den „Eberhofer-Krimis“ (seit 2013) und Arzt im Rollstuhl in der ARD-Reihe „Eifelpraxis“ (seit 2016) auch hierzulande zum Star wurde.

Simon Schwarz: Geht’s noch – Betrachtungen eines Überforderten. Carl Ueberreuter Verlag, 200 S., 25 Euro.