„Gefährliche Operette“ im Nord in Stuttgart

Exaltiertes mit Tier und Nerd

Gordon Kampes „Gefährliche Operette“ hat in Stuttgart in der Jungen Oper im Nord Premiere. Das Ganze entpuppt sich als ziemlich schrille Sache. Aber lohnt sich der Besuch wirklich?

Exaltiertes mit Tier und  Nerd

Jana Marković und Ben Janssen

Von Verena Großkreutz

Ein Hase mit pinken Boxhandschuhen, ein nerdiger Musikwissenschaftler im Dino-Kostüm, eine Sängerin im Outfit eines sexuell übergriffigen Riesenpuschels: In „Gefährliche Operette“ von Gordon Kampe, die in der Jungen Oper im Nord Premiere hatte, geht es albern, schrill und trashig zur Sache. Die Story: Ein verklemmter Doktor der Musikwissenschaft soll eine Vorlesung zum Thema Operette halten, wird aber durch zwei lebendig gewordene Operettenfiguren davon abgehalten. Sie ziehen ihn hinein in einen grellbunten Albtraum. Er muss in alle möglichen Rollen schlüpfen, so wie die beiden aufgedrehten Figuren selbst, die eine ganze Reihe exaltierter Gesangsnummern zu performen haben (Regie: Elena Tzavara und Sarah Ritter).

Spiel mit dem Etikettenschwindel

Mit Operette hat das alles aber nichts zu tun. Denn musikalisch gibt es keinen einzigen Ohrwurm zu hören, sondern zeitgenössisch Schräges. Melodiöses taucht nur in Fragmenten und Andeutungen auf. Handlung und Musik wirken deshalb völlig disparat. Kein Wunder, ist die „Gefährliche Operette“ doch eine aufgepeppte Version eines älteren Liederzyklus Kampes, für den die Dramaturgin Ann-Christine Mecke jetzt eine Rahmenhandlung geschrieben hat. Darin wird viel über die Operette behauptet. Etwa, dass sie zeitkritisch sei, dass jeder Horrorfilm im Grunde eine Operette sei. Die Texte aber, die den Liedern zugrunde liegen, stammen alle nicht aus Operetten, sondern von Autoren wie Apollinaire, Droste, Kamerun oder Berg.

In seinem ursprünglichen Liederzyklus spielt Kampe ironisch mit diesem Etikettenschwindel. Die nun drum herumgestrickte Handlung macht diese Ironie null und nichtig. Lustig wird es immer dann, wenn die drei auf der Bühne richtig aufdrehen: die Mezzosopranistin Jana Marković, der Bariton Tomi Wendt, der Schauspieler Ben Janssen – alle vom Stadttheater Gießen, der Kooperationspartnerin dieser Produktion. Einen Großteil der Bühne im Nord nimmt aber das achtköpfige Instrumentalensemble mit Mitgliedern des Stuttgarter Staatsorchesters in Beschlag. Aber bis auf seinen Leiter Clemens Mohr bleibt es darstellerisch komplett abwesend. Zudem verlangt Kampes gestische Musik unbedingt ein Spezialensemble für Neue Musik. Das, was die Musizierenden da liefern, klingt fade, flach und undifferenziert. Bleibt noch die Frage, warum die Staatsoper diese Produktion in ihrer Jugendsparte zeigt. Jugendliche dürfte der Abend eher verstören als erheitern.

Gefährliche Operette: 4., 14., 16., 20., 22., April, Junge Oper im Nord