„Es sind die Füße, mit denen man das Paradies gewinnt“

Auf dem Sternenweg, eine literarisch-musikalische Wanderung nach Santiago de Compostela im Backnanger Bürgerhaus.

„Es sind die Füße, mit denen man das Paradies gewinnt“

Rudolf Guckelsberger wandert – bildlich gesprochen – auf dem Jakobsweg. Foto: A. Becher

Von Carmen Warstat

Backnang. Mit Pilgerberichten aus alter und neuer Zeit konnte man jetzt im Bürgerhaus eine imaginäre Wallfahrt starten und viel über den Jakobsweg lernen. „Auf dem Sternenweg“ nannte sich die musikalisch-literarische Wanderung nach Santiago de Compostela, die lange geplant und mehrfach verschoben worden war.

Als Erzähler fungierte der exzellente Sprecher und SWR-Moderator Rudolf Guckelsberger, und an den Gitarren brillierte die Musikerin Barbara Gräsle, den Backnangern unter anderem bekannt als Biggi Binders Partnerin im Duo „Hearts and Bones“. Sie eröffnete die Lesung mit einer wunderschönen Interpretation des Prélude No.1 des Portugiesen Heitor Villa-Lobos, einem Irrweg eigentlich, wie Rudolf Guckelsberger anmerkte, denn „mit dem Jakobsweg hat das noch nichts zu tun. Aber wir sind ja noch in Backnang.“

Zunächst ließ er den Jakobus-Biografen de Voragine zu Wort kommen, um über den Apostel zu informieren, dessen Jahrestag der 25. Juli ist. „Unsere imaginäre Wallfahrt beginnt jetzt“, hieß es sodann, und Guckelsberger las aus Henri Vincenots „Die Sterne von Compostela.“ Der Protagonist des historischen Romans schlägt das Angebot eines Maultieres zur Erleichterung seiner Pilgerschaft mit den Worten „Es sind die Füße, mit denen man das Paradies gewinnt“ aus. Für Humor sorgten unter anderem Auszüge aus dem Kleinen Pilger-ABC für Wanderer auf dem Jakobsweg, die der Sprecher hier und da einstreute. Unter „A wie Aufbruch“ etwa wird dazu geraten, bei Blasen an den Füßen nach deren Versorgung „tapfer in den Schmerz hinein“ zu laufen, denn: „Er verkriecht sich dann nach einer Weile.“

Zum Buchstaben „E wie Erotik“ passte eine Episode aus Brigitte Riebes historischem Roman „Straße der Sterne“, in dem Armando und Estrella einander nackt begegnen. (Armando stank „wie ein Dachs“ und hatte „Lust zu baden.“) Von Estrella, dem Sternchen, wurde er geneckt, bis sie sich zusammentaten, denn Armando befand sich auf der Flucht und konnte ihre Hilfe gut gebrauchen.

Der Thüringer Autor Johann Limberg schrieb 1690 eine „Denckwürdige Reisebeschreibung“, die mit einer Legende aufwartet, an der er wohl selbst zweifelt: „Wer’s glauben will, mag’s glauben.“ Wie man an Nahrung kommt – davon unter anderem berichtet Hape Kerkeling in seinem modernen Pilgerroman „Ich bin dann mal weg – Meine Reise auf dem Jakobsweg“. Im Alphabet ging es weiter mit „H wie Hostal“, „J wie Jakobsmuschel“, „K wie Knie“, „M wie Meseta“ (Hochebene), „P wie Pflaster“ und „S wie Schweinehund, innerer“, schließlich „S wie Sterne“ und „Z wie Zugabe, nein! – Ziel.“ Zu Wort kamen nach der Pause Andrea Schwarz mit ihrem geistlichen Pilgertagebuch „Die Sehnsucht ist größer“, Cees Nooteboom („Der Umweg nach Santiago“) und noch einmal auch Henri Vincenot („Die Sterne von Compostela“).

Barbara Gräsle spielte moderne und auch historische Stücke, beispielsweise von Ulrich U. Warnecke, Horst Großnick, Joao Pernambuco und Luigi Mozzani und bestach durch Virtuosität und Einfühlungsvermögen. Und auch, wenn Granada nicht am Jakobsweg liegt – das Bravourstück des Katalanen Francisco Tárrega „Recuerdos de la Alhambra“ durfte Rudolf Guckelsberger zufolge nicht fehlen und wurde von der Gitarristin vorzüglich interpretiert.

Nach knapp zwei Stunden hatten die Besucher der Veranstaltung den fast 800 Kilometer langen berühmtesten Pilgerweg zur Kathedrale in Santiago de Compostela, den Camino Fránces, im Geiste zurückgelegt. Aber: „Der Hinweg ist nur die Hälfte“, befand Rudolf Guckelsberger. „Man muss wissen, wohin man will, gerade in Santiago de Compostela.“