Großstadtszenen und Landschaften

Grafiken von Paul Kleinschmidt und Gottfried Graf aus der Sammlung des Backnanger Heimat- und Kunstvereins werden in der Galerie im Helferhaus präsentiert. Einblicke in das beeindruckende Werk der in der Nazizeit verfemten Künstler.

Großstadtszenen und Landschaften

Gottfried Graf: „Osteria auf Capri“, Radierung von 1912. Repros: Peter Wolf

Von Ingrid Knack

Backnang. Die Galerie im Backnanger Helferhaus präsentiert Grafiken von Paul Kleinschmidt (1883 bis 1949) und Gottfried Graf (1881 bis 1938). Beide hatten unter den Nationalsozialisten zu leiden. Die Arbeiten stammen aus der Sammlung des Heimat- und Kunstvereins, die Rudi Limbach und Wolfgang Uhlig betreuen.

In den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts hatte der in Bublitz/Pommern geborene Paul Kleinschmidt vor allem in Berlin und den USA von sich reden gemacht. „Mein lieber Kleinschmidt, Sie werden den Stein noch höher setzen als ich.“ Das hatte einmal Lovis Corinth zu seinem Malerfreund gesagt. Es sollte anders kommen. In der Nazizeit wurde Kleinschmidt als entarteter Künstler diffamiert. Schon 1933 sind Gemälde von ihm vernichtet worden, die für eine Ausstellung in Berlin eingelagert waren. Seine Bilder der Großstadt etwa mit Bar-, Theater- oder Zirkusszenen, die Kleinschmidts Rang in der deutschen Kunst der 1920er- und 1930er-Jahre bestimmten, waren der Stein des Anstoßes. „Ich will versuchen, eine Synthese der Götter von heute zu geben, einen riesigen Turm von Fressereien und Weib sowie Wein“, so hatte Paul Kleinschmidt seine Kunst im Jahr 1932 nach einem Bericht auf kunstaspekte.art beschrieben. Der Kritiker, Autor und Kurator Günther Wirth schrieb in einem Buch von 1987 über „Verbotene Kunst 1933 bis 1945“: „Als Paul Kleinschmidt 1932 nach Ulm übersiedelt, gehört er bereits zu den meistgehassten Malern der Nationalsozialisten. Die Wiederentdeckung Kleinschmidts hat besonders lange gedauert. Aber es besteht kein Zweifel, dass er zu den großen Figurenmalern seiner Zeit gehört.“

Von Kurtisanen, Hexenund einer feiernden Gesellschaft

In der von Limbach und Uhlig kuratierten Ausstellung im Helferhaus lässt sich das wunderbar nachvollziehen. Die opulenten Gestalten präsentieren sich zum Beispiel im „Frauenbad“ und als „Betrunkene Gesellschaft“, auch „Kurtisanen“ sind mit dabei oder „Hexen“ (alles Kaltnadelradierungen aus den Jahren 1922 oder um 1923). Oft stehen weibliche Gestalten im Mittelpunkt, die mal als Einzelpersonen wie Margarethe Kleinschmidt im Korbstuhl mit geöffnetem Mieder, mal in einer Szene mit anderen Figuren daherkommen. Diese für den Künstler typischen Darstellungen sind keinem Stil zuzuordnen. Kleinschmidt gilt als Einzelgänger unter den Künstlern der Klassischen Moderne in Deutschland – seine Werke bewegen sich zwischen Expressionismus, Realismus und Neuer Sachlichkeit.

Gottfried Graf gehörte mit Oskar Schlemmer und Willi Baumeister zu den Wegbereitern der Neuen Kunst in Stuttgart. 1937 wurden im Rahmen der Aktion „Entartete Kunst“ zahlreiche seiner Werke aus öffentlichen Galerien entfernt und vernichtet. In einem Beitrag im Backnanger Jahrbuch 2013 ist Rudi Limbach auf die Werke des oberschwäbischen Künstlers eingegangen. In seiner Vorbemerkung schreibt er: „Zu den Sammlungsschwerpunkten des Heimat- und Kunstvereins gehört das grafische Schaffen wichtiger Künstler aus Württemberg, deren Werke heute, aufgrund der Zäsur des ,Dritten Reichs‘, zu Unrecht in Vergessenheit geraten sind. Einer von ihnen ist der zum Kreis um Adolf Hölzel (1853 bis l934) gehörende Expressionist Gottfried Graf.“ Von dem „Pionier des modernen Holzschnitts“, als der Graf auch bezeichnet wird, liegt ein Nachdruck seines 1927 veröffentlichen Buches „Der Neue Holzschnitt und das Problem der künstlerischen Gestaltung“ in der Backnanger Schau aus. Die beeindruckenden Holzschnitte stehen neben feinen Radierungen wie die Arbeit mit dem Motiv „Osteria auf Capri“.

Prominente Lehrer und Freunde

Kleinschmidts künstlerische Anfänge Paul Kleinschmidt stammt aus einer Künstlerfamilie. Der Vater war Direktor einer Wanderbühne, die Mutter Schauspielerin. Mit 19 Jahren entschied sich Sohn Paul für die bildende Kunst. Von 1902 bis 1905 lernte er an der Künstler-Akademie in Berlin beim Historienmaler Anton von Werner, dann an der Künstler-Akademie in München bei Peter Halm und Heinrich von Zügel. Wieder in Berlin, pflegte er Freundschaft mit dem Maler Lovis Corinth. 1908 und 1911 beteiligte er sich an den Ausstellungen der Berliner Sezession. (Quelle: Wikipedia)

Grafs künstlerische Anfänge Gottfried Graf ist in Mengen geboren. 1897 begann er zunächst eine Ausbildung zum Beamten im königlich-württembergischen Post- und Telegraphendienst. Parallel zum Postdienst begann er ein Studium an der Kunstakademie Stuttgart. 1920 wurde er an die Stuttgarter Akademie als Leiter der Holzschnittklasse berufen, 1925 wurde er dort Professor für Grafik.

Öffnungszeiten Die Ausstellung in der Galerie im Helferhaus, Petrus-Jakobi-Weg 5, ist bis 28. August zu folgenden Zeiten geöffnet: Dienstag bis Freitag von 17 bis 19 Uhr sowie Samstag und Sonntag von 14 bis 19 Uhr.