Fotoschätze aus 100 Jahren

Das neue Buch mit historischen Fotografien aus Backnang von Peter Wolf ist erschienen. Mit zum Teil bisher unveröffentlichten Aufnahmen führt der Fotodesigner und Hobbyhistoriker seine Buchreihe fort.

Fotoschätze aus 100 Jahren

Ringer ziehen durch die Stadt – hier sind sie in der Marktstraße angekommen, um 1950.

Von Claudia Ackermann

BACKNANG. Es ist bereits das fünfte Buch mit historischen Fotos und kurzen Einblicken in geschichtliche Daten, das der Diplom-Fotodesigner und passionierte Hobbyhistoriker Peter Wolf veröffentlicht. „Backnang. Fotoschätze aus 100 Jahren“ ist der Titel der Neuerscheinung. Eigentlich hatte Wolf kein weiteres Buch geplant. Doch durch die Beliebtheit seiner bisherigen Bücher und seine Ausstellungsreihe „Backnang im Zeitspiegel“ im Helferhaus wurden ihm immer mehr unveröffentlichte Aufnahmen aus privaten Fotoalben zugetragen. „Da muss man was draus machen“, sagte er sich.

Derzeit ist Peter Wolfs Fotoausstellung „10 Jahre Backnang im Zeitspiegel“ mit einem Querschnitt der Exponate aus seiner Ausstellungsreihe im Kabinett des Helferhauses zu sehen. Wolf erläutert dort auch gerne Hintergründe zu den Fotos. Von älteren Besuchern erfährt er oft Geschichten, die weit über die Informationen in historischen Quellen hinausgehen. Der eine oder andere Betrachter nimmt sich dann sogar vor, zu Hause das Familienalbum zu durchforsten. Über jede neue Ansicht von anno dazumal aus dem Backnanger Stadtgebiet freut sich Peter Wolf. Die Fotos werden eingescannt und wenn nötig zur Verbesserung der Qualität geringfügig bearbeitet. Die große Anzahl an neuen Fotos und das große Interesse in der Bevölkerung an seiner Arbeit haben Peter Wolf dazu motiviert, ein weiteres Buch zu konzipieren.

Ein Rundgang durch das alte Backnang.

Peter Wolfs Fotobücher sind immer als Rundgang angelegt, ausgehend vom Bereich um die Stiftskirche und das Helferhaus, dem Sitz des Backnanger Heimat- und Kunstvereins. Die älteste Aufnahme stammt aus den 1860er-Jahren.

In dem neuen Buch gibt es zahlreiche Bilder, die um die Wende zum 20. Jahrhundert entstanden sind. Bis in die 1980er-Jahre führt die Zeitreise. Außergewöhnliche Ansichten sind dabei. So hat etwa der Turmbläser Herrmann Zink um 1940 den Rathausbereich von den Höhen des Stadtturms aus fotografiert. In den Anfängen des 20. Jahrhunderts war Fotografie noch ein seltenes Ereignis. Deshalb sind Szenen mit Menschen meist gestellt. Unternehmer ließen sich etwa stolz vor ihrem Geschäft ablichten.

Ein seltenes „Schätzchen“ ist für Peter Wolf daher ein Bild von 1918, auf dem die Alltagssituation vor dem „Drogen- und Kolonialwarengeschäft“ Rohde-Leßlauer in der damaligen Weissacher Straße (heute Stuttgarter Straße 20) fotografiert wurde. Von einer Nachfahrin der abgebildeten Familie weiß Wolf, dass es sich um Karl Layer handelt, der gerade mit Zigarette im Mund Holz hackt. Dessen Frau „Mariele“ transportiert die Scheite ab. Zwei Kinder spielen im Vordergrund und weitere Familienmitglieder sind in der Gruppe zu sehen. Diese Alltagsszene gehört zu den Fotos, die erstmals veröffentlicht werden.

Früher wurden in Backnang immer wieder Umzüge veranstaltet, die man auf Fotos festgehalten hat. Um 1950 unternahmen die Backnanger Ringer einen Umzug durch die Innenstadt. In der Bildunterschrift erfährt man, dass Metzgermeister Eugen Idler im Ringer-Dress dabei ist.

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts führte ein Umzug mit geschmückten Pferdekutschen und Fußgängern die Marktstraße hinauf. Den gleichen Bereich füllten zahlreiche Besucher beim vierten Backnanger Straßenfest 1974.

Bis in kleine, verwinkelte Gässchen führt der Rundgang. Um 1910 ist ein Foto in der Kesselgasse entstanden mit einem Pferdewagen vor dem Mineralwasser-Geschäft Groß. Daneben hatten die Kammmacher Friedrich und Heinrich Kretschmer ihr Wohn- und Geschäftshaus. Sie stellten Haarkämme her. Dieser Handwerksberuf ist längst ausgestorben.

Auch zum legendären Seifenkistenrennen 1949 die Aspacher Straße hinunter führt bei dem Backnang-Rundgang ein Abstecher. Der Zehnjährige Rudolf Kemmler braust mit seinem Renngefährt Nr. 1 die von zahlreichen Zuschauern gesäumte Straße hinunter, weiß Peter Wolf.

Rund 150 historische Fotos sind in dem Buch zu sehen. Angefangen hat Wolfs Interesse an historischen Fotos schon früh. Seine Diplomarbeit im Studiengang Design mit Schwerpunkt Fotografie in Dortmund hat der gebürtige Ansbacher 1987 über historische Technik in Bayern gemacht. Direkt nach seinem Abschluss verschlug es ihn nach Backnang, wo er mit dem Heimat- und Kunstverein in Berührung kam und über diesen mit der Backnanger Techniksammlung. Dort zeigte er seine ersten Fotoausstellungen, welche die Industriegeschichte der Backnanger Gerbereien sowie der Spinnerei Adolff, den Maschinenbau Kaelble und die Nachrichtentechnik im Fokus hatten. Immer mehr weitete er sein Fotoarchiv auf historische Aufnahmen des Stadtgebiets aus und begann 2010 mit seiner Ausstellungsreihe „Backnang im Zeitspiegel“ im Helferhaus.

Seine Sammelleidenschaft war geweckt, und er durchsuchte zunächst das Stadtarchiv. Netzwerke entwickelten sich, etwa mit Sammlern von Ansichtskarten. Durch viel Recherche in historischen Quellen und zahlreiche Gespräche mit Backnangern, die anhand von alten Fotos von der Geschichte ihrer Familie erzählten, tauchte Peter Wolf immer tiefer in die Forschung über die Historie seiner Wahlheimat ein. Wenn er durch die Innenstadt geht, weiß er fast zu jedem alten Haus etwas Geschichtliches. Heute sagt der gebürtige Mittelfranke, dessen rollendes „R“ immer noch seine Herkunft verrät: „Ich bin ein Nicht-Backnanger, der sich inzwischen hier sehr zu Hause fühlt.“


Peter Wolf: „Backnang. Fotoschätze aus 100 Jahren“. 123 Seiten. Sutton-Verlag September 2020. ISBN 978-3-96303-206-6. Preis 22,99 Euro. Erhältlich im Helferhaus, Petrus-Jacobi-Weg 5, in der Geschäftsstelle der Backnanger Kreiszeitung, Postgasse 7, und im Buchhandel.

Fotoschätze aus 100 Jahren

In dem neuen Backnang-Buch von Peter Wolf sind auch Fotos abgedruckt, die aus Familienalben stammen. Fotos und Repros: J. Fiedler, P. Wolf

Fotoschätze aus 100 Jahren

Großer Bahnhof für die Seifenkistenfahrer in der Aspacher Straße, um 1949.