„Gemeinsam sind wir stärker“

Rund 100 Teilnehmer beschäftigen sich bei der ganztägigen ersten digitalen Regionalkonferenz Kultur des Rems-Murr-Kreises mit neuen Ansätzen im Bereich Kultur. Themen der Arbeitsgruppen sind Kulturmarketing, Fördermittelakquise und Projektmanagement.

„Gemeinsam sind wir stärker“

Das Regionalmanagement Kultur hat Lösungen für die durch Corona verursachten neuen Herausforderungen für die Branche im Blick. Den Stillstand in der Kultur gilt es zu überwinden. Foto: T. Sellmaier

Von Ingrid Knack

BACKNANG/WAIBLINGEN. Claudia Erlekamm, die beim Landratsamt Rems-Murr-Kreis angesiedelte Regionalmanagerin Kultur, ist nach den Worten von Andrea Hausmann die Brückenbauerin zwischen unterschiedlichen Interessensgruppen und Impulsgeberin für neue Kooperationen. Sie leiste Übersetzungs- und Vermittlungsarbeit, bei ihr liefen die Fäden zusammen. Hausmann ist die Leiterin des Instituts für Kulturmanagement Ludwigsburg, sie moderierte die erste digitale Regionalkonferenz Kultur des Rems-Murr-Kreises.

Seit Dezember 2019 ist der Rems-Murr-Kreis Teil des Pilotprojekts „Regionalmanager/in Kultur“. Mit der gestrigen Konferenz begann nun nach der Erhebungsphase mit der Erfassung des Status quo in Sachen Kulturlandschaft und einer Online-Umfrage vom 8. Juni bis 19. Juli 2020 mit insgesamt 125 der im Landkreis ansässigen Kulturakteure die Phase der aktiven Vernetzung nach dem Motto „Gemeinsam sind wir stärker“. Das Ludwigsburger Institut begleitet das Pilotprojekt wissenschaftlich. Schon allein die knapp 100 Teilnehmer der Regionalkonferenz zeigen, dass ein großer Bedarf an einem solchen Angebot besteht. Landrat Richard Sigel bat die Teilnehmer, klar zu formulieren, was sie sich wünschen, damit es passgenaue Angebote geben könne.

Fortbildungen und Workshops stehen künftig auf der Agenda.

Ein Ergebnis der Umfrage im Jahr 2020 war, dass das größte Interesse an den Themen Kulturmarketing, Fördermittelakquise und Projektmanagement besteht. Diesen Themen widmeten sich denn auch die Arbeitsgruppen gestern Nachmittag. Die künftigen Aufgaben des Regionalmanagements werden nach den Ausführungen von Prozessbegleiterin Olivia Braun vom Institut für Kulturmanagement Fortbildungen und Workshops, die Anregung von Erfahrungsaustausch sowie die Förderung von Netzwerken und Kooperationen sein. Wobei man sagen muss, das die Kulturbranche in Sachen Vernetzung gar nicht mal so schlecht dasteht, wie die Erhebung gezeigt hat. Mit 44 Prozent lässt sie die Bereiche Bildung (26 Prozent), Tourismus (12 Prozent), Wirtschaft (9 Prozent) und Sonstige (9 Prozent) weit hinter sich. Die Befragten kamen zu 52 Prozent aus dem gemeinnützigen Sektor, zu 20 Prozent aus dem privaten Sektor, zu 16 Prozent aus dem öffentlichen Sektor und 11 Prozent ließen sich nicht in eine bestimmte Kategorie einordnen. Die meisten Befragten sind dem Bereich Musik zuzuordnen. Insgesamt zeigte sich aber eine bunte Kulturlandschaft zwischen Musik, Theater, bildender Kunst, spartenübergreifenden Angeboten, Events, Kleinkunst, Kulturerbe/Heimat/Brauchtum, Chor/Gesang, Film, Hobbykünstlern, Literatur und Medien sowie Soziokultur.

Judith Bildhauer vom baden-württembergischen Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst sprach unter anderem die durch das Coronavirus verursachten aktuellen Herausforderungen in der Kulturbranche und die notwendige Suche nach gemeinsamen Lösungen an. Unabhängig davon geht es aber insbesondere um Zukunftsprojekte für Kultur im ländlichen Raum und Synergien. Harriet Völker, Programmreferentin bei „Trafo – Modelle für Kultur im Wandel“, die aus Leipzig zugeschaltet war, hatte einige inspirierende Beispiele parat. Dabei ging es um Kooperationsprojekte zwischen Bürgern und Kulturakteuren, zwischen Profis und Laien, um von privaten Haushalten gespendete Instrumente und Dorfresidenzen von Künstlern, die aber nicht abgeschottet allein für sich arbeiten, sondern in ein kulturelles Dorfgemeinschaftskonzept eingebunden sind.

Bevor Regionalmanagerin Claudia Erlekamm ihre Ziele und Ideen vorstellte, erzählte sie eine persönliche Anekdote. Als sie noch zur Schule ging, durfte sie die Baustelle des Backnanger Bürgerhauses besichtigen, war fasziniert von der hochmodernen Technik, dem Orchestergraben, dem großen Saal, dem Regieraum und den Möglichkeiten, die das Haus künftig bieten sollte. Sie spürte den Stolz der Planer und Bauherren. „Das Dach, unter dem alles zusammenkommt“ war der Slogan. Claudia Erlekamm: „Den Tag habe ich nie vergessen. Und es entstand schon damals der Wunsch, später einmal selbst mit anzupacken für die Kultur, die Ärmel hochzukrempeln, kreative Ideen einzubringen, Künstlern eine Bühne zu schaffen und Räume zu bauen für die Kultur in allen Facetten.“ Durch Wissensaustausch sollen nun gerade auch in der Coronapandemie bei dem Projekt, das auf einem wissenschaftlichen Fundament aufgebaut ist, neue Ideen entwickelt werden.

Claudia Erlekamm fungiert als Lotse und Vermittlerin.

Mit Wünschen, Sorgen und Nöten könne man sich künftig an sie wenden, bot Erlekamm an. Sie stehe als Lotse und Vermittlerin zur Verfügung. Im Rems-Murr-Kreis gebe es bereits einige kulturelle Netzwerke. Die Winterkulturtage im Schwäbischen Wald mit Kulturveranstaltungen an besonderen Orten wie Mühlen, Burgen oder Kulturscheunen beispielsweise seien eine Blaupause dafür, was im Sommer kulturell im Schwäbischen Wald geboten werden könne. „Als erstes konkretes Ziel möchten wir in der neuen Waldakademie im Schullandheim Mönchhof bei Kaisersbach einen kulturellen dritten Ort aufbauen. Geplant ist eine Begegnungs- und Veranstaltungsstätte, die durch ihre Lage in freier Natur für Kulturveranstaltungen unterschiedlichster Art genutzt werden kann.“ Dabei stehen auch die Themen Inklusion und Barrierefreiheit im Fokus. Erste Gespräche wurden unter anderem mit der Inklusionsband Cool Chickpeas und dem Krimiautor Jürgen Seibold geführt. Die Winterkulturtage sind laut Erlekamm auch ein erfolgreiches Beispiel für interkommunale kulturelle Zusammenarbeit. „Wir haben über die Jahre deutlich gesehen, wie wichtig es ist, eine Region in ihrer Gesamtheit zu präsentieren.“ Welche Dynamiken in der kulturellen Vernetzung entstehen können, hätten 2019 überdies die Remstal-Gartenschau, das 40-Jahr-Naturparkjubiläum und die Winnender Heimattage gezeigt.

„Besonders freut uns, dass sich die drei Großen Kreisstädte Backnang, Schorndorf und Waiblingen zusammengefunden haben, um 2021 einen Kultursommer mit insgesamt rund 90 Veranstaltungen in der Zeit von Juni bis September auszurichten. Aber natürlich soll es nicht nur um neue große Projekte gehen. Wir möchten vielmehr gemeinsam mit Ihnen auch den Blick auf Details richten, die im Kulturmanagement von strategischer und wirtschaftlicher Bedeutung sind“, so die Regionalmanagerin. Stichworte dazu sind etwa die Vermarktung eigener kultureller Angebote, Ticketing, die Entwicklung von Hygienekonzepten und die Akquise von Fördermitteln. Ergänzend dazu soll eine Regionalmanagement-Sprechstunde angeboten werden. Auch gibt es Pläne für ein Kultur-Speeddating auf dem Mönchhof.

Impulsgeber für Kunst und Kultur

Kunst- und Kulturschaffende brauchen gerade in den ländlichen Räumen Anlaufstellen und kompetente Ansprechpartner, die bei Förderfragen und Veränderungsprozessen beraten und sie mit anderen Akteuren vernetzen. Das gilt in der Coronazeit mehr denn je. „In den kommenden drei Jahren stellt das Land deshalb 360000 Euro zur Verfügung, um mit den Kulturregionalmanagerinnen und -managern genau solche Anlaufstellen für Kunst und Kultur in sechs Regionen im Land zu schaffen“, sagt Kunststaatssekretärin Petra Olschowski.

Ausgewählt für die Teilnahme an dem vierjährigen Pilotprojekt „Regionalmanager/in Kultur“ wurden die Landkreise Hohenlohe, Ostalb, Rems-Murr, Reutlingen und Waldshut sowie die Kulturregion Karlsruhe. Mit ihrer Teilnahme zeigen die Verantwortlichen auch, dass ihnen die Kulturarbeit in ihrer Region wichtig ist. Damit sich die neuen Personalstellen etablieren, war es dem Land wichtig, dass die Regionen selbst einen Teil der Kosten tragen.

Das Pilotprojekt wurde im Schulterschluss von Bund und Land und zusammen mit „Trafo – Modelle für Kultur im Wandel“, einer Initiative der Kulturstiftung des Bundes, und dem Trafo-Projekt „Lernende Kulturregion Schwäbische Alb“ ins Leben gerufen. Der Bedarf an Ansprechpersonen, die an der Schnittstelle zwischen Kultur und Verwaltung agieren, zeigte sich auch in den Gesprächen des zweijährigen Prozesses „Dialog | Kulturpolitik für die Zukunft“ des Kunstministeriums. Die Berufung der Regionalmanagerinnen und Regionalmanager Kultur ist eine der Handlungsempfehlungen, die bereits im Verlauf des Dialogs umgesetzt wurden, lässt das Land in einer Mitteilung wissen.

Bei den fünf Landratsämtern und der Kulturregion wurden die Personalstellen für die Regionalmanagerinnen und Regionalmanager Kultur im vergangenen Jahr eingerichtet. Die Entwicklungsphase wurde durch Bundesmittel in Höhe von 300000 Euro gefördert. Nun geht es bis 2023 in die Umsetzungsphase. Coronabedingt haben die Regionalmanagerinnen und Regionalmanager auch die Beratung zu Hilfsprogrammen und Verordnungen oder digitale Formate übernommen. Bei den Kulturkonferenzen im Frühjahr 2021 wird über die Erwartungen an die neuen Anlaufstellen diskutiert. Der Austausch zwischen Kultur und Verwaltung soll verbessert werden. Um die gewonnenen Erfahrungen an interessierte Regionen weiterzugeben, veröffentlicht das Kunstministerium anlässlich einer Veranstaltung im Juni eine Handreichung mit Empfehlungen für die Einrichtung solcher Netzwerkstellen.